Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr sieht

Kapitel 193

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Wincent

Nach einer kurzen Autofahrt komme ich bei Mum an und schaue überrascht in den Garten. ,,Hey Wincent", ruft Tommy, der mit seinen zwei Schwestern am Zaun stehen und mir zuwinken. ,,Was macht ihr denn hier?", rufe ich als ich zur Haustür laufe. ,,Mama wollte irgendwo hin", antwortet Leonora. ,,Sehe du wurdest schon begrüßt", lacht Mama, die mir schon die Haustür geöffnet hat. ,,Ja", lache ich und umarme sie kurz zur Begrüßung. ,,Wo ist Dina?", frage ich als ich mir die Schuhe ausziehe. ,,Sie stand vorhin plötzlich vor der Tür und gefragt ob sie die Kinder kurz hier lassen kann", antwortet sie als wir in den Wohnbereich laufen. ,,Sie wollte glaub zu Elli", sagt Tommy, der gerade reinkommt und in meine Arme springt. ,,Ah okay", sage ich und schaue zu Mama. ,,Davon hat sie mal nichts gesagt." ,,Seit wann ist sie denn weg?", frage ich. ,,Schon gut zwei Stunden", überlegt Mama. ,,Also eben war sie mal noch nicht bei ihr." ,,Winnie", ruft Mila und kommt auf mich zugeraunt. ,,Mein Gott bist du groß geworden. Du bist in den letzten Wochen nochmal gewachsen oder", lache ich und hebe sie hoch. ,,Bin ja ein großes Mädchen", grinst sie und drückt mir einen Schmatzer auf die Wange. ,,Wo hast du denn die Pakete?", wende ich mich an Mum als ich sie wieder runterlasse. ,,Die stehen draußen unter dem Carport", sagt sie und läuft nach draußen. Ich trage gleich die Sachen hoch ins Schlafzimmer. ,,Soll ich es nicht aufbauen?", frage ich schon zum 5. Mal. ,,Nein, das bekomme ich schon hin", antwortet sie wiederum schon 5. Mal.

,,Bleibst du noch ein bisschen hier?", fragt Leo als ich mich an den Tisch setze. ,,Kurz ja", lächle ich und bekomme im nächsten Augenblick schon die Puppe in die Hand gedrückt. ,,Komm mit", grinst sie. ,,Wohin denn?", frage ich verwirrt. ,,Auf die Decke. Mila und ich spielen Mutter-Vater-Kind", antwortet Leo und zieht mich zur Decke. ,,Und was bin ich?". frage ich lachend und setze mich zu ihnen. ,,Opa", lacht Mila schallend. ,,Danke", lache ich. ..Nein, du bist der Papa. Mila ist das Kind und ich die Mama", bestimmt Leo und drückt mir ihre zweite Puppe in den Arm. ,,Ein Bild für die Götter", lacht Mum, die sich mit einem Kaffee in der Hand auf die Terrasse setzt. Auch Tommy, der mit einem Buch neben ihr sitzt fängt an zu lachen. Ich spiele noch ein bisschen mit den Mädels, bis mich mein Handy unterbrechen lässt, Noah ruft mich an. ,,Da muss ich kurz rangehen", sage ich und stehe auf. ,,Moin Noah, seid ihr schon bei Elli?", frage ich als ich abnehme. ,,Ehm ja, könntest du vielleicht so schnell es geht herkommen?" Gerade als ich nachfragen möchte, was los ist, höre ich eine fremde Stimme sprechen. ,,Du Wincent, ich muss auflegen. Bitte komme", sagt er noch und legt einfach auf. Verwirrt schaue ich auf mein Handy und laufe zu Mama.

,,Irgendwas stimmt da nicht", murmle ich. ,,Was ist denn los?", fragt sie direkt besorgt. ,,Noah meinte nur ich soll so schnell wie möglich nach Hause kommen. Aber als ich nachfragen wollte, hat ihn irgendjemand angesprochen", erkläre ich. ,,Nein, das hört sich wirklich nicht gut an", murmelt sie. ,,Ich fahr mal", lächle ich leicht. ,,Melde dich bitte, wenn die Kids jetzt nicht hier wären, würde ich mitfahren", sagt sie und begleitet mich zur Haustür. ,,Ich melde mich, versprochen", sage ich und steige ins Auto. 15 Minuten später biege ich unsere Straße ein und sehe sofort die Polizei und den Krankenwagen vor unserem Haus stehen. ,,Fuck", fluche ich, bleibe einfach an der Straße stehen und renne los. ,,Wer sind sie?", hält mich gleich ein Polizist auf als ich das Grundstück betrete. ,,Ich bin Herr Weiß, ich wohne hier", sage ich direkt. ,,Gut das sie nun da sind. Sie kennen ja vermutlich Frau Kerper oder?" ,,Dina Kemper?", frage ich sicherheitshalber nach. ,,Ja", sagt er und deutet auf das Polizeiauto, indem ich Dina sitzen sehe. ,,Was hat sie getan?", frage ich aufgebracht. ,,Herr Bohle hat uns informiert. Er und Herr Stasch haben ihre Frau hier vorgefunden. Ich sag es jetzt mal untertreiben, ihre Schwiegermutter hat ihre Frau geschlagen. Sie wollte flüchten, aber Herr Bohle konnte sie noch aufhalten", erklärt er mir. ,,Meine Frau wurde jahrelang von ihrem Vater misshandelt. Ich habe schon seit ein paar Tagen den Verdacht, dass ihre Mutter auch beteiligt war", seufze ich und fahre mir durchs Gesicht.

,,Das ändert natürlich nochmal einiges. Gehen sie jetzt erstmal zu ihrer Frau. Ich glaube sie braucht sie im Moment dringender. Wir werden nochmal reinkommen, vielleicht bekommen sie sie ja dazu, dass sie eine Aussage macht", lächelt der Polizist. ,,Ich versuche es", sage ich und betrete das Haus. Schon vom Flur aus, höre ich Elli weinen. Elli sitzt in der Küche auf dem Boden, aber die Sanitäter versperren mir die Sicht. ,,Wincent ist gleich da", höre ich Noah auf sie einreden. Mats, der mich schon bemerkt wendet sich an sie. ,,Er ist hier Elli", sagt er leise und tritt einen Schritt zurück. Und jetzt kann ich sie sehen und atme zischend aus. Sie ist übersät mit blauen Flecken und ihre Nase scheint zu bluten. ,,Wincent", weint sie leise. ,,Ich bin hier", sage ich leise und setze mich neben sie. ,,Wie geht es ihr?", wende ich mich an die Sanitäter. ,,Sie steht noch total unter Schock. Wir haben jetzt mal einen Ultraschall gemacht, innere Blutungen können wir soweit ausschließen. Die Nase ist auch nicht gebrochen. Die Wunden haben wir jetzt soweit versorgt. Sie möchte auf keinen Fall mit ins Krankenhaus fahren", redet der eine Sanitäter. ,,Ich glaube es wäre auch besser, wenn sie erstmal in ihrem Umfeld bleibt", wirft der andere ein. ,,Wenn etwas sein sollte, kommen sie aber bitte ins Krankenhaus", ergänzt er noch. ,,Das werden wir", sage ich eindringlich.

Nachdem sie alles eingepackt haben und sich verabschiedet haben, wende ich mich wieder an Elli. ,,Süße, schau mich bitte an", flüstere ich setze mich vor sie. Langsam schaut sie nach oben in mein Gesicht und bei ihrem Anblick muss ich fest schlucken. ,,Deine Mum war das in der Vergangenheit, hab ich recht ?", frage ich leise. Langsam nickt sie und fängt wieder an zu schluchzen. ,,Komm her", flüstere ich leise und ziehe sie an meine Brust. ,,Nicht erschrecken, ich trag dich aufs Sofa okay?", sage ich leise und wieder nickt sie sachte. Ich stehe auf und nehme sie behutsam hoch und trage sie ins Wohnzimmer. ,,Hier", sagt Mats leise und reicht mir eine Decke. Ich wickle Elli darin ein und setze mich neben sie. ,,Schatz, ich weiß wie schwer das alles ist, aber du musst eine Aussage machen", sage ich vorsichtig. ,,Ich weiß", flüstert sie leise. ,,Bist du bereit dafür, ich bin auch die ganze Zeit dabei." Als sie nickt holt Noah wieder die Polizisten dazu und Elli fängt an zu reden und zum ersten Mal höre ich hautnah von ihr, durch was für eine Hölle sie gehen musste. Nach einer weiteren Stunde verabschieden sich die Polizisten und lassen uns mit dröhnenden Köpfen zurück. Elli ist zwischenzeitlich auf dem Sofa eingeschlafen. ,,Ich trag sie schnell hoch ins Schlafzimmer", sage ich zu den Jungs und trage Elli hoch ins Bett.

Als ich nach unten komme, stehen Mats und Noah total fassungslos in der Küche. ,,Was ist eigentlich passiert?", frage ich die Jungs und schaue sie an. ,,Wir kamen hier an und die Haustür stand schon offen. Plötzlich haben wir Elli schreien gehört, also sind wir rein. Elli saß schon da auf dem Boden und Dina stand über ihr gebeugt und hat in dem Moment gerade ausgeholt, aber wahrscheinlich schon zum gefühlt zehnten Mal. Also bin ich hin und hab sie runtergezogen und Mats hat in der Zwischenzeit die Polizei gerufen", erzählt Noah und schaut mich mit einem leeren Blick an. ,,Danke Jungs, ihr habt Elli glaub das Leben gerettet", flüstere ich den Tränen nahe und ziehe sie in meine Arme. ,,Das war selbstverständlich", antwortet Mats und wischt sich eine Träne von der Wange. ,,Sie hat ihr ernsthaft vorgeworfen, sie würde ihre Verletzung und Krankheiten spielen. Ich fasse so etwas nicht", faucht Mats und fährt sich aufgebracht durch die Haare. ,,Jetzt kannst du dir ja denken warum sie nie etwas sagt wenn es ihr nicht gut geht. Sie hat einfach Angst das ich oder wir ihr nicht glauben oder sonst was", sage ich leise. ,,Wince, hast du Schnaps?", fragt Noah. Wortlos deute ich auf den Schrank im Wohnzimmer und laufe zur Haustür, denn es hat gerade geklingelt.