11. Kapitel - Connors Entschuldigung

36 10 2
                                    

„Wir müssen uns vorerst leider wirklich auf Videoanrufe beschränken", stellte Linn noch ein Mal fest und seufzte schwer ins Telefon.

„Aber diese Zeit bekommen wir schon rum." Gedankenverloren stimmte ich ihr zu. Wahrscheinlich hatte sie Recht, diese Zeit würde schon irgendwie vergehen. Die Frage war nur was danach kommen würde. Könnten wir Janine denn wirklich irgendwann aufhalten? Oder war das eine Nummer zu groß für uns? Vielleicht würde nach dieser Zeit alles nur noch schlimmer werden...

„Und du bist dir sicher, dass du das mit Connor heute nicht mehr klären willst?", riss mich Linn plötzlich aus den Gedanken. Ich schreckte auf und schüttelte energisch den Kopf.

„Ja!", antwortete ich überzeugt. Fing das echt schon wieder von vorne an?

„Er hat doch..."

„Ja, ja so ein schlechtes Gewissen", unterbrach ich sie schnell und stand vom Bett auf.

„Linn, weißt du was? Lass uns morgen weiter quatschen, ich sollte vielleicht doch wieder auf die Party gehen und versuchen ein paar neue Leute kennenzulernen. Wenn ich diese Mauern eh nicht verlassen darf, muss ich wenigstens hier drinnen jemanden haben, mit dem ich halbwegs zurechtkomme", stellte ich fest und verabschiedete mich schon wenige Sekunden später von Linn, für die mein Sinneswandel sehr überraschend gekommen war und die sich deshalb auch schnell hatte abwimmeln lassen.

Ich wollte mit Connor nicht reden und ich hatte keine Lust mir noch mal anhören zu müssen, wie schlecht es ihm mit seiner Entscheidung ging. Ich wollte mir kein schlechtes Gewissen einreden lassen, denn das brauchte ich ja eigentlich auch gar nicht zu haben.

Ich verließ das Zimmer wenige Minuten später und machte mich auf den Weg zum Saal. Obwohl ich nicht über Connor und sein, beziehungsweise mittlerweile auch mein, schlechtes Gewissen nachdenken wollte, ging es in meinem Kopf den gesamten Weg über, ausschließlich darum. Was hatte Connor wohl dazu gebracht einen Rückzieher zu machen? Es muss etwas Gravierendes gewesen sein oder? Diesen Vertrauensbruch hätte er sonst wohl nicht in Kauf genommen. Oder hatte er möglicherweise einfach Angst vor den Konsequenzen bekommen? Falls ja, wäre das eine Erklärung, die ich nicht einfach so hinnehmen könnte. Ich hatte auch Angst gehabt, riesige Angst sogar und ich war trotzdem gegangen.

Ich war so sehr in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich zunächst gar nicht mitbekommen hatte, wie ich längst im Saal angekommen war. Erst als mich Ginger an der Schulter antippte und ihr Handy zurückverlangte, tauchte ich langsam aus meiner Gedankenwelt auf und kam in der Realität an.

„Äh danke", brachte ich gerade so noch zwischen meinen Lippen hervor, ehe Ginger und ihre Freundinnen mir den Rücken zukehrten und mich stehen ließen. Da war es wieder, das Verhalten das ich von Ginger kannte. Was auch immer ihre spontane Nettigkeit ausgelöst hatte, ich sollte mich wahrscheinlich nicht daran gewöhnen.

In mir machten sich gemischte Gefühle breit. Einerseits spürte ich die Panik in mir aufsteigen, wenn ich mir vorstellte, dass ich den Abend möglicher Weise alleine verbringen müsste, weil ich mit niemanden ins Gespräch kam. Andererseits versuchte ich mir einzureden, dass es doch eigentlich gar nicht so schwer war auf Andere zuzugehen und sich vorzustellen. Ich meine ich war doch nicht zum ersten Mal neu und bisher hatte ich doch immer Anschluss gefunden, ob nun an der Richland Springs Independent School oder beim Weißen Orden. Eigentlich müsste ich doch nur hingehen und mich vorstellen. Alles Andere würde schon von alleine passieren und wenn nicht, dann würde ich eben wieder gehen und mir jemand Anderes suchen.

In der Theorie klang das verdammt einfach, eigentlich sogar lächerlich sich darüber so viele Gedanken zu machen. Als ich dann aber die erste Schülerin, die mir recht sympathisch vorkam, ansteuerte und sie ansprechen wollte, durchzuckte mich eine Welle von innerer Starre. Ich machte auf der Stelle kehrt und lief in die entgegengesetzte Richtung. Was, wenn sie mich seltsam finden würde? Vielleicht würde ich ein wichtiges Gespräch stören. Vielleicht würde ich mich vor ihr blamieren und dann würde sie mich für die restliche Zeit an dieser Schule schief ansehen. Ich wurde von unzähligen, weiteren peinlichen und unangenehmen Szenarien überrollt, sodass ich mit dem Gedanken, heute noch jemanden anzusprechen, schon wenig später abschloss.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt