„Ja, das ist durchaus zu intim. Soweit sollten wir nicht in die Privatsphäre unserer Schüler eingreifen können", antwortete Janine neutral. Mir fiel wortwörtlich die Kinnlade runter. Das Serum wirkte tatsächlich. Janine war gezwungen die Wahrheit zu erzählen. Am liebsten hätte ich es in vollen Zügen genossen, wie Janines Pläne den Bach runter gingen. Doch wir hatten noch nicht alle Aufgaben erledigt. Wir mussten beobachten. Während sich Lian und Linn nach hinten umgedreht hatten, starrte ich Jayden und Connor abwechselnd an. Wir mussten sicher gehen, dass niemand Janine von der Bühne reißen würde, bevor sie alles erzählt hatte.
In Connors Mine änderte sich nichts. Er blickte weiterhin in die Menge, während er kerzengerade auf der Bühne stand. Jayden hingegen bekam allmählich mit, dass etwas nicht stimmte. Er hatte aufgehört wie eine Statur regungslos dazustehen und einfach nur zu starren. Stattdessen musterte er Janine nervös. Dann sah er mich an. Wir hielten einen Moment den Augenkontakt. Bis es mir unangenehm wurde. Jayden ahnte etwas, doch er hielt sich noch zurück.
„Wie kann es sein, dass Sie die Forschung weiterhin durchführen, wenn Sie dabei die Rechte unserer Schüler verletzen?", fragte Megan Edevane, die Frau des Obersten Rates, mit strenger Stimme. Sie klang wütend und selbst ich, zitterte unter ihrer Antwort.
„Manchmal muss man Verluste in Kauf nehmen, um Größeres zu erreichen."
„Ach sehen Sie das so?", hinterfragte Mrs. Edevane streng. Janine verzog immer noch keine Mine.
„Natürlich, mein Wohl steht über dem der Anderen", antwortete sie monoton. Ich riss die Augen auf. Erstaunen lag im Raum, ich drehte mich eine Sekunde um und blickte in erschrockene Gesichter.
„Einer muss die Kontrolle...", begann Janine, wurde aber von Jaydens blitzschneller Reaktion aufgehalten. Er hatte sie an den Schultern gepackt und versuchte sie hinter die Bühne zu schieben. Janine hörte nicht auf zu sprechen, aber sie stand längst nicht mehr vor dem Mikrofon, sodass es fast unmöglich war, die Bedeutung ihrer Worte, in dem zunehmenden Gemurmel, zu verstehen. Im Augenwinkel sah ich, wie Leute an uns vorbei stürmten. Ich versuchte mich an meine Aufgabe zu erinnern, aber mein Kopf war wie leer gefegt. Alles passierte plötzlich so schnell. Jayden zog Janine weg, Leute rannten an uns vorbei, um ihn zu unterstützen. Was sollte ich da ausrichten? Was sollten wir da machen? Und warum schritt der Oberste Rat nicht ein? Magie! Ich musste mit Magie weiterkommen. Aber wie? Was sollte ich machen? Was...
Endlich griff noch jemand anderes ein. Connor stürmte auf die Lügner zu. Er schubste Jayden weg und zog Janine am Arm wieder nach vorne an das Mikrofon heran. Jayden war so überrascht worden, dass er einen Moment benommen taumelte. Als er sich gefangen hatte, kam er mit heftigen Schritten auf Connor zu geeilt.
„Ich werde die Kontrolle über alle haben und..." Er zog Connor am T-Shirt zurück und stellte sich dann mit aufrechten Schultern vor ihn hin. Fast beiläufig murmelte er ein paar Worte und schon im nächsten Moment sah es so aus, als würde Connor von einer unsichtbaren Wand davon getragen werden. Von da an ließ Jayden Connor nicht mehr aus den Augen. Er sorgte dafür, dass er immer weiter weg geschoben wurde, während er selbst die Hände wieder auf Janines Schultern legte und sie von der Bühne zerren wollte. Jayden! Ich musste mich um Jayden kümmern. Eigentlich wäre das Michelles Part gewesen. Aber Michelle war nicht hier.
Endlich tat ich etwas. Ich sprang von meinem Stuhl auf und lief an die Bühne heran. Schweben, ich hatte auch gelernt Dinge schweben zu lassen. Ich musste Jayden schweben lassen! Wie war das noch mal? Sal dulciārius collȳricus... Moment das war Linns Einkaufsliste. Ich hatte doch nie einen echten Magiespruch fürs Schweben gelernt, richtig? Oder erinnerte ich mich nicht mehr daran? ... Egal! Einfach überzeugen, ich musste mich selbst überzeugen. Ich starrte Jayden an und erhob die Hand. Es war jetzt egal wie ich aussah oder was andere von mir dachten. Ich musste Jayden davon abhalten Janine verschwinden zu lassen. Schweben, schweben, schweben. Jayden musste schweben. Ich musterte Jayden von oben bis unten. Seine blonden Haare waren länger geworden, die Augenringe noch tiefer. Er sah müde aus, gleichzeitig aber auch so besessen von seinem Ziel, dass mir klar wurde, er würde niemals aufgeben. Die Angst vor dem Versagen trieb ihn an. Die Angst Janine zu enttäuschen, machte ihn so fokussiert, dass er über keine Handlung mehr als eine Sekunde nachdenken musste.
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Magie oder Schicksal? (3.Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall ode Magie? Sam hat den Sprung ins Ungewisse gewagt. Alleingelassen macht sie sich auf den Weg zum Schwarzen Orden. Doch ist der Schwarze Orden das Richtige für sie? Wird sie Andere von den bösen Machenschaften Janine's überzeugen und...