Kapitel 110

651 17 9
                                    


Wincent

4 Monate! 4 verdammte Monate ist Ellis Unfall nun schon her. Seit über geschlagenen 16 Wochen sitze ich schon an ihrem Bett und bete zu Gott, dass sie endlich aufwacht. Vor rund 120 Tagen ist meine Welt zusammengebrochen. Jeden Tag fahre ich mit einer großen Hoffnung ins Krankenhaus und hoffe das sie mich anlächelt wenn ich ins Zimmer komme. Aber schon seit Beginn an, gibt es keine große Veränderung. Die ersten Wochen habe ich Tag und Nacht an ihrer Seite verbracht, aber meine Familie und Freunden haben auf mich eingeredet, dass es so nicht mehr weitergehen kann. So habe ich vor rund acht Wochen angefangen, in meinen Alltag zurückzukehren. Klar gehe ich jeden Tag zu Elli und zeige ihr, dass ich da bin aber dann fahre ich entweder nach Hause oder zu Kevin ins Studio. Keine Ahnung wie wir das geschafft haben, aber wir haben weiter am Album gearbeitet. Ich weiß das es Ellis größter Wunsch wäre, dass ich mich nicht komplett zurückziehe. Die Ablenkung tat mir aber auch gut. Nach insgesamt sechs Wochen bin ich auch wieder zurück in unsere Wohnung gezogen. Die ersten Tage waren unheimlich schlimm, aber mittlerweile halte ich es dort aus. Die Nächte sind zwar besonders schlimm. So bin ich aus unserem Bett ausgezogen und bin rüber ins Gästezimmer gezogen. Ich habe alle Termine erstmal abgesagt, denn ich habe keine Kraft mich in der Öffentlichkeit zu zeigen und womöglich auf Elli angesprochen zu werden. Auf das Statement von unserem Management haben wir nicht nur unzählige Reaktionen erhalten, auch die Presse war damit voll. Ich weiß nicht wann ich wieder bereit bin, diesen Schritt zu gehen.

Gerade laufe ich aus dem Krankenhaus und wähle Kevins Nummer. ,,Bist du im Studio?", frage ich direkt. ,,Ich bin noch daheim. Wollte erst heute Nachmittag los, warum?" ,,Ich wollte vorbei kommen", seufze ich uns steige in mein Auto. ,,Bist du nicht mehr bei Elli?", fragt er verdutzt. Denn um diese Uhrzeit bin ich eigentlich noch bei ihr. ,,Hab es nicht mehr ausgehalten", murmle ich. ,,Hey, was ist denn los?", fragt er sanft. ,,Der Arzt war da und hat mir mitgeteilt, dass es immer noch keine Veränderung zu sehen sind. Wie soll das noch weiter gehen Kevin", flüstere ich und wische mir die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht. ,,Wince, ich will nicht das du jetzt alleine bist. Komm bitte vorbei", redet er einfühlsam weiter. ,,Passt schon", murmle ich. ,,Nein Wince, bitte." ,,Okay, ich mach mich auf den Weg", antworte ich nach einer kurzen Stille. ,,Fahr vorsichtig", sagt er noch bevor er auflegt. Seufzend starte ich den Wagen und mach mich auf den Weg zu Kevin. Nach einer halben Stunde Fahrt parke ich vor dem Haus und steige aus. Von weitem sehe ich Kevin mit Louis im Garten spielen. ,,Na da bist du ja", lächelt er und öffnet mir das Gartentor. ,,Mmh", brumme ich und lasse mich kurz von ihm in den Arm ziehen. ,,Willst du auch einen Kaffee?", fragt er und deutet auf seine Tasse. ,,Ja gerne", lächle ich leicht und begrüße erstmal Louis. 

,,Wie geht es dir?", fragt Kevin als wir kurz darauf am Tisch sitzen. ,,Keine Ahnung, irgendwie total leer", murmle ich und spiele gedankenverloren an meiner Tasse herum. ,,Du darfst nicht aufgeben Wince." ,,Wie lange soll das aber noch gut gehen? Ich habe so eine tierische Angst", flüstere ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen. ,,Hey, hey es wird alles gut. Nicht weinen", höre ich Kevin sagen und spüre schon kurz darauf wie er mich in seine Arme zieht. Sofort fange ich wieder an bitterlich zu weinen. Wie oft habe ich in den letzten Wochen geweint? Ich kann es gar nicht mehr zählen. Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, setzen wir uns zu dem Kleinen auf den Boden und spielen eine Runde mit ihm. ,,Ach Wincent, du bist ja da", lächelt Lisa als sie zur Haustür reinkommt. ,,Ja, hoffe dir macht das nichts aus", sage ich leise. ,,Was denkst du denn? Natürlich macht mir das nichts aus", sagt sie sofort und stellt ihre Einkäufe ab. ,,Komm mal her" , murmelt sie und kommt auf mich zu. Sachte nimmt die mich in den Arm. ,,Wie geht es ihr?", fragt sie vorsichtig. ,,Ich war den ganzen Morgen bei ihr. Es gibt immer noch keine Veränderung. Ich habe es nicht mehr ausgehalten und musste einfach weg. Ich fühle mich deswegen so schlecht", hauche ich. ,,Deswegen musst du dich doch nicht schlecht fühlen. Das versteht jeder Mensch. Ich wüsste nicht ob ich Kevin so sehen könnte", redet sie auf mich ein.

,,Kommst du später mit ins Studio?", fragt mich Kevin als wir zu Mittag essen. ,,Ich glaube heute fühle ich mich nicht danach", antworte ich und schaue ihn entschuldigend an. ,,Kein Problem. Ruh dich bisschen aus." ,,Vielleicht fahre ich später noch mal zu ihr", murmle ich und rühre in meinem Teller herum. ,,Mach das so, wie du dich danach fühlst", lächelt mich Lisa an. Ich nicke leicht und esse meine Nudeln weiter. Später als Kevin sich fertig fürs Studio macht, verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg nach Hause. Unterwegs halte ich noch bei einem Supermarkt, denn ich habe nichts mehr essbares zu Hause. Gerade als ich vor der Tiefkühltruhe stehe, werde ich angesprochen. Bitte nicht, vor solchen Situationen bin ich die letzten Wochen geflüchtet. ,,Hallo Wincent, wir haben uns zuerst nicht getraut dich anzusprechen, aber könnten wir vielleicht ein Foto machen", fragt eines der zwei Mädchen. ,,Ehm ja klar", stammle ich und mache mit ihnen ein Foto. ,,Vielen Dank und alles gute für Elli", verabschieden sie sich und bei den letzten Worten versteife ich mich sofort. Okay ganz ruhig Wincent, du fängst jetzt hier nicht an zu weinen. Kurz atme ich tief ein und aus und erledige den Rest meines Einkaufs. Eine halbe Stunde später komme ich zu Hause und schleppe erstmal alles hoch in die Wohnung.

Als ich unsere Post sortiere, muss ich wieder hart schlucken. Solche Kleinigkeiten wie einen Brief an sie adressiert, wirft mich immer wieder aus der Bahn. Seufzend lege ich die Post auf die Kommode und laufe in die Küche. Erstmal räume ich meine Einkäufe weg und setze mich dann ein bisschen aufs Sofa und scrolle durch Instagram. Irgendwann lege ich mein Handy wieder zur Seite und schalte mir Musik an. Ich fange an ein bisschen die Wohnung aufzuräumen und schalte die Waschmaschine an. Zufrieden betrachte ich die saubere Wohnung und lege den Putzlappen weg. Elli wäre bestimmt stolz, wie ich in den letzten Wochen zum Hausmann wurde. Elli, da ist wieder der Gedanke an sie. Egal was ich mache, denke ich an sie und überlege was sie machen würde oder sie dazu sagen würde. Jetzt würde sie hier stehen und grinsend sagen ,,hast du gut gemacht." Sie fehlt mir einfach so sehr und ich weiß einfach nicht was ich ohne sie machen soll. Um mich abzulenken, gehe ich hoch und ziehe mir Sportklamotten an. Der Sport war in den letzten Monate ein wichtiges Ventil um meine Gedanken und Sorgen loszuwerden. 1 1/2 Stunden später gehe ich ausgepowert hoch und springe erstmal unter die Dusche. Kaum bin ich fertig, höre ich unten mein Handy klingeln. Da ich mein Handy seit Elis Unfall normalerweise immer in meiner Nähe habe, greife ich fluchend nach einem Handtuch und renne schnell nach unten. Als ich Dinas Name sehe, schlägt mein Herz schneller, denn gerade ist sie bei ihr.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt