54. Kapitel - Tarnung

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„Ich finde das ist keine gute Idee", wiederholte Lian und musterte mich besorgt.

„Reicht jetzt oder? Ihr wird schon nichts passieren", antwortete Angelina genervt und drückte mir einen Haufen an Sachen in die Hände.

„Pass auf, dass deine Haare nicht zu sehen sind", ordnete sie an und schob Lian aus dem Zimmer, damit ich mich umziehen konnte. Ich war mir auch nicht sicher, ob das die beste Option war, um unbemerkt zu Rosie zu gelangen. Aber was blieb uns anderes übrig? Es hatte fast vier Tage gedauert, bis Angelina zugestimmt hatte, dass ihre Grandma wahrscheinlich der beste Ansprechpartner für ein Wahrheitsserum war. Sie selbst wollte aus der Sache rausgehalten werden. Wie Großmütter nun mal waren, war auch Rosie etwas zu sehr um Angelina besorgt und sie wollte sie nicht in die ganze Sache mit Janine reinziehen. Dass Angelina längst darin feststeckte, wusste sie nicht und Angelina wollte, dass das auch so blieb. Was mich wiederum ins Spiel brachte. Rosie hatte mir bei meiner Flucht gesagt, dass ich zu ihr kommen solle, wenn die Zeit reif sei, damit wir einen Plan machen konnten. Sie schien mir also zu vertrauen, wahrscheinlich weil sie meine Grandma gekannt hatte.

Rosie zu besuchen wäre auch rein theoretisch überhaupt nicht kompliziert gewesen, doch für mich war es außerhalb der Mauern des Schwarzen Ordens noch gefährlicher, als ohnehin schon. Mein einziger Vorteil war Lian, vor dem Janines Leute glücklicher Weise buchstäblich Panik hatten.

„Worauf wartest du?", riss mich Angelina aus den Gedanken. Ich sah unschlüssig zu ihr rüber. Sie nickte mir auffordernd zu und verschwand dann auch aus dem Zimmer. Ich sollte mich jetzt also als Julien ausgeben, na wenn das mal nicht in die Hose ging...

Ich stellte mich vor den Spiegel und schlüpfte in seine schwarze Lederhose. Schon beim anziehen merkte ich, dass mir seine Sachen viel zu groß waren. Während die Hose an seinen Beinen nur etwas locker aussah, machte es bei mir den Eindruck, als hätte ich eine Baggy-Jeans angezogen, die ich zwei Nummern zu groß gekauft hatte. Seine Schuhe brauchte ich gar nicht erst zu probieren. Ich zog einfach meine schwarzen Sneaker an, darauf würde es wohl wirklich nicht ankommen. Als ich seine Lederjacke überzog, musste ich fast ein bisschen grinsen. Obwohl ich einen weiten, schwarzen Pulli von Lian drunter gezogen hatte, sah man immer noch, dass mir die Jacke viel zu groß war. Ich blickte an mir herunter. Ich sah wirklich so aus, als hätte man mich in einen großen, schwarzen Sack gesteckt.

Abgesehen von den viel zu weiten Klamotten, war ich doch auch ein ganzes Stück kleiner als Julien und neben Lian würde das auffallen. Er war mindestens einen halben Kopf größer als ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das niemand bemerken würde. Aber es half ja alles nichts. Im Endeffekt ging es nur darum das Haus von Rosie unbemerkt zu erreichen. Die Klamotten und der Helm verdeckten meinen gesamten Körper. Wenn wir also schnell an meinen Verfolgern vorbeifuhren, dann könnten sie mich möglicher Weise doch für Julien halten. Ich konnte es nur hoffen...

Ich seufzte schwer und band meine Haare zusammen. Dann setzte ich den Helm auf und trat aus dem Raum. Angelina und Lian musterten mich. Während Angelina eine skeptische Miene aufgesetzt hatte, schien Lian mein Aussehen sehr zu belustigen. Er stand vor mir und musste sich zusammenreißen nicht in lautes Gelächter auszubrechen.

„Gut, machen wir uns auf den Weg", sagte Angelina und führte uns in schnellen Schritten den Gang entlang. Während ich Mühe hatte bei ihrem schnellen Tempo mithalten zu können, schien es für sie ein Leichtes zu sein. Ich war froh, dass wir auf unserem Weg durch das Gebäude niemanden begegneten. Allein wie ich lief, würde jeden misstrauisch machen.

Ich war skeptisch gewesen, als Angelina vorgeschlagen hatte, dass Lian und ich mitten am Tag zu Rosie fahren sollten. Aber Angelinas Devise war, je auffälliger, desto unauffälliger und vielleicht hatte sie Recht damit. Jetzt, zu dieser Mittagszeit war noch Unterricht. Den mussten wir zwar schwänzen, jedoch kam mir das Konzept Schule sowieso banal vor, bei dem was noch vor uns lag. Zumindest war jeder beschäftigt, die meisten waren im Unterricht, die Lehrer waren auch in ihren Kursen und damit waren die Gänge leer.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt