Kapitel 133

264 17 2
                                    




Wincent

Als ich aufwache, schlummert Elli noch tief und fest an meiner Seite gekuschelt. Es ist zwar erst 8:00 Uhr, aber ich fühle mich schon total ausgeschlafen. Die Nacht war einfach ein Traum. Elli hat seit einer Ewigkeit durchgeschlafen und als ich kurz auf der Toilette war, sah sie im Schlaf total zufrieden aus und trug ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen. Über Nacht hat es total geschneit und darüber freue ich mich wie so ein kleines Kind. Ich greife zur Fernbedingung und schalte ein bisschen den Fernseher ein um mich ein bisschen berieseln zu lassen. Ich bleibe beim Frühstücksfernsehen hängen und graule nebenbei Ellis Rücken. Ich bin so in Gedanken versunken, als plötzlich mein Name fällt. Verdutzt schaue ich zum Fernseher, auf dem gerade das Video von Instagram abgespielt wird. Sofort versteife ich mich wieder und muss aufpassen, das ich nicht meine Hand in ihre Seite kralle. Sie berichten von den Hasskommentaren über Elli und am Ende fällt der Satz: ,,Seitdem Vorfall hat sich Wincent nicht mehr auf Social Media geäußert. Wir sind gespannt ob von ihm dazu etwas kommt", sauer schalte ich um, können sie nicht einfach mal akzeptieren, dass ich gerade Abstand von all dem brauche. Ich habe mit Anna schon geredet, wir werden wahrscheinlich ein Statement posten, denn ich will und kann es einfach nicht so stehen lassen. Hoffentlich mache ich es damit aber nicht noch schlimmer. Eine sanfte Bewegung von Elli reißt mich wieder weg von diesen blöden Kommentaren. ,,Guten Morgen", flüstert sie und vergräbt ihr Gesicht an meinem Hals. ,,Seit wann haben wir Rollen getauscht", lache ich und lege meine Arme um sie. Nach ein wenig kuscheln, bestelle ich uns Frühstück aufs Zimmer, dass auch kurz darauf schon kommt.

,,Hast du was dagegen wenn ich ein bisschen Sport machen gehe?", frage ich als sich Elli aufs Sofa setzt. ,,Nein, geh ruhig. Ich werde bisschen lesen", lächelt sie. Also schnappe ich mir meine Sportklamotten und ziehe mich um. ,,Ich mache nicht allzu lange", sage ich und küsse sie kurz. ,,Mach ruhig so lange wie du möchtest", sagt sie und schnappt sich ihr Buch. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und gehe runter in den Fitnessraum. Hier war ich fast immer als ich hier war. Ich habe mich versucht mit Sport abzulenken, habe aber schnell gemerkt, dass ich teilweise zu schwach dafür war. Knapp eine Stunde später befinde ich mich schon wieder auf dem Weg zurück. Ich bin ja nicht hier um nur Sport zu machen. ,,Bin wieder da", rufe ich und ziehe mir die verschwitzen Klamotten über. ,,Ulala, so kannst du öfters nach Hause kommen", kichert Elli als sie von ihrem Buch hochschaut. ,,Gefällt es dir?", grinse ich und fahre mir demonstrativ über den Bauch. ,,Joar", lacht sie und zieht mich an meiner Hand zu sich. ,,Joar?", frage ich und ziehe eine Augenbraue nach oben. ,,Es gefällt mir sehr", haucht sie und legt endlich ihre Lippen auf meine. ,,Weißt du was blöd ist?", murmelt Elli leise als ich aus der Dusche komme. ,,Was denn?", frage ich und trockne mich ab. ,,Es ist ja schön das es geschneit hat, aber können wir da überhaupt rausgehen? Ich weiß gar nicht wie das mit dem Rollstuhl ist", sagt sie. ,,Ich habe gesehen, dass die Hauptwege geräumt sind. Da können wir ruhig laufen", muntere ich sie auf und schnappe mir frische Boxershorts.

,,Sag mal, bald sieht man dich gar nicht mehr", lache ich als Elli sich noch einen dicken Schal umbindet. ,,Hauptsache ich habe warm", kichert sie. Schmunzelt greife nach dem Wärmekissen und lege es in die Mikrowelle. ,,Alles gut?", frage ich als sie ihr Handgelenk streichelt. ,,Ja", lächelt sie und möchte mir das Kissen aus der Hand nehmen. Schmerzverzerrt lässt sie es aber auf den Boden fallen. ,,Tut dir deine Hand weh?", frage ich besorgt und hebe es wieder vom Boden auf. ,,Mmh", murmelt sie. ,,Hab sie gestern auch nicht so geschont", seufzt sie. ,,Dann wird sue heute um so mehr geschont", sage ich und mache bisschen die Decke weg. ,,Wo willst du es denn hin haben?" ,,Auf die Oberschenkel", antwortet sie und hebt ihre Arme an. Ich lege das Wärmekissen auf die Beine und stopfe die Decke enger um sie. ,,Wenn du jetzt noch frierst, weiß ich auch nicht", lache ich und schnappe mir unsere Zimmerkarte. Die nächsten 1 1/2 Stunden verbringen wir wieder draußen und die meiste Zeit sind wir bei den Tieren. Elli hat die ganze Zeit ein ehrliches Lächeln aufsitzen und immer wenn sie kichert, geht mein Herz auf. Wenn ich hier so stehe uns sie beobachte, wie sie mit den Kälbern kuschelt, wird mir wieder bewusst, dass ich sie fast verloren habe. Als die Ärzte im April meinten, dass es nicht gut aussieht und wir mit dem schlimmsten rechnen müssen, bin ich abgehauen und hierher gefahren und habe mich im Zimmer eingeschlossen. Wenn ich sie hier so sitzen sehe, überkommt mich eine Welle an Emotionen. Ich muss mich jeden Tag kneifen, weil ich nicht realisieren kann das sie hier bei mir ist. Es sind nun schon vier Monate vergangen seit sie wieder wach ist, wann geht diese Angst, dass ich das alles nur träume wieder weg?

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt