Kapitel 115

328 16 6
                                    




Wincent

Elli ist nun schon seit vier Wochen wach. Aber diese vier Wochen waren nicht einfacher als das letzte halbe Jahr. Elli geht es physisch total schlecht. Sie weint sehr viel, ist in sich gekehrt und kommt mit der Situation total schlecht zurecht. Zudem kommt es dazu, dass sie ziemliche Schmerzen hat und jede Übung bei der Therapie unheimlich weh tut. Vielleicht geht es ja heute bergauf. Denn heute ist es endlich soweit, Elli darf nach Hause. Ich freu mich so sehr und bin aber auch gespannt wie es sein wird, sie nach so einer Ewigkeit wieder zu Hause zu haben. Gestern war auch noch unser Jahrestag und wir hatten einen richtig schönen Tag und haben trotz Krankenhaus unser 2-jähriges gefeiert. Gerade bin ich noch am aufräumen und am Bett beziehen, denn ich möchte das alles perfekt ist wenn sie nach Hause kommt. Ungeduldig vertreibe ich mir die Zeit, bis ich sie endlich abholen kann. Gerade als ich die letzten Sachen in die Spülmaschine räume, klingelt mein Handy. ,,Hey Schatz", gehe ich sofort ran. ,,Hey Wince, ich bin fertig", höre ich sie leise sprechen. ,,Okay, ich mach mich sofort auf den Weg", antworte ich schnell und lege auf. Auf direktem Weg ziehe ich mir meine Schuhe an, schnappe mir meine Schlüssel und gehe zum Auto. 20 Minuten später parke ich das Auto und mach mich schnellen Schrittes hoch zu Elli. Als ich ihr Zimmer betrete, sitzt sie schon fertig angezogen im Rollstuhl.

,,Oh du bist ja wirklich schon fertig", lächle ich und küsse sie zur Begrüßung. ,,Die Schwester hat mir geholfen", lächelt sie leicht. ,,Ah sie werden ja schon abgeholt. Hier habe ich noch ihre Entlassungspapiere", kommt plötzlich die Krankenschwester ins Zimmer und reicht Elli einen Stapel Papiere. ,,Vielen Dank für alles", sagt Elli und nimmt die Zettel entgegen. ,,Nichts zu danken. Wir wünschen ihnen alles Gute, sie werden das meistern", lächelt sie und verabschiedet sich. Da ich gestern schon alles mitgenommen habe, stelle ich die letzte Sporttasche auf Ellis Schoß und schiebe sie nach draußen. Vorsichtig helfe ich ihr ins Auto und schnalle sie an. Nachdem ich alles verstaut habe, setze ich mich hinters Steuer und schaue zu Elli rüber, die einfach nur aus dem Fenster schaut. ,,Ab nach Hause", lächle ich und streichle ihre Wange. ,,Ich freue mich so", antwortet sie leise und lächelt mich sachte an. Eine halbe Stunde später öffne ich die Haustür und schon rollt sie langsam in die Wohnung. Ich bleibe einen Moment im Flur stehen und beobachte sie, wie sie das erste Mal seit über einem halben Jahr die Wohnung betritt. ,,Ist alles okay?", frage ich vorsichtig und gehe langsam auf sie zu. ,,Es ist so komisch. Auch wenn ich die Wohnung kenne, fühlt es sich so fremd an", antwortet sie und schaut mich traurig an. ,,Elli, du warst jetzt sieben Monate nicht hier. Das ist doch ganz klar. Komm erstmal in ganzer Ruhe an", sage ich safte und hauche ihr einen Kuss auf die Schläfe.

,,Hast du Hunger? Ich würde mir schnell etwas machen", frage ich sie und öffne eine Schranktür. ,,Haben wir Joghurt hier?" ,,Ja, willst du bisschen Joghurt mit Obst?" ,,Das klingt gut", lächelt sie mich dankbar an. Nachdem ich ihr einen Joghurt und mir ein Rührei zubereitet habe, stelle ich unsere Teller auf den Tisch und gehe nochmal zurück in die Küche um uns etwas zum Trinken zu holen. ,,Kommst du her?", frage ich und stelle die Gläser auf den Tisch. Unsicher schaut sie zwischen dem Tisch und ihrem Schoß hin und her. Schnell wird mir klar, welches Problem sie hat. Schnell stehe ich auf und stelle einen Stuhl zur Seite. ,,Danke", flüstert sie leise und kommt an den Tisch gerollt. ,,Du kannst dich doch auch auf einen Stuhl setzen." ,,Gerade will ich lieber sitzen bleiben. Mir fehlt noch die Kraft so oft zu wechseln", seufzt sie und fängt an zu essen. ,,Du machst jetzt erstmal auch noch ganz langsam. Wenn du Hilfe brauchst oder dich einfach nur aufs Sofa setzen möchtest, sagst du bescheid. Du musst dich noch nicht quälen", rede ich eindringlich auf sie ein. ,,Ich muss mich glaub bisschen ausruhen. Das war doch ganz schön anstrengend", seufzt sie als sie mir ihren Teller in die Küche bringt. ,,Willst du dich aufs Sofa setzen oder soll ich dich hochbringen?" ,,Das Sofa reicht erstmal." ,,Okay, dann komm her", grinse ich und hebe sie aus dem Rollstuhl und trage sie zum Sofa. Dort setze ich sie ab und decke sie mit der dünnen Decke zu. ,,Ich geh bisschen hoch ins Büro. Wenn etwas ist, rufst du bitte", sage ich und stelle den Rollstuhl neben das Sofa.

Gesagt getan gehe ich hoch in mein Büro und arbeite ein bisschen. Ich habe total die Zeit vergessen, denn plötzlich nehme ich ein weinen wahr. Alarmiert stehe ich auf und renne nach unten. ,,Elli", rufe ich erschrocken als ich sie auf dem Boden liegen sehe. ,,Hey, was ist passiert?", frage ich und ziehe sie in meine Arme. Zusammen mit ihr setze ich mich aufs Sofa und ziehe sie an meine Brust. ,,Shhh, es ist alles gut. Hast du dir weh getan?" ,,Ich wollte mich nur in den Rollstuhl setzen", wimmert sie. ,,Warum hast du denn nicht gerufen?" ,,Ich wollte mal etwas alleine schaffen. Nicht immer auf Hilfe angewiesen sein. Aber ich habe einfach nicht die Kraft dafür, ich bin einfach auf den Boden gefallen", weint sie an meine Brust. ,,Ach Elli", seufze ich und wiege sie sachte hin und her. ,,Wo wolltest du eigentlich hin?", frage ich sie nachdem sie sich beruhigt hatte. ,,Ich wollte auf die Toilette", murmelt sie. ,,Na dann auf", antworte ich und hebe sie hoch und trage sie ins Badezimmer. ,,Du musst mich nicht immer tragen", brummt sie. ,,So geht es aber einfacher", kichere ich und setze sie ab.

Zurück im Wohnzimmer hole ich meinen Laptop und setze mich neben sie aufs Sofa. ,,Ich hab mir was überlegt El. Hör mir erstmal zu und dann kannst du was dagegen sagen okay", spreche ich und schaue sie eindringlich an. ,,Okay", antwortet sie leise und kommt näher zu mir gerückt. ,,Du hast ja den Wunsch geäußert mal wieder ans Meer zu fahren, nach Hause. Da wir beide nun erstmal ankommen müssen und die letzten Monate verdauen müssen habe ich mir überlegt oben etwas zu mieten und uns erstmal ein paar Wochen zu Hause erholen", sage ich und drehe ihr meinen Laptop zu, auf dem das Inserat einer Wohnung zu sehen ist. ,,Das klingt wundervoll aber was ist mit deinen Job. Du musst auch mal wieder anfangen", antwortet sie zögerlich. ,,Du oder eher gesagt wir, sind mir im Moment wichtiger. Wir müssen uns erstmal erholen. Und zudem das Album steht ja, dass kommt ja bald raus. Und egal was zu sagst, ich hab schon alles geklärt", grinse ich. ,,Du bist doch einfach nur toll", lächelt sie und kuschelt sich an meine Seite. ,,Es ist traumhaft, schau mal. Es ist ein kleiner gemütlicher Bungalow genau am Meer", flüstere ich und klicke durch die Bilder und freue mich einfach nur auf die Auszeit daheim. Mit Elli endlich wieder zusammenzuwachsen und die letzten Monate zu verdauen.

,,Es ist so komisch hier zu liegen", murmelt Elli später als wir im Bett liegen. Den restlichen Tag hab ich unsere Sachen zusammengepackt, denn wir wollen so schnell es geht hoch in den Norden. ,,Mmh, da hast du recht. Aber es ist einfach nur schön", flüstere ich und ziehe sie noch enger an mich. Endlich kann ich wieder mit ihr in meinen Armen einschlafen. Wie lange musste ich darauf nur verzichten. Durch mein streicheln schläft Elli schnell ein, aber auch ich schlafe zügig mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt