7. Kapitel - Alle Augen auf mich

44 10 4
                                    

Als ich den Essensaal verließ, spürte ich einen Anflug von Erleichterung. Ich war die Zicken losgeworden und das fühlte sich besser an, als erwartet. Ich lief zurück zu den Treppen und warf einen Blick nach oben. Von hier sah es so aus, als lägen noch mindestens vier Stockwerke über mir. Ich zögerte nicht länger und stieg die Treppen hinauf. Die Stufen waren steiler, als ich es gewohnt war und brachten mich damit schnell aus der Puste. Ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen, wenn einzelne Schüler an mir vorbeikamen.

Nachdem ich auch das fünfte Stockwerk hinter mir gelassen hatte, kam ich zu einem Treppenabsatz, der nur ein paar Stufen nach oben führte und schließlich an einer braunen Tür endete. Die Decke war niedriger, sodass ich mich leicht ducken musste, um näher an die Tür herantreten zu können. Ich ließ mir einige Minuten Zeit, um Luft zu holen, ehe ich der Höflichkeitshalber anklopfte. Ich wartete bis es mir seltsam vorkam, dass ich keine Antwort bekam. Dann klopfte ich noch mal. Vielleicht hatte der Direktor das Klopfen zuvor nicht gehört. Aber auch jetzt kam keine Reaktion. Also versuchte ich den Knauf zur Seite zu drehen und die Tür zu öffnen. Ich seufzte, die Tür war verschlossen.

Ich machte einen Schritt zurück und sah die Tür peinlich berührt an. Dann versuchte ich es noch mal. Vielleicht stellte ich mich blöd an und hatte einfach nur nicht stark genug an der Tür gezogen. Doch auch beim zweiten Versuch tat sich nichts. Ich machte auf dem Absatz kehrt und zuckte leicht zusammen, als plötzlich ein schwarzhaariges Mädchen, mit Pony, vor mir stand und mich irritiert ansah.

„Was machst du da?", fragte sie misstrauisch und musterte mich.

„Ähm ich wollte zum Direktor..."

„Hier findest du ihn nicht", wiederholte sie das Offensichtliche.

„Ähm... ja also mir wurde gesagt ich finde ihn oben im Turm", versuchte ich mich zu erklären. Keine Ahnung was hinter dieser Tür lag, aber wenn sie verschlossen war, musste das wohl ein Bereich sein, in dem Schüler nichts zu suchen hatten. Also stellte ich lieber klar was ich hier wollte, bevor Unwahrheiten in die Welt gesetzt wurden.

„Türme gibt's hier viele", lachte das Mädchen und lief ein paar Schritte rückwärts, damit auch ich von der halben Treppe runterkommen konnte, ohne ihr unangenehm nahe sein zu müssen.

„Ähm, ja das habe ich gesehen", bemerkte ich und kratzte mir verlegen am Hinterkopf.

„Komm mit, ich bringe dich zu Mr. Mandeville", sagte das Mädchen und lud mich mit einem Winken dazu ein, ihr zu folgen. Schnell kam ich ihrer Aufforderung nach und lief ihr über unzählige Flure, einige Treppen und verschiedenen Abbiegungen hinterher. Bis wir zu einem anderen Turm kamen, der genauso aufgebaut war, wie der Turm von eben.

Ich bedankte mich bei dem Mädchen und hatte sie eigentlich noch nach ihrem Namen fragen wollen, da war sie schon längst wieder verschwunden. Sie schien wesentlich netter zu sein, als die Anderen, die ich bisher kennengelernt hatte. Hoffentlich würde ich ihr noch mal über den Weg laufen und den Kontakt zu ihr finden.

Auch an diese Tür klopfte ich wieder. Als ich ein heiseres „Herein" hörte, öffnete ich die Tür und trat in den runden, hohen Raum. Es war erleichternd nicht mehr geduckt dastehen zu müssen. Am anderen Ende des Raumes sah ich Mr. Mandeville, der in einem Stapel aus unzähligen Büchern hockte und hektisch in ihnen herumblätterte. Als er mich sah, stand er auf und wankte zu seinem Schreibtisch.

„Sam! Schön, dass du hergefunden hast. Setzte dich doch", sagte er und befreite den Stuhl, der gegenüber von seinem Schreibtisch stand, von weiteren Büchern.

„Danke", entgegnete ich und nahm Platz. Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Das Büro des Schulleiters sah mindestens genauso chaotisch aus, wie er selbst. Der Boden ließ kaum Platz zum Treten. Überall lagen aufgeschlagene, zerknitterte Bücher. Unzählige Notizblätter und -Blöcke lagen in der Gegend herum, gefolgt von irgendeinem Krimskrams, der manchmal wertvoll und magisch aussah und manchmal den Eindruck machte, als wäre das irgendein Müll, von dem sich Mr. Mandeville nicht trennen konnte. Abgebrannte Kerzen standen auf dem Schreibtisch und auf dem Brett des runden Turmfensters. Hier drinnen roch es muffig und umso länger ich mich hier aufhielt, desto beklemmender wurde das Gefühl in mir.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt