Kapitel 125

240 15 4
                                    


Elli

Mittlerweile sind schon wieder ein paar Wochen vergangen. Ich war die letzten Wochen fleißig bei der Therapie und kann die Übungen mittlerweile ganz ohne Schmerzen durchführen. Das hat mir nochmal einen Schub gegeben und nun gehe auch richtig gerne dahin und arbeite daran, vielleicht irgendwann wieder gehen zu können. Gestern stand meine erste richtige Herausforderung an. Wincent flog am Morgen zu einem wichtigen Termin nach Hamburg. Da es für mich zu stressig gewesen wäre und ich eh heute Morgen einen Arzttermin hatte, musste ich hier bleiben. Zudem muss ich es eh wieder lernen, allein zu sein. Gestern als ich aufgestanden bin, wahr es schon ein bisschen holprig, aber alles in Einem hat alles ganz gut funktioniert. Mittags war Mama mit den Kindern da und da habe ich es nicht einmal bemerkt das Wincent nicht da ist. Als sie weg waren, bin ich recht früh ins Bett und man merkt schon an Kleinigkeiten, wie hilflos man sein kann. Als ich mich umziehen wollte, habe ich eine Ewigkeit gebraucht und eventuell bin ich mit meinem Hinterteil vom Bett geplumpst. Das muss ich wirklich noch mehr üben. Wir haben gerade einmal 13:00 Uhr und bis Wincent endlich wieder nach Hause kommt, dauert es noch ein paar Stunden. Da ich nichts zu tun habe, hieve ich mich aufs Sofa und schalte ein bisschen den Fernseher an. Nebenbei greife ich nach meinem Handy und beantworte ein paar Nachrichten auf Instagram und schaue ein paar Storys an. Unter anderem die von Wincent, die er schon fleißig gepostet hat. Irgendwann lege ich mein Handy zur Seite und lasse mich von der Serie berieseln, die am Fernseher läuft.

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn ich werde durch das Klingeln an der Haustür geweckt. Seufzend fahre ich mir durchs Gesicht und lege die Kuscheldecke zur Seite, in die ich mich im Schlaf eingekuschelt habe. Langsam hieve ich mich wieder in den Rollstuhl und rolle zur Haustür. Als ich durch die Kamera schaue, erblicke ich Kevin und Lisa. Sofort drücke ich auf den Öffner und öffne die Haustür. ,,Sorry das es so lange gedauert hat. Ich saß auf dem Sofa und hab geschlafen", lächle ich und nehme beide kurz in den Arm. ,,Oh stören wir?", fragt Lisa vorsichtig. ,,Nein, kommt rein. Was macht ihr denn eigentlich hier", frage ich und rolle nach hinten und lasse so die drei in die Wohnung. ,,Ehm", stammelt Kevin und schaut verunsichert zu seiner Frau. ,,Wenn du geschlafen hast, hast du bestimmt noch nicht auf dein Handy geschaut oder", fragt Lisa belustigt. ,,Ne, warte", murmle ich und rolle zum Sofa und da wird mir einiges klar. ,,Och Wincent", seufze ich als ich zehn verpasste Anrufe von ihm sehe. ,,Er hat mich nur gefragt, ob wir heute schon etwas von dir gehört haben", schmunzelnd Kevin. ,,Jedes Mal muss er alle aufscheuchen. Hab doch nur geschlafen", seufze ich und lege das Handy zu Seite. ,,Er macht sich nur Sorgen Elli. Und jetzt ist es auch noch das erste Mal, dass du länger alleine bist", muntert Lisa mich auf. Schon klingelt wieder Kevins Handy, Wincent. ,,Hey, wir sind bei ihr. Sie hat geschlafen", kichert er und reicht mir das Handy. ,,Hey Schatz, mir geht es gut", lächle ich leicht. ,,Sorry, aber ich habe mir echt Sorgen gemacht", spricht er leise. ,,Das verstehe ich ja. Aber du kommst du heute Abend wieder." ,,Bin ich auch froh drum. Liebe dich", sagt er noch, bevor er sich wieder verabschiedet.

Jetzt wo wir schon einmal da sind, wir haben Kuchen mitgebracht. Konnten uns ja denken, dass es dir gut geht", lächelt Lisa und hält ihren Korb in die Höhe. ,,Sehr gut, warte ich hole Teller", grinse ich und rolle zu den Schränken. ,,Könntest du vielleicht drei rausholen?. Ich habe nur wenige Sachen auf meiner Höhe", frage ich und schaue Lisa bittend an. ,,Na klar", antwortet sie. Ich schnappe mir eine Flasche Wasser und Saft, stelle sie zwischen meine Beine und bringe sie an den Tisch. ,,Louis, in den Körben da sind Spielsachen. Wenn du willst kannst du dir gerne etwas nehmen", sage ich zu dem Kleinen, der sich im Wohnzimmer umschaut. Kaum habe ich die Worte gesagt, stürmt er schon auf den Schrank zu. ,,Jetzt hast du was gesagt", lacht Kevin und nimmt mir die Flaschen entgegen. Wir sitzen gut zwei Stunden zusammen und reden über Gott und die Welt. Um kurz vor 18:00 Uhr verabschieden sich Lisa und Kevin und ich räume erstmal so gut es geht auf. Irgendwann gebe ich es auf und trinke erstmal einen Schluck. Plötzlich klingelt mein Handy, nach einem kurzen Blick sehe ich das Anna anruft. ,,Hey Elli, hast du gerade etwas zu tun?", fragt sie direkt. ,,Hi Anna, ne gerade nicht", antworte ich. ,,Ich habe dir wichtige Unterlagen geschickt, könntest du die mal anschauen?" ,,Ja das kann ich machen", sage ich. ,,Okay, super. Dann sehen wir uns morgen", sagt sie und legt auf. Morgen beginnt für Wincent die Zeit bei The Voice Kids und ich werde ihn begleiten. Denn so eine lange Zeit möchte ich wirklich noch nicht alleine bleiben.

Kurz muss ich überlegen und stelle dann fest, dass mein Laptop oben im Büro ist. Also rolle ich in den Flur und stelle den Rollstuhl neben den Lift und mache die Bremsen zu. Beim ersten Versuch, vergeht mir die Kraft und ich schaffe es nicht auf den Lift. Aber Gott sei Dank klappt es beim zweiten Versuch und so lasse ich mich nach oben fahren. Auch oben muss ich viel Kraft aufwenden und mich in den Rollstuhl zu hieven. Gerade als ich mich rüber ziehen möchte, löste sich die Bremse und er rollt weg. Mit einem dumpfen Aufprall lande ich auf dem Boden. ,,Aua", wimmere ich und ziehe meine Hand unter meinem Oberkörper hervor. Schmerzverzehrt versuche ich mich aufzusetzen, aber rutsche augenblicklich wieder nach unten. Meine Rippen tun höllisch weh und als ich mich mit meiner rechten Hand aufstützen möchte, knicke ich sofort weg. Wimmernd suche ich nach meinem Handy, aber stelle schockiert fest, dass ich es unten liegen lassen habe. Sofort strömen mir die Tränen aus den Augen und mal wieder fühle ich mich mehr als hilflos. Ich schaffe es einfach nicht, mich zu bewegen. Was mache ich nun, bis Wincent kommt, wird es noch ein bisschen dauern. Ich bleibe einfach sitzen und hoffe das die Zeit schnell vergeht.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt