6. Kapitel - Achtung Zickenalarm

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Ich wachte wenig ausgeruht auf und bekam zunehmend schlechte Laune, als ich verstand was oder besser wer, mich so früh aufgeweckt hatte. Meine Zimmernachbarin hockte auf ihrem Bett, mit einem Spiegel in der Hand und schminkte sich in dem grellen Licht der Deckenlampe. Mürrisch hielt ich mir die Hand vor die Augen.

„Reicht dir nicht das Tageslicht?", fragte ich leicht gereizt und setzte mich in meinem Bett aufrecht. Ich blickte zum Fenster, vor dem ein schwerer Vorhang hing. Sie hatte ihn nicht mal beiseite geschoben, um zu schauen, ob sie nicht doch auf das Deckenlicht hätte verzichten können. Mit gerunzelter Stirn und großen Augen, drehte sie sich zu mir nach hinten um und musterte mich kopfschüttelnd.

„Offensichtlich nicht!", war alles was sie als Antwort auf meine Frage gab, ehe sie sich ihrem Spiegel wieder zuwandte und anfing ihre Lippen mit einem knalligen Rot zu bemalen. Ich seufzte und ließ mich nach hinten ins Kissen fallen. Mein Blick wanderte zu meinem Nachttisch, auf dem ein kleiner, alter Wecker stand. Er war mir gestern in der Dunkelheit gar nicht aufgefallen und hätte ich nicht mit eigenen Augen gesehen, wie sich der Sekundenzeiger bewegte, wäre ich fest davon ausgegangen, dass er nicht mehr funktionierte.

„Wohin willst du so früh überhaupt gehen?", fragte ich genervt. Es waren Ferien. Warum saß Virginia also kurz vor sieben Uhr in der Früh, auf ihrem Bett und schminkte sich? Ein schwerer Seufzer ertönte.

„Joggen natürlich", entgegnete sie schnippisch.

„Ja, natürlich", antwortete ich Augen rollend. Wie hatte ich so eine dumme Frage auch stellen können?

„Du solltest dich bald fertig machen. Das Frühstück hat nur bis halb neun offen."

„Halb neun?", wiederholte ich erstaunt und verkniff mir ein Aufstöhnen.

„Warum endet das schon so früh?", fragte ich, nachdem Virginia auf meine erstaunte Reaktion keine Antwort mehr gegeben hatte.

„Ist das eine ernst gemeinte Frage?"

„Ähm ja?"

„Es heißt Frühstück, weil man es früh isst. Ist doch selbsterklärend", entgegnete sie arrogant und stand auf. Virginia trug einen Jogginganzug in Samtblau, der perfekt zu ihren blau-weißen Schuhen passte. Ihre orangenen Haare hatte sie in einem Zopf zusammengebunden und stand nun perfekt gestylt vor mir. Warum hatte sie sich fürs Joggen überhaupt geschminkt? Dabei schwitzte sie doch bestimmt.

„Aber es sind Ferien, ich dachte da wäre alles entspannter."

„Ist es auch, sonst hat das Frühstück nur bis halb acht offen", erklärte sie, griff nach ihrem Handy und den Kopfhörern und begab sich zur Tür.

„Wann gehst du frühstücken?", fragte ich vorsichtig. Ich hatte zwar keine Lust mit ihr zusammen das Frühstück zu verbringen, ich kannte jedoch auch niemanden und wollte mir ewiges Suchen und die Blamage alleine am Tisch sitzen zu müssen, ersparen.

„Natürlich nach dem Joggen", antwortete sie und sah mich an, als wäre ich ein bisschen dumm.

„Ja, klar. Würdest du mich vielleicht mitnehmen?" Ich hatte mit mir selbst kämpfen müssen diese Worte über meine Lippen zu bringen. Ich wollte sie nicht um Hilfe bitten, weil sie mir so furchtbar arrogant gegenüberstand und sich ja sowieso für etwas Besseres hielt.

Virginia musterte mich von oben bis unten, gründlich und lange. Dann zog sie seufzend die Mundwinkel nach unten und rollte mit den Augen.

„Muss ich ja wohl. Aber wehe du bist dann nicht fertig." Mit diesen Worten verschwand sie durch die Tür. Erleichtert, sie vorerst los zu sein, drehte ich mich wieder zur Wand um und schloss die Augen. Ich hatte noch etwas Zeit, um zu dösen und ich war endlich für mich allein. Diese Zeit wollte ich nutzen. Doch als ich versuchte mich zu entspannen, merkte ich schnell, dass mir diese Ruhe überhaupt nichts brachte.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt