2. Kapitel - Und jetzt?

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Die Person hielt mir die Hand vor den Mund und zog mich energisch aus dem Schrank.

„Psst, sei leise", zischte sie und schüttelte verständnislos den Kopf. Die alte Dame legte ihre Hand auf den Arm des Mädchens und bat sie mich loszulassen. Als sie ihren festen Griff daraufhin löste und ich langsam verstand wer hier vor mir stand, atmete ich auf. Mein Herzschlag wurde etwas ruhiger und ich bekam langsam wieder normal Luft. Es war Angelina, das schlanke, mysteriöse Mädchen, auf das ich das erste Mal mit Mason getroffen war, als wir auf dem Weg zu unserer ersten, gemeinsamen Party gewesen waren. Was machte sie hier? Sie hatte doch nichts mit den Männern zutun, die hinter mir her gewesen waren oder? Die Vermutung lag nah, dass sie dem Schwarzen Orden angehörte. Deswegen hatte mich Jayden auch von ihr fernhalten wollen. Hoffentlich sahen beim Schwarzen Orden nicht alle so einschüchternd aus, wie sie.

Angelina musterte mich mit finsteren Blicken und stand mir so selbstbewusst gegenüber, dass ich Mühe hatte einen geraden Satz über die Lippen zu bringen.

„Was machst... du... hier?", stotterte ich, obwohl wahrscheinlich ich Diejenige war, die diese Frage zuerst beantworten sollte. Schließlich hatte sie mich versteckt in einem Kleiderschrank gefunden.

„Ferien? Was machst du hier?", antwortete sie und sah mich prüfend an. Angelina machte Ferien hier? Aber warum? Kannte sie die alte Dame?

„Ich bin ihre Großmutter, Liebes", mischte sich die alte Dame ein, als sie meine verwirrte Mine mitbekam.

„Oh... ach so", war alles was ich stammelnd rausbrachte. Die alte Dame war die Großmutter von Angelina? Das war das Letzte, mit dem ich gerechnet hatte. Unterschiedlicher hätten zwei Personen wohl kaum sein können.

„Was machst du hier?", wiederholte Angelina nun nachdrücklicher.

„Lasst uns erst mal nach oben gehen und dann gib ihr einen Moment Ruhe, damit sie ihre Gedanken sortieren kann. Sie sieht ja ganz verängstigt aus", bestimmte die alte Dame und lief mit Angelina zusammen die Treppe nach oben. Ich sah ihnen nach und zögerte einen Moment. Erst jetzt fiel mir auf, dass dieser Raum nicht annähernd so unheimlich aussah, wie ich es in der Dunkelheit vermutet hatte.

Ich drehte mich um und warf einen Blick zum Schrank, in dem ich mich versteckt hatte. Er stand immer noch offen und darin befanden sich weder Spinnweben, noch Mäuse oder gar ein Geist. Er war fast leer. Nur auf dem Boden lag etwas Stoff, der von hier wie eine Tischdecke aussah. Das hatte sich also so weich an meinen Füßen angefühlt. Etwas Angst fiel von mir ab. Der Raum war ordentlich gepflegt. Hier unten befanden sich nur ein paar Bücherregale, eine Sitzecke und einige Schränke. Nichts also, das mich hätte verängstigen müssen. Erleichternd, dass ich mein Versteck mit keinem Geist geteilt hatte.

Die alte Dame und Angelina waren längst durch die Luke verschwunden. Ich folgte ihnen und erklomm die ersten Stufen. Als ich nach dem Geländer griff, fiel mir jedoch auf, wie unruhig ich war. Meine Hände zitterten, meine Beine waren weich wie Gummi. Eine Welle von Angst durchzuckte meinen Körper. Ich war allein. So froh ich auch war zwei bekannte Gesichter zu sehen, die mir halfen, so sehr graute es mir auch vor den nächsten Schritten, die ich gehen musste. Ich konnte mich bei der alten Dame nicht ewig verstecken. Früher oder später müsste ich zum Schwarzen Orden gehen und dann wäre ich ganz allein. An einem neuen Ort, wo ich niemanden kannte. Und ich hatte mir das freiwillig angetan. Ich war vom Weißen Orden geflohen. Sie würden mich nicht mehr zurücknehmen. Jetzt war es dort unter keinen Umständen mehr sicher für mich.

Ich spürte wie die nächste Welle von Angst sich anbahnte. Aber ich schob sie schnell beiseite, bevor sie die Kontrolle über mich bekommen könnte und kletterte die übrigen Stufen hoch.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt