45. Kapitel - Der dunkle Raum

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Vor mir erstreckte sich weitere Dunkelheit, schwarze Dunkelheit. Ich blieb im Türrahmen stehen und versuchte zu erkennen was da vor mir lag. Meine Augen brauchten ungewöhnlich lange, bis sie sich an diesen lichtlosen Raum gewöhnten und ich langsam Umrisse erkannte. Ein Schreibtisch, recht nah am Eingang. Hohe, weite Regale, darin ... Bücher verstaut. War das etwa der andere Teil der Bibliothek? Befand ich mich gerade auf dem Dachboden oder war das die Bibliothek im Keller? Wahrscheinlich zweiteres. Der Dachboden wäre mir aufgefallen. Dort ist es heller und die halbe Treppe, die in die Räume führte, hätte mich aufmerksam gemacht.

Vorsichtig wagte ich mich einen Schritt in den Raum hinein. Ich starrte in die Dunkelheit und wartete das irgendetwas passierte. Irgendetwas, das mich doch wieder von hier vertreiben würde. Aber es blieb still und mit jeder Sekunde wurde meine Umgebung deutlicher. Die Wände kamen zum Vorschein und und ich stellte fest, dass der Raum doch nicht so groß zu sein schien, wie ich angenommen hatte. Knapp neben dem Schreibtisch führte eine Wand etwa einen Meter nach vorne, ehe sie nach rechts abknickte und das Zimmer dort sein Ende zu finden schien.

Ich blickte hinter mich und sah zu wie die Tür leise ins Schloss fiel. Die einzige, weit entfernte Lichtquelle erlosch und der Raum versank in noch viel tieferer Dunkelheit. Mich überkam ein Anflug von Panik. Kaum etwas sehen zu können fühlte sich unheimlich an. Aber ich verdrängte die Angst und tastete stattdessen die Wand ab. Ich suchte nach einem Lichtschalter und fand ihn schließlich auch. Doch als ich ihn betätigte, passierte nichts, außer ein dumpfes Klicken. Kein Lichtstrahl, nicht einmal ein Flackern. Nur absolute Dunkelheit.

Was waren meine Optionen? Ich könnten gehen, weil mir dieser Ort Angst machte oder ich sah mich um und hatte vielleicht sogar eine realistische Chance dieses Buch zu finden. Ich entschied mich für die zweite Option und blieb hier. Vielleicht hatte das alles einen Sinn. Natürlich, ich könnte später mir Lian herkommen und ihm sagen, dass ich das Gefühl hatte hier etwas finden zu können. Aber was wenn der Sinn darin lag, dass ich alleine hier war? Vielleicht würde das Buch unentdeckt bleiben, wenn ich Lian mit her brachte. Vielleicht orientierte ich mich dann viel zu sehr an ihm und vergaß meine eigene Intuition.

Ich tastete nach meinem Handy und schaltete dort die Taschenlampe an. Das Handy war nicht mehr das Neuste und dementsprechend war das Licht auch nur bescheiden. Aber es war besser als nichts. Ich erkannte endlich mehr und sah, dass der Schreibtisch ähnlich, wie der in der anderen Bibliothek, aufgebaut war. Aus dunklem Holz, mit einem alten Computer und verschiedenen Unterlagen, die darauf ausgebreitet waren. Ich trat an den Tisch heran und leuchtete die Unterlagen durch. Es war nichts Ungewöhnliches dabei. Nur Listen, die über die ausgeliehenen Bücher geführt wurden. Ich ging die Namen durch, doch sie alle sagten mir nichts. Es waren irgendwelche Namen, von irgendwelchen Schülern, die vielleicht nicht einmal mehr hier zu Schule gingen. Die obersten Bücher der letzten Liste, die ich mir ansah, waren vor zwei Jahren ausgeliehen worden. Hinter den Unterschriften waren Hacken gemacht worden, wahrscheinlich hatten die Leute die Bücher längst wieder zurückgeben.

Das Ende der Liste schien auch nicht besonders aktuell zu sein. Die letzten Bücher waren vor knapp einem Jahr ausgeliehen worden. Als wäre danach niemand mehr hier gewesen. Nur das letzte Buch nicht. Das hatte jemand vor einer Woche ausgeliehen.

„Magische Kreise richtig ziehen und anwenden, ausgeliehen von Virginia Mitchell." Virginia? An irgendwen erinnerte mich das, aber vermutlich war das nichts weiter. Ich ließ die Unterlagen zurück und begann mich im Raum umzusehen. Große, breite, hohe Regale. Ein Labyrinth aus Büchern. Wo sollte ich da anfangen?

Ich beschloss einfach loszulaufen und kam schließlich am hintersten Ende des Raumes an, dort wo die Wand einen Knick nach rechts machte. Ich blieb vor einem schweren, schwarzen Vorhang stehen, der an der Wand angebracht worden war. Befand ich mich doch nicht im Keller? Vorsichtig schob ich ihn beiseite und verspürte fast so etwas wie Enttäuschung, als ich hinter dem Vorhang kein Licht, sondern nur rote Backziegel entdeckte. Seltsam, warum hatten sie einen Vorhang an der Wand befestigt? Ich leuchtete die Wand genau ab, suchte nach etwas, das seltsam aussah, doch an der Wand schien nichts Ungewöhnliches zu sein. Vielleicht war in dieser Wand mal eine Tür eingebaut gewesen, die in den nächsten Raum geführt hatte. Irgendwann hatte man sie nicht mehr gebraucht und die Wand einfach zugemauert. Einen anderen Sinn für diesen Vorhang fand ich jedenfalls nicht.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt