26. Kapitel - Geheimes Gespräch

37 8 0
                                    

„Irgendwann kannst du mich sehen, aber das braucht Übung. Du musst an mich denken und dir vorstellen wie ich aussehe und an welchem Ort wir sind. Wenn du deine Vorstellungskraft trainierst, wird dir das bestimmt bald gelingen", erklärte Lian.

„Heißt das, dass wir gar nicht am gleichen Ort sein würden, wenn ich dich sehen könnte?", fragte ich etwas verwirrt.

„Nicht unbedingt, wir könnten uns entweder an zwei verschiedenen Orten befinden oder einer von uns lässt sich auf die Vorstellung des anderen ein."

„Aber was ist das für ein Ort? Wo ist der?"

„Wir sind an keinem Ort. Wir sitzen immer noch auf dem Boden in meinem Zimmer. Würdest du die Augen öffnen, würdest du das sehen, aber dann wäre auch dieses Ritual beendet."

„Und wo sind wir dann? Wie reden wir miteinander?" Ich verstand einfach nicht was das hier war.

„Wir sprechen in unseren Gedanken. Durch das Ritual haben wir unsere Gedanken miteinander verbunden und da Gedanken unbegrenzt sind, könnten wir uns hier eine ganz eigene Welt vorstellen", erklärte Lian geduldig. Obwohl seine Erklärung wahrscheinlich ziemlich nachvollziehbar war, fiel es mir schwer das zu begreifen. Wir unterhielten uns also in unseren Gedanken und wenn ich meine Vorstellungskraft trainieren würde, könnten wir uns sogar am Strand oder so unterhalten? Irgendwie klang das verrückt, sogar für Magier.

„Warte mal... heißt das du kannst jeden meiner Gedanken hören?", fragte ich panisch. Das wäre nicht nur gruselig, sondern auch ziemlich unangenehm.

„Nein, nur die Gedanken, die du mich hören lässt. Also alles was du in diesem Zustand aussprichst." Okay, das war beruhigend.

„Wenn ich mich deiner Vorstellung anschließen würde und wir gemeinsam an einem Ort wären, könnten wir uns dann berühren? Oder könnten wir uns nur sehen?", fragte ich interessiert. Lian lachte leicht auf.

„Ja, das könnten wir. Wir könnten hier alles tun, solange wir es uns vorstellen können."

„Aber das ist doch gar nicht real oder?" Wieder musste Lian leicht auflachen.

„Wer weiß, das ist wahrscheinlich eine Definitionsfrage. Theoretisch sind es nur unsere Gedanken und trotzdem sind unsere Gedanken ja real. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen."

„Stimmt, aber eine Frage habe ich noch."

„Ja?"

„Heißt das, dass du mich gerade sehen kannst?"

„Ja." Ich begann rot zu werden. Hoffentlich bemerkte er das nicht. Lians Lachen wurde lauter. Er hatte es gemerkt, na toll. Ich seufzte leise in mich hinein. Das war ja wunderbar. Er konnte mich sehen, ich ihn aber nicht. Das wollte ich ändern. Woran er wohl dachte? Wo wir uns in seiner Vorstellung wohl gerade befanden? Und wie stellte er sich mich vor? Hatte ich die gleichen Sachen an, wie eben? Oder hatte ich in seinen Gedanken vielleicht eine andere Frisur?

Ich versuchte mir das Schulgelände vorzustellen und wie wir dort unter dem großen Baum saßen. Dort hatte ich ihn vermutlich am meisten gesehen und diese Erinnerung schien mir am deutlichsten zu sein. Ich dachte gerade an die Hitze und das nette Schattenplätzchen, an dem es wenigstens ein paar Grad kühler war, als Lian sich direkt in die Thematik stürzen wollte:

„Okay machen wir es kurz. Am Montag, da haben wir beide von Janine gesprochen, richtig?" Etwas überrumpelt schwieg ich einen Moment. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das so geradewegs aussprechen würde. Wobei, eigentlich war das das beste, schließlich konnte sie uns hier nicht belauschen.

„Ja", flüsterte ich fast etwas erschrocken.

„Gut, dann war das hier kein Fehler. Warum bist du wirklich gegangen?" Ich runzelte die Stirn. Waren wir nicht hier, damit er mir sagen konnte was er wusste? Er hatte doch behauptet, dass er mehr Informationen hatte als ich. Warum sollte ich da anfangen etwas zu erzählen?

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt