62. Kapitel - Zunehmender Halbmond

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Die nächsten Tage kamen mir wie eine kleine Unendlichkeit vor. Wir verschwendeten keine Gedanken an morgen, wir lebten im Hier und Jetzt. Wir genossen die Zeit zu Zweit, jede einzelne Sekunde. Unser Kuss war wie ein Versprechen gewesen. Wir hatten beschlossen uns auf den Anderen einzulassen. Das war auch der Grund gewesen, warum ich in Panik geraten war, als Lian mich hatte küssen wollen.

Doch jetzt brauchte ich keine Angst mehr zu haben. Mit ihm an meiner Seite waren alle Probleme ganz klein und weit weg. Es schien so als müssten wir uns um nichts mehr Sorgen machen. Als wäre plötzlich alles gut. Als hätten wir es schon geschafft. Doch natürlich war dem nicht so. Trotz dem Gefühl der Unendlichkeit, verging die nächste Woche wie im Flug.

Die folgenden sieben Tage fühlten sich wie Urlaub an. Und das, obwohl wir weiterhin den Unterricht besuchten. Grund dafür war die Pause, die wir hatten, weil zwischen Neumond und zunehmendem Halbmond, genau sieben Tage lagen. Sieben Tage, die wir einfach abwarten mussten.

Wir konnten mit dem Ritual nicht fortfahren. Also hatten wir frei. Lian und ich genossen es in vollen Zügen. Wir verbrachten jede freie Sekunde miteinander, weil wir wussten, dass unsere Zukunft ungewiss war.

In den Pausen trafen wir uns, aßen zusammen, setzten uns raus und redeten. Obwohl wir kaum eine Stunde ohne einander verbrachten, fiel es mir schwer in den Unterricht zu gehen, ohne ihn bei mir zu haben. Ich versuchte aufmerksam zu sein, doch ich konnte nicht anders, als Stunde für Stunde in Tagträumen zu versinken. Tagträume über Lian und mich. Wie er mich ansah, wie er mich berührte und wie er mich küsste. Wie wir jeden Abend zusammen im Bett lagen und die Serie weiter schauten. Wie wir dabei kuschelten und kaum von einander loskamen. Wie wir uns über die besten Stellen der Serie unterhielten und wie wir dann doch immer wieder pausieren mussten, um nur die Nähe des Anderen zu genießen und in tiefgründigen Gesprächen zu enden, die die Stunden wie Sekunden erscheinen ließen.

Diese sieben Tage kamen mir wie die Schönsten in meinem Leben vor. Ich verstand nicht wie er es machte, aber er gab mir tatsächlich die Sicherheit, die ich brauchte. Er vergewisserte sich bei allem was er tat. Er ging sicher, ob ich das auch wollte und das gab mir das Gefühl selbst entscheiden zu können, während ich mich mit jedem Tag emotional mehr und mehr von ihm abhängig machte.

Gleichzeitig spielte er aber auch keine Spielchen. Es hielt es nicht für nötig sich interessant zu machen. Er sagte mir einfach, dass er mich mochte, er zeigte mir, dass er mich mochte. Was mir aber vor allem die Ruhe gab, waren seine Handlungen, die mir zeigten, dass er meine Nähe genauso sehr wollte, wie ich seine. Ich liebte es in seiner Nähe zu sein, ich liebte die Nähe, die er mir gab und ich wünschte wir hätten uns für immer in sein Zimmer einschließen und den Rest unseres Leben beieinander verbringen können.

Denn wenn er bei mir war, war einfach alles gut. Wenn ich mich im Unterricht ohne ihn unwohl gefühlt hatte oder wenn eine der Übungen, für das Praktizieren von Magie, nicht funktionieren wollte, war das alles nicht mal halb so schlimm, wenn ich ihn wieder bei mir hatte. Als ich meine Hausarbeit korrigiert wiederbekommen hatte und das Ergebnis doch schlechter ausgefallen war, als ich erwartet hatte, war das überhaupt kein Problem gewesen, als er mich einfach in den Arm genommen und mir einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte.

Sobald wir sein Zimmer betraten, blieben alle Sorgen und Probleme vor der Tür stehen. In seinem Zimmer gab es nur ihn und mich und dieses wunderschöne Gefühl des Verliebtseins. Er war einfach perfekt und ich konnte mein Glück nicht fassen, dass er ausgerechnet mich mochte.

Doch wie alles Schöne, ging auch diese Zeit, die ich für endlos gehalten hatte, vorbei. Der Sonntagabend neigte sich dem Ende zu und das bedeutete, dass sich das Zeitfenster schloss, um sich darüber im Klaren zu werden, wen ich belügen wollte und was diese Lüge sein sollte. Ich hatte es möglichst lange versucht rauszuzögern. Doch als es bereits 20 Uhr war, wusste ich, dass ich mich langsam entscheiden musste.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt