66. Kapitel - Vollmond

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Ich war aufgeregt und ziemlich nervös. Ich musste mich darum bemühen ins Rosies kleinem Haus nicht ununterbrochen auf und ab zugehen. Das allgemeine Begrüßen hätte ich mir heute gerne geschenkt. Nicht, weil ich keine Lust gehabt hätte alle wiederzusehen. Ganz im Gegenteil, ich freute mich jedes einzelne Mal Linn und Michelle zu treffen. Und ich hätte liebend gerne die ganze Nacht mit ihnen geredet und sie gefragt wie es ihnen ging und was sie in den vergangenen Monaten erlebt hatten. Ich hätte so gerne gewusst, ob es ihnen auch wirklich gut ging. Nicht nur das Übliche: Ja bei mir ist alles in Ordnung. So wie man es immer sagte, wenn man keine Zeit hatte oder nicht darüber reden wollte. Aber für diese Art von tiefsinnigen Gesprächen hatten wir wieder einmal keine Zeit.

Heute stand uns Großes bevor und das machte mich mit jeder Minute nervöser. Denn langsam kamen wir wirklich ins Tun. Heute war Vollmond und das bedeutete, dass wir uns getroffen hatten, um das Wahrheitsserum herzustellen. Schon allein das war eine große Sache, die mir Angst einjagte. Ich hatte mittlerweile einen ganz guten Überblick über die Magiesache. Wahrscheinlich nicht im Ansatz so sehr, wie Lian einen Überblick hatte, aber ich war auch nicht mehr so ahnungslos und hilflos, wie am Anfang.

Das war einerseits gut, andererseits brachte es mich dazu mir immer mehr Sorgen zu machen. Bisher hatte niemand ein Wort darüber verloren. Aber es war durchaus möglich, dass man sich durch Rituale Schattenwesen ins Haus holte. Welche, die einen verfolgten, die sich sogar in einem festsetzen konnten. Diese Vorstellung war mehr als nur gruselig. Noch gruseliger wurde es jedoch, wenn man bedachte, dass Janine einige der Schattenwesen für sich arbeiten ließ und uns über sie bespitzelte. Wenn es nun einem dieser Schattenwesen gelingen würde, durch unser Ritual an unsere Seele oder irgendwie in unseren Verstand zu kommen, dann wäre das mehr als nur furchtbar.

Aber dagegen würden wir uns schützen, mit einem Kreis aus Salz, mit Salz vor den Türen, mit zusätzlichen Schutzanhängern von Angelina, die Schattenwesen fernhalten sollten und der Gewissheit, dass eigentlich niemand wissen konnte, dass wir uns heute Abend hier versammeln würden... jedoch wusste es eben nur eigentlich niemand und ich war skeptisch wie gut uns Salz Schattenwesen vom Hals halten könnte.

Das andere Problem war, dass wir direkt am nächsten Tag unseren Plan in die Tat umsetzen mussten. Ich hatte immer noch Panik davor. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich auch nur eine Minute Schlaf in dieser Nacht bekommen sollte. Ich würde eher wahnsinnig vor Angst und Aufregung werden. Aber wenigstens war ich nicht alleine. Wenigstens hatte ich einige Leute an meiner Seite, die bei mir waren und die nicht gehen würden. Das hoffte ich mittlerweile nicht mehr nur, sondern ich wusste es sogar. Daran hielt ich mich fest.

„Sag mal, brennt es da unten?", fragte Michelle erschrocken, als Rosie die kleine Falltür, am Boden ihres Wohnzimmers, öffnete.

„Nein, warum?", fragte sie und runzelte die Stirn. Warum? Hatte sie ernsthaft Warum gefragt? Uns trat dicker Rauch entgegen, der es mir sofort schwer machte zu atmen. Es roch verbrannt, aber auch etwas nach Weihrauch, Myrre... und irgendetwas das ich nicht so ganz identifizieren konnte.

„Ähm, weil da Qualm aus dem Keller kommt und..." Michelle begann zu husten.

„Man kaum atmen kann."

„Ich habe nur vorgesorgt und ausgeräuchert", erklärte Rosie und zwinkerte uns zu. Vielleicht waren wir alle zu empfindlich oder sie hatte es doch ein wenig übertrieben. Rosie ließ uns schließlich nacheinander in den schummrigen Keller treten.

„Vor dem Türrahmen warten", ordnete sie an, als Michelle schon nach unten verschwunden war und ich ihr gerade folgen wollte. Türrahmen? Bei meiner Flucht vor Janine und ihren Leuten, hatte ich mich hier unten versteckt. Aber war ich durch einen Türrahmen gekommen? Anscheinend... ich hatte jedenfalls keine Tür geöffnet.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt