Kapitel 196

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Elli

Es sind nun schon etwas über zwei Wochen her und so langsam geht es ein bisschen bergauf. Wenn ich sage, dass es mir so gut geht wie vorher, lüge ich. Mich plagen immer noch Flashbacks und schlaflose Nächte. Bei Bewegungen, mit denen ich nicht rechne, zucke ich immer noch zusammen und mein größter Halt momentan ist Wincent. Ich wüsste wirklich nicht was ich ohne ihn machen würde. Es sind jetzt einfach nur noch vier Tage und dann ist die Tour auch schon wieder rum. Gerade sind wir auf den Weg nach Losheim und heute Abend werde ich wieder selbst auf der Bühne stehen. Meine Wunden und Blutergüsse sind noch nicht zu 100% verheilt, aber man sieht sie von Weitem kaum. ,,Fühlst du dich wirklich dazu bereit?", fragt mich Wincent heute schon zum zwanzigsten Mal. ,,Ja, vertrau mir da bitte Wince", sage ich und schaue ihn an. ,,Ich vertrau die ja Elli. Aber, ach vergiss es", murmelt er und konzentriert sich weiter auf die Straße. ,,Was soll ich vergessen?", frage ich leise. ,,Die letzten Tage warst du sehr zurückgezogen und emotional. Ich mach mir halt immer noch Sorgen", sagt er leise. ,,Wince, ich möchte einfach nochmal die Bühne genießen und ich fühl mich wirklich bereit dazu", sage ich mit Nachdruck. ,,Ist ja gut. Ich freu mich ja für dich", lächelt er nun und greift nach meiner Hand. ,,Ich muss später nochmal Tommy anrufen, der schreibt mir zig Nachrichten", schmunzle ich und schreibe ihm nochmal zurück.

Die Kinder sind momentan mit Angela in München, sie bereiten gerade ihren Umzug in den Norden vor. Wir haben uns darauf geeinigt, die Kinder zu uns in den Norden zu holen. Seit letzter Woche sind sie auch wieder in den alten Schulen und im Kindergarten angemeldet. Die meiste Zeit werden sie bei Angela und Shayenne leben. Aber natürlich, sind die Kids bei uns sein, sobald wir etwas länger im Norden sind. Wir haben ihnen auch versprochen, die nächste Zeit nach der Tour mit ihnen ins Möbelgeschäft zu fahren und dann werden sie bei uns eigene Zimmer bekommen. Darauf freuen sie sich schon seit Tagen. Nach weiteren drei Stunden kommen wir in Losheim an und parken auf dem Gelände. Auf direktem Weg begrüßen wir das ganze Team und beziehen ist mal wieder den Bus. „Wincent du musst in einer halben Stunde beim Interview sein", kommt Amelie auf uns zu. „Wo muss ich denn hin?", fragt Wincent und schaut sie fragend an. „Du sollst unten ans Seeufer kommen", antwortet Amelie. „Kommst du nicht mit", fragt er verwirrt. „Nein, diesmal nicht. Ich hab noch einiges zu tun, aber die Fragen wurden schon abgeklärt.", informiert ihn Amelie. Nachdem sie weggegangen ist, schaut er mich fragend an. ,,Du Schatz, willst du wenigstens mitgehen?", fragt er und schaut mich mit seinem Hunde Blick an .

„Kannst du nicht alleine gehen?", lache ich leicht. ,,Ach man, lach mich nicht aus", schmunzelt er. ,,Dann komm", kichere ich und rolle zu meinem Rollator, da ich mit dem Rollstuhl im Sand nicht weit kommen werde. ,,Bin mal gespannt, Manuel meinte er hat einen Anschlag auf mich vor wenn wir wieder daheim sind", sage ich und laufe mit Wincent in Richtung Seeufer. ,,Hat er das so gesagt?", fragt er lachend. ,,Ja und ich weiß nicht ob das was positives ist", grinse ich. ,,Hat er noch was dazu gesagt?" ,,Also er meinte, Elli da du so gut mit dem Rollator laufen kannst, habe ich einen Anschlag auf dich vor", erzähle ich. ,,Dann warte einfach mal ab", lächelt Wincent und schon kommt der Reporter auf uns zu. Während des Interviews sitze ich ein bisschen im Sand und genieße die Sonne. Die Band absolviert gerade ihren Soundcheck und gerade spielen sie ,,weck mich nicht auf" und ich kann nicht verhindern, dass ich leise vor mich her singe. ,,Ich leg mich nur kurz hin, mach die Augen zu und vergess , wo ich bin", singe ich leise und plötzlich nehme ich eine warme Stimme hinter mir wahr. ,,Weck mich nicht auf, aus diesem Traum." Lächelnd drehe ich mich um und sehe Wincent singend auf mich zukommen. ,,Na, gefällt dir der Sänger?", fragt er verschmitzt und setzt sich neben mich.

,,Ach, gut sieht er schon aus", schmunzle ich und lehne mich an seine Schulter. ,,Dann ist es ja gut, dass ich auch so eine Sängerin gut finde", kichert er. ,,Ah echt?", frage ich verdutzt. ,,Ja, sie ist wunderschön, süß, intelligent, witzig, schlagfertig, einfach eine Strahlemaus. Man muss sie einfach nur lieben", flüstert er lächelnd. Gerührt küsse ich ihn zärtlich. ,,Du bist so süß", kichert er und streichelt meine Wange. Fragend schaue ich ihn an. ,,Du bist rot", lacht er und stupst mir auf die Nasenspitze. Brummend schmiege ich mich an seine Brust. ,,Sie sind süß Frau Weiß", lacht er und legt seine Arme um mich. ,,Hör jetzt auf", kichere ich. ,,Nein, wenn ich dich so zum Lachen bringe, nenne ich dich jetzt nur noch süß", grinst er. Wir genießen noch ein bisschen die Zeit zu zweit hier am Seeufer, bis wir doch mal wieder zurück müssen. Denn ich habe gleich Soundcheck. Als ich die Bühne betrete und die Band die ersten Töne spielt, kommt Wincent auf die Bühne und setzt sich auf den Boden. Schmunzelnd fange ich an zu singen und genieße es gleich wieder. Wincent feiert ein bisschen seine eigene Party und ich muss mir ein paar Mal ein Lachen verkneifen. ,,Also ich würde sagen, wir setzen Wincent heute Abend auch auf die Bühne", lacht Nico als wir die Bühne verlassen. ,,Bitte nicht", kichere ich und gebe meine Technik ab.

Ein bisschen später verabreden wir uns alle beim Essen. Während wir essen, reden alle durcheinander und ich bekomme ein ganz komisches Gefühl im Magen. Als einer von den Jungs vor lauter lachen auf den Tisch haut, geht ein Ruck durch meinen Körper und ich habe wieder die Bilder vor Augen. Mein Schluchzen erfüllt mal wieder den Raum. ,,Shh, es ist alles gut", flüstert Wincent und legt einen Arm um mich. ,,Sollen wir kurz rausgehen?", fragt er leise, weil er spürt das ich mich unwohl fühle. Als ich nicke, stehen wir auf und gehen ein bisschen hinter den Bus. Sofort zieht er mich mal wider an seine Brust. ,,An was denkst du gerade?", fragt er vorsichtig. Das fragt er immer mal wieder seit ein paar Tagen, um mehr aus der Vergangenheit zu erfahren, aber er drängt mich zu nichts und wenn ich nicht reden möchte, muss ich auch nicht. ,,Einmal kam er nach Hause und mir ging es nicht gut. Sie haben mich angeschrien und ich wollte nach oben gehen, da hat er mich geschupst und ich bin ein paar Stufen nach oben gefallen. Ich hatte solche Schmerzen im Bein, aber oben hat sie einfach weiter gemacht", wimmere ich und kralle mich in seinem Shirt fest. ,,Wie alt warst du da?" ,,16, das war kurz vor DSDS", flüstere ich. ,,Ich würde sie am liebsten umbringen", flucht er und zieht mich enger an sich. ,,Haben sie eigentlich aufgehört als du nach München gezogen bist oder haben sie bei deinen Besuchen weitergemacht?", fragt er vorsichtig. ,,Weitergemacht, am liebsten wäre ich nicht mehr hingegangen. Wenn Mama nicht getrunken hat, war sie ganz normal. Da dachte ich immer, sie wäre die liebste Mum", weine ich. ,,Wir hätten ja auch nichts geahnt", murmelt er.

Als ich mich bisschen beruhigt habe, gehen wir wieder zurück zu den anderen. ,,Ich fasse es ja immer noch nicht", murmelt Flo und schaut mich an. ,,Ich glaube das kann keiner", lächle ich gequält. ,,Darf ich mal was fragen, das interessiert mich so sehr", wirft Manni ein. ,,Ja", antworte ich. ,,Haben deine Geschwister nichts gemerkt?" ,,Wenn sie in diesem sogenannten Zustand war, hat sie sich im Schlafzimmer eingesperrt. Und mir angetan haben sie es nur wenn wir alleine waren oder die kleinen geschlafen haben", erzähle ich. ,,Und bei meinem Vater war der Unterschied, er brauchte keinen Alkohol", flüstere ich mit brüchiger Stimme. ,,Also wart ihr öfters selbst für euch verantwortlich oder?", fragt Toby. ,,Ja, ich habe mich in der Mehrheit um die kleinen gekümmert als ich noch zu Hause gelebt habe." ,,Scheiße", flucht Benni neben mir. Kurz herrscht Stille, bevor wir das Thema wechseln. Später ziehe ich mich zurück um mich für sie Show fertig zu machen. ,,Hübsch", lächelt Wincent als ich wieder zurückkomme. ,,Danke", lächle ich und rücke mein Kleid zurecht. ,,Ich schau dir bisschen zu", grinst er und küsst mich liebevoll. ,,Aber bitte ohne Party", kichere ich und vertiefe den Kuss indem ich meine Hände in seine Nacken lege. Während ich mich bei Ravi fertig mache, setzt sich Wincent schon grinsend auf einer der Kisten. Schmunzelnd nehme ich das Mikrofon entgegen und winke der Band zu. ,,Och nö", stöhnt Manni und deutet auf Wincent, der ihnen grinsend zuzwinkert.

Leider hat er nicht auf mich gehört und feiert neben der Bühne eine kleine Party. Auch die Fans haben ihn mittlerweile registriert und müssen immer mal wieder lachen. Das Problem ist aber, das ich mir selbst das Lachen verkneifen muss. Bei ,,I think I fell in love today" kann ich mich nicht mehr halten und muss mitten in der zweiten Strophe anfangen zu lachen. ,,Ich muss euch das mal erklären warum der Typ da drüben eine eigene Party feiert. Heute Mittag beim Soundcheck saß er da und machte das schon. Da habe ich ihm vorhin gedroht, aber man sieht ja, bei dem kann man sagen, was man möchte", lache ich. Gottseidank verlässt er beim vorletzten Song die Seitenbühne um sich fertig zu machen. Nachdem ich mich ein paar Mal verabschiedet und bedankt habe, verlasse ich die Bühne und werde von Amelie in Empfang genommen. Kurz schaue ich bei Wincent vorbei und wünsche ihm viel Glück. Dann gehe ich selbst in meine Garderobe und gehe erstmal duschen, denn heute war es unheimlich heiß auf der Bühne. Anstatt Wincent zuzuschauen, gehe ich erstmal essen und rufe anschließend Tommy an, der mich aufgeregt informiert, was sie heute alles gemacht haben. Wir telefonieren über eine halbe Stunde, bis er sich verabschiedet um ins Bett zu gehen. Ich verabschiede mich und laufe zur Bühne um den lieben Herrn in Empfang zu nehmen.

In der Zeit, in der alles abgebaut wird, setze ich mich mit Wincent zu einem Teil des Team und wir reden noch ein bisschen. Wincent und die Band könne auch endlich zum Abend essen und ich kann mich auch nicht zügeln und schnappe mir noch etwas vom Nachtisch. Gegen 23:30 Uhr verabschieden wir uns ins Auto und fahren los nach Gelsenkirchen. ,,Heute war es echt ein schöner Tag", seufze ich und lächle Wincent an. ,,Das freut mich so für dich Elli", lächelt er und greift nach meiner Hand. ,,Aber müde bin ich auch", gähne ich und kuschle mich in die Kapuze seines Hoodies. ,,Schlaf ein bisschen, wir fahren ja knapp vier Stunden", sagt er und schaut kurz zu mir rüber. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schließe erschöpft meine Augen.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt