Kapitel 114

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Wincent

Als ich am nächsten Morgen wach werde, fühle ich mich seit Monaten wieder einigermaßen erholt. Mit einem guten Gefühl stehe ich auf und ziehe mir direkt Klamotten an. Als ich auf mein Handy schaue, stelle ich fest, dass dieses vor lauter Nachrichten fast explodiert. So viele Menschen sind erleichtert das Elli nun endlich wach ist. Mit einem Kaffee in der Hand gehe ich raus auf den Balkon und genieße die Sonne. Zwar haben wir erst kurz nach 8:00 Uhr aber die Sonne scheint schon ganz arg. Eigentlich wären wir zu diesem Zeitpunkt auf Tour und meine Gedanken hüpfen in diesem Moment an die Tour im letzten Jahr. Was wir da durchstehen mussten. Ich kann es gar nicht glauben das es schon wieder ein Jahr her ist seitdem Ellis Welt anfing in Scherben aufzugehen. Naja da konnte ich ja auch nicht erahnen, wo wir in einem Jahr stehen. Das letzte halbe Jahr habe ich quasi nicht gelebt. Ich weiß gar nicht wie ich das geschafft habe, mit der Ungewissheit zu leben ob Elli nochmal aufwacht. Ich weiß aber auch, dass wir noch nicht alles geschafft haben. Es liegt immer noch ein harter und langer Weg vor uns, vor allem für Elli. Irgendwann reiße ich mich aus den Gedanken und mache mich fertig. Sobald die Besuchszeiten beginnen, mache ich mich auf den Weg. Pünktlich wie jeden Tag betrete ich das Krankenhaus. Aber heute ist es ganz anders, diesmal zittere ich nicht am ganzen Körper und habe nicht das Gefühl als würde mir jemand die Luft zum atmen nehmen. Oben muss ich kurz warten bis mir jemand aufmacht. ,,Guten Morgen Wincent", lächelt Lina und lässt mich rein. ,,Morgen, wie geht es ihr?", frage ich und ziehe mir den Kittel an. ,,Es ist sehr schwach und sie hat mittlerweile verstanden welche Auswirkungen der Unfall hatte. Sie ist sehr still und in sich gekehrt", sagt sie und schnappt sich ein Tablett. ,,Okay, ich werde mal reingehen", lächle ich und öffne die Tür.

Elli liegt eingekuschelt im Bett und schaut aus dem Fenster raus. ,,Morgen Süße", sage ich leise und gehe auf sie zu. ,,Hey", flüstert sie leise und schaut mich erschöpft an. ,,Wie geht es dir?", frage ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. Als Antwort schließt sie die Augen und schüttelt sachte den Kopf. ,,Ich hab dich vermisst", murmelt sie leise. ,,Jetzt bin ich ja da", lächle ich leicht und nehme ihre Hand in meine. ,,Ich habe Angst Wincent", wimmert sie plötzlich. ,,Vor was genau?", frage ich leise und streiche ihr eine wirre Strähne hinters Ohr. ,,Vor der nächsten Zeit, was ist wenn ich nie wieder gehen kann", weint sie nun. ,,Shhh, das wird nicht passieren. Du bist so stark, du schaffst das", flüstere ich und ziehe sie so gut es geht in meine Arme. Als sie sich irgendwann einigermaßen beruhigt hat, beantworte ich ihr einige Fragen, die sie stellt. ,,Was willst du als erstes machen, wenn du nach Hause kommst?", frage ich sie diesmal und lege meinen Kopf auf ihren Beinen ab. ,,Einfach zu Hause ankommen, aber was ich meisten machen würde, kann so schnell nicht erfüllt werden", lächelt sie traurig. ,,Was wäre es denn?" ,,Ich würde am liebsten ans Meer fahren", lächelt sie verträumt. ,,Das bekommen wir bestimmt hin", sage ich überzeugt. ,,Du bist witzig. Wie soll ich mich im Sand bitte fortbewegen?", lacht sie leise. ,,Ich bin stark", schmunzle ich und entlocke ihr ein Kichern. ,,Es tut so gut dich lachen zu hören", flüstere. Vorsichtig legt sie ihre Hand an meinen Kopf und grault meine Haare.

,,Ich war so eine lange Zeit nicht da", murmelt sie. ,,Ich weiß. Wir werden aber alles aufholen, das verspreche ich dir. Ich werde dir nicht von der Seite weichen", rede ich gut auf sie ein. ,,Und jetzt schlaf ein bisschen. Du siehst richtig fertig aus." ,,Bleibst du da?", fragt sie mit einem hauch Unsicherheit in ihrer Stimme. ,,Natürlich bleibe ich da", flüstere ich und streichle ihren Arm. Wie zu erwarten braucht sie nicht lange, bis sie eingeschlafen ist. Ich vertreibe mir bisschen die Zeit damit Nachrichten und Mails zu beantworten. Nach einer Stunde wacht Elli so langsam wieder auf. ,,Hey, na gut geschlafen?", frage ich leise und setze mich neben sie auf die Bettkante. Sie nickt leicht und kuschelt sich mehr in ihr Kissen. Die nächsten Stunden hat Elli auch mehr geschlafen, als das sie wach war. Aber sie braucht den Schlaf. Gegen 19:00 Uhr habe ich mich in einer kurzen Wachphase von ihr verabschiedet und bin nach Hause gefahren. Auch ich habe mich zeitig hingelegt, denn auch ich merke, dass mein Körper den Schlaf der letzten Monat verlangt.

Die nächsten vier Tage sahen ähnlich aus und seit gestern liegt Elli auf der Normalstation. Seit dem merke ich auch, dass sie erst alles so richtig realisiert hat. Denn seit ungefähr zwei Tagen ist sie nur am weinen und es ist schwer sie aufgebaut zu bekommen. Gerade bin ich wieder auf dem Weg zu ihr. Heute möchte sie gerne duschen gehen und deshalb hab ich bin ich vollgepackt mit ihren Sachen von zu Hause. ,,Hey Schatz", lächle ich als ich das Zimmer betrete. ,,Da bist du ja", lächelt sie leicht und setzt sich auf. ,,Hab mich beeilt. Wie geht's dir?", frage ich und küsse sie zur Begrüßung. ,,Heute geht es. Der Physiotherapeut hat mich heute ganz schön ran genommen", seufzt sie. ,,Was habt ihr gemacht?" ,,Ein paar Übungen und wir haben zum ersten Mal geübt damit zu fahren", antwortet sie leise und deutet auf ihren Rollstuhl. ,,Und wie klappt es?", frage ich und packe ihre Klamotten aus der Sporttasche. ,,Wenn du gegen die Wand fahren als gut bezeichnest, dann gut", kichert sie leise. ,,Jap, dass ist meine Elli", lache ich leicht und zwinkere ihr zu. ,,Bist du bereit zum duschen?" ,,Ja", sagt sie leise und deckt sich auf. Langsam setzt sie sich auf. ,,Hilfst du mir bitte?", fragt sie leise. ,,Ja klar, warte", sage ich schnell und lege die Sachen zur Seite. Vorsichtig nehme ich sie hoch und setze sie im Rollstuhl ab. Ich schnappe ihre Sachen, lege sie auf ihre Beine und schiebe sie raus ins Badezimmer.

Dort helfe ich ihr aus ihren Klamotten und setze sie auf dem Hocker ab. ,,Geht es?", frage ich sie und halte ihr den Duschkopf hin. ,,Ein bisschen wärmer vielleicht", antwortet sie. Also drehe ich das Wasser wärmer und helfe ihr beim waschen. Nachdem wir fertig sind, trockne ich sie ab und helfe ihr beim anziehen. Schnell räume ich alles zusammen und schiebe sie wieder rüber in ihr Zimmer. Ich helfe ihr wieder zurück ins Bett und räume die Schmutzwäsche weg. ,,Du bist müde oder?", frage ich leise. Denn ich sehe wie sie kämpft die Augen offen zu halten. ,,Mmh, dass war bisschen anstrengend", murmelt sie. ,,Dann schlaf ein bisschen. Ich arbeite bisschen was am Laptop", antworte ich leise und decke sie gescheit zu. Als ich sicher bin, dass sie schläft packe ich meinen Laptop aus und bearbeite ein paar Dinge auf Annas Liste ab. Nach insgesamt 2 1/2 Stunden merke ich wie Elli wieder wach wird. So schalte ich den Laptop wieder aus und gehe rüber zu ihr. ,,Morgen", grinse ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. ,,Das tat gut", flüstert sie leise und setzt sich bisschen auf. ,,Hast du vielleicht bisschen Lust raus zu gehen. Heute ist es wieder richtig warm?", frage ich und setze mich zu ihr. ,,Oh ja, dass klingt gut." Also stehe ich wieder auf, schiebe ihren Rollstuhl ans Bett und helfe ihr hinein.

Als ich sie rausschiebe, merke ich wie sie sich ein bisschen anspannt. ,,Ist alles okay?", frage ich besorgt. ,,Das ist das erste Mal, dass wir rausgehen. Was ist, wenn uns jemand sieht?", fragt sie unsicher. ,,Dann sieht uns halt jemand. Elli, es weiß jeder bescheid was passiert ist. So scheiße wie es auch klingt, das ist jetzt unser Leben. Du kannst dich ja auch nicht komplett einschließen", sage ich eindringlich und knie mich vor sie. ,,Du hast ja recht", seufzt sie. Wir spazieren insgesamt über einer Stunde im Park umher, bis ich merke, dass Elli wieder müde wird. Gerade als wir im Zimmer angekommen sind, kommt Dina zu Besuch. ,,Ich würde mich dann auch verabschieden. Ich muss nochmal zu Kevin. Wir können später nochmal telefonieren okay?", sage ich und küsse sie kurz. ,,Ja das machen wir. Liebe dich." ,,Ich liebe dich auch. Bis morgen", sage ich noch und verlasse das Zimmer. Den restlichen Tag hab ich bei Kevin im Studio verbracht und so liege ich später am Abend im Bett und telefoniere mit Elli. Gegen 22:00 Uhr merke ich, dass sie eingeschlafen ist und auch ich lege mich hin und brauche nicht lange bis ich eingeschlafen bin

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt