48. Kapitel - Schutzmagie

27 8 0
                                    

Mrs. Mistry hatte mich bereits in der ersten Sekunde unserer Begegnung an Mrs. Brooks erinnert. Mrs. Brooks war meine Lehrerin für Naturkunde gewesen, als ich noch beim Weißen Orden gewesen war. Sie hatte genau das Erscheinungsbild einer typischen Frau gehabt, die sich mit Esoterik beschäftigte. Graue, lange Haare, verwaschene, weite Klamotten und ein graues Brillengestellt auf der Nase.

Mrs. Mistry war ihr nicht nur rein äußerlich sehr ähnlich. Sie schien die gleiche Art von Person zu sein. Sie bewegte sich auf die gleiche Weise, war meistens entspannt, mit einer freundlichen Persönlichkeit. Allen wohl gesonnen und mit den Gedanken wahrscheinlich immer einen Schritt weiter. Zwei signifikante Unterschiede gab es jedoch. Mrs. Mistry war einerseits mehr den bunten Klamotten verfallen und war andererseits um einiges verpeilter als Mrs. Brooks. Ständig verlegte sie ihre Brille, die mit dem bunten Rahmen eigentlich ziemlich auffällig war. Ihre Unterlagen hatten eine ähnliche Ordnung, wie die von Mr. Mandeville und wenn es um das Beantworten von Fragen ging, holte sie meist viel zu weit aus und verfing sich in Kleinigkeiten, mit denen sie ihre Erklärungen oft schwer nachvollziehbar machte.

Ich hatte schon in meiner ersten Stunde, drei Tage nach den Sommerferien, überlegt woran es lag, dass sie so unorganisiert war. Es war anders als bei Mr. Mendeville. Mrs. Mistry hatte ganz sicher einen Plan von dem was sie tat. Nur schien sie sich schnell ablenken zu lassen. Das weckte in mir die Befürchtung, das heutige Ritual könnte anders verlaufen, als geplant. Mit dieser Überlegung lag ich jedoch ziemlich falsch.

Mrs. Mistry war meine Lehrerin für Schutzmagie. Letzte Woche hatten wir uns mit dem Thema Rituale und wie wir sie richtig durchführen, beschäftigt. Es war darum gegangen welche Maßnahmen man treffen musste, um sicher vor fremder Magie zu sein, während man ein Ritual durchführte. Also das Reinigen seiner Materialien und sich selbst. Das Schützen vor fremden Einflüssen, durch den Kreis aus Salz und durch Ausräuchern mit Weihrauch oder Myrre. In der ersten halben Stunde des Unterrichts, hatten wir das Wichtigste der letzten Stunde noch ein Mal wiederholt und anschließend besprochen, was einem bei der Durchführung eines Rituals so angreifbar machte. Noch diesen Freitag würden wir einen kurzen Test darüber schreiben. Von dieser Info hatte ich mich zwar etwas überrumpelt gefühlt, aber Mrs. Mistry hatte versprochen, dass es nur ein kurzer, einfacherer Test sein würde und dass es wichtig wäre. Schließlich ging es dabei um unseren eigenen Schutz.

Eigentlich hatte Mr. Mendeville Lian und mir angeboten, uns für den Rest der Woche zu entschuldigen. Und eigentlich hätte ich dieses Angebot sofort angenommen, weil wir im Moment doch deutlich wichtigere Dinge zu tun hatten, als den Unterricht zu besuchen. Aber Mrs. Mistry hatte für die heutige Stunde etwas ganz Bestimmtes geplant. Sie wollte mit dem gesamten Kurs ein Ritual durchführen, in dem wir unseren Schutz vor fremden Magien größer aufbauen würden. Aufgrund meines Wissens über Janine und ihre Leute, die sie sogar in den Schwarzen Orden eingeschleust hatte und die jetzt wohl auch so ganz einfach hier hineinspazieren konnten, war das ein Unterricht, den ich unter keinen Umständen verpassen wollte.

Umso mehr Schüler daran mitwirkten, desto stärker der Schutz. Es sollte uns aber nicht nur Schutz bringen, sondern auch eine Gemeinschaft schaffen. Prinzipiell fand ich dieses Konstrukt gut und ziemlich clever, ich hatte aber auch Bedenken. Ich wusste jetzt, dass hier Leut von Janine umherliefen und unter Garantie befand sich auch irgendjemand von ihnen, in genau diesem Kurs. Er würde mit seiner Magie wahrscheinlich nicht gegen den gesamten Kurs ankommen, aber er könnte vielleicht trotzdem Schaden anrichten. Besonders, weil Mrs. Mistry jemand zu sein schien, die so etwas nicht mitbekommen würde.

Als wir fertig mit der Wiederholung waren, führte uns Mrs. Mistry in einen anderen Raum. Wir begaben uns nach ganz unten, tief in den Keller des Schwarzen Ordens hinein. Ich muss sagen, ich fühlte mich nicht ganz wohl bei diesen Umständen. Mit dem Kurs tief im Keller, in einen abgedunkelten Raum zu verschwinden, kam mir riskant vor. Jedenfalls, wenn man bedachte, dass unter den Schülern mindestens einer sein würde, der Anhänger von Janine war. Als wir in den Raum traten, kam mir ein stickiger, modriger Geruch entgegen. Obwohl Keller für gewöhnlich eher kühl waren, war es in diesem Raum warm. Fenster gab es nicht. Vor uns lag lediglich ein dunkler, kleiner, leerer Raum. Möbel gab es hier unten auch nicht. Nur einen großen, runden, roten Teppich, mit einem Blumenmuster darauf.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt