60. Kapitel - Unangenehm

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Ich musste laut seufzen, um das Gefühl von Scham loszuwerden. Bis zu dem Punkt, an dem jeder seins gemacht und ich den Rest der Welt ausgeblendet hatte, war alles gut gewesen. Mich hatte es nicht mehr interessiert, dass wir alle völlig nackt im Wasser schwammen und wer was von meinem Körper sehen könnte oder was ich bei anderen sehen würde.

Doch als ich wieder in der Realität angekommen war, war das Gefühl von Peinlichkeit zurückgekehrt. Noch stärker, als am Anfang. Ich realisierte, dass ich tatsächlich komplett nackt in den See gegangen war. Das war das Eine, aber noch viel unangenehmer wurde die ganze Situation durch Rosie. Während alle darum bemüht waren ihre Körper so schnell es ging unter den Handtüchern zu verstecken, hatte sich Rosie einfach so wie sie war auf ihr Handtuch gesetzt und wortlos in den Himmel gestarrt, als würde sie sich vom Licht des Neumondes anstrahlen lassen wollen. Dabei strahlte der Neumond nicht.

Niemand von uns hatte Rosie so einfach ausblenden können. Die Stimmung war immer unangenehmer geworden. Keiner versuchte ein Gespräch anzufangen. Alle waren weiterhin mit sich beschäftigt gewesen und niemand schien so richtig zu wissen was er nun machen sollte. Alle, außer Rosie eben.

Ich war froh, als Lian und ich endlich gehen konnten. Michelle und Linn waren vor uns fertig gewesen und aus der Situation so schnell geflohen, wie sie nur konnten. Rosie ließen wir zurück. Sie wollte lieber noch länger in den Himmel starren und wer weiß was tun. Ich war ehrlich gesagt erleichtert darüber.

„Man war das unangenehm", murmelte ich vor mich hin, als Lian und ich den See schon eine Weile hinter uns gelassen hatten.

„Danke ja! Es war sooo unangenehm!", stimmte er mir laut zu, als hätte er es kaum noch aushalten können nicht darüber zu reden.

„Ich wusste überhaupt nicht wo ich hinsehen oder... nicht hinsehen sollte." Lian nickte heftig.

„Wem sagst du das! Ich wusste es auch nicht und ich hatte Angst ihr würdet mich alle für einen Spanner oder so halten", entgegnete er schwer atmend. Ich musste anfangen zu lachen.

„Ein Spanner? Du? Quatsch, das hat sicher niemand gedacht."

„Echt?".

„Nein, natürlich nicht! Wahrscheinlich war es gar nicht so unangenehm wie es sich angefühlt hat", antwortete ich und schob meine Tasche etwas mehr auf meine Schulter, weil sie gerade dabei war runterzurutschen.

„Wie meinst du das?"

„Na ja eigentlich hat Rosie doch Recht. Das sind nur ein paar Körper und jeder von uns hat schon mal nackte Körper gesehen. Ob nun von einem Mann oder ein Frau. Da ist ja nichts wofür man sich schämen müsste. Trotzdem war es furchtbar unangenehm. Aber irgendwann haben wir das bestimmt vergessen."

„Vergessen? Ich glaube kaum. Ich werde mich noch in zehn Jahren daran erinnern und wie unangenehm das war. Ich meine Rosie? Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass sie plötzlich oben nichts mehr an hat. Ich wollte nicht hinsehen, ich schwör's dir! Aber..."

„Ja ich weiß, ging mir auch so. Ich wollte auch nicht hinsehen. Es ist einfach passiert. Aber ich glaube Rosie interessiert das nicht", antwortete ich lachend. Es war erleichternd, dass es Lian genauso ergangen war, wie mir und irgendwie tat es gut darüber zu sprechen. Es war fast so als könnten wir auf diese Weise die Situation im Nachhinein etwas weniger unangenehm machen.

„Ja wahrscheinlich interessiert sie das nicht. Trotzdem werde ich garantiert noch lange daran denken müssen. Ich habe mich erschrocken. Weil ich so offensichtlich hingesehen habe, obwohl ich das nicht wollte. Ich habe mich richtig geschämt und..."

„Ach Lian glaub mir mal, sie nimmt dir das nicht übel und wir tun das auch nicht."

„Wie kannst du das so gelassen sehen?", fragte er kopfschüttelnd. Ich musste wieder lachen. Es stimmte, ich sah es ungewöhnlich gelassen. Besonders wenn man bedenkt, dass ich doch sonst alles tausendmal durchging und zu viel nachdachte.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt