68. Kapitel - Überraschungsbesuch

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Mir war schon etwas mulmig zu Mute, als wir kurz nach Drei vor dem Bungalow meines Grandpas auftauchten. Es war mitten in der Nacht, mit Sicherheit war er gerade im Tiefschlaf versunken. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er auf unseren spontanen Besuch positiv reagieren würde. Ich musste an unsere erste Begegnung, nach den vielen Jahren Funkstille, denken. Es war mir so vorgekommen, als wäre ich damals lästig für ihn gewesen. Ich hatte mich nie unwillkommener gefühlt, als bei ihm. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, dass er mir genau dieses Gefühl jetzt wieder geben würde. Es wäre ihm auch kaum zu verübeln. Es würde wohl niemand glücklich reagieren, wenn man mitten in der Nacht, mit vier Fremden, an der Tür klingelte. Aber wir hatten keine andere Wahl und ich war mir sicher, dass mein Grandpa uns helfen würde, wenn wir den Grund für unseren Besuch erklärten.

Mittlerweile wusste ich ja, dass ich für ihn nicht lästig war und dass er mich sogar mochte. Irgendwann hatten wir uns einander angenähert. Um genau zu sein, war es der Tag gewesen, an dem er mir erzählt hatte, was er über die Magie und den Weißen Orden wusste. Seitdem hatte ich mich bei ihm wohlgefühlt und ich war froh gewesen, hier so abseits von all dem, was ich je gekannt hatte, doch jemanden zu haben, der auf meiner Seite stand.

Wir mussten Sturmklingeln und gegen die Holztür des Kellers hämmern, damit sich in der lang gestreckten Hütte meines Grandpas irgendetwas tat. Man hörte nur dumpfe Schritte und schließlich das Klirren von Metall. Vermutlich hatte er die Sicherheitskette vor der Tür beiseite geschoben. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür langsam und er steckte seinen Kopf zu uns nach draußen.

Er hatte den gleichen griesgrämigen Gesichtsausdruck, wie an dem Tag, an dem ich nach Richland Springs gekommen war. Hätte ich ihn nicht gekannt, hätte ich ihn bei diesem Anblick für einen alten, unglücklichen und verbitterten Mann gehalten, der grundlos Hass auf alles und jeden hatte. Aber ich kannte ihn und ich sah mehr, als nur das. Als sein Blick auf mich fiel, hellte seine Mine etwas auf. Kaum merklich und für die Anderen wahrscheinlich nicht sichtbar. Aber ich bemerkte es und schenkte ihm daraufhin ein kurzes Lächeln.

„Tut mir leid, dass wir dich so spät stören, aber... es ist wichtig und wir wissen nicht wohin...ähm wir sonst können", sagte ich stockend und hoffte, dass diese wenigen Worte ausreichten, damit seine Mine freundlicher werden würde.

Doch leider reichte das nicht. Sein Gesichtsausdruck blieb gleich, während er uns alle der Reihe nach musterte. Dann nickte er plötzlich unverhofft und ließ uns ohne weitere Worte eintreten. Als er die Tür hinter uns ins Schloss fallen ließ, wurde es unangenehm dunkel. Das schummrige Licht, das außen an der Fassade des Häuschens hing, fiel nicht mehr in den Raum. Ich tastete nach dem Lichtschalter und war erleichtert, als ich ihn fand und betätigte.

„Es ist nur diese ein Nacht. Wir haben Probleme... mit dem Weißen... Orden und nur für heute müssten wir hier unterkommen", erklärte ich nervös. Ich hätte ihm gerne alles erzählt, aber das konnte ich nicht und ich war froh, dass er es nicht einforderte.

„Gut, eine Nacht", brummte er.

„Ist es okay, wenn wir das Zimmer neben der Küche nehmen?", fragte ich vorsichtig. Mein Grandpa musterte jeden von uns noch eimal. Erst Rosie, dann Michelle, Linn und schließlich Lian. An ihm blieb sein Blick etwas länger hängen und er schien herausfinden zu wollen, ob man ihm trauen konnte. Dann sah er mich an und nickte langsam.

„Danke", antwortete ich und wollte die Anderen schon die schmale Treppe nach oben führen. Doch da flüsterte mir Linn etwas ins Ohr:

„Die Kristalle." Ich machte auf dem Absatz kehrt und sah ihn wieder an.

„Stimmt, sag mal hast du noch Sachen von Grandma? Vielleicht irgendwelche Steine oder so?" Auf dem Weg hier her war uns aufgefallen, dass wir für das Ritual noch Einiges brauchten. Wir kamen nicht drumherum den Plan bis ins kleinste Detail abzusprechen und dafür brauchten wir die Kristalle und all das Zeug.

Während die Anderen das Planen immer mehr nach hinten schieben wollten, hätte ich es am liebsten auf der Stelle getan. Es fühlte sich wage an, alles was wir hatten. In meinen Augen hatten wir kaum einen richtigen Plan. Alles was wir tun wollten war das Serum in Janines Tee zu schmuggeln. Aber das kam mir mittlerweile absurd vor. Das Schattenwesen oder was auch immer in unser Ritual eingedrungen war, hatte mit Sicherheit mitbekommen, was wir da getan hatten und somit wusste es nun auch Janine. Sie würde ihren Tee also unter keinen Umständen unbeaufsichtigt lassen oder irgendetwas Anderes, das sie zu sich nahm. Wir mussten also einen Plan B haben oder uns zumindest irgendetwas einfallen lassen, was vielversprechender klang, als das...

„Nein, ich habe alles weggeschmissen als sie..." Er verstummte und trat einen Schritt nach hinten. Schon klar, dass war das Zeichen ihn alleine zulassen.

„Okay danke. Ähm wir werden da oben eventuell Magiekram machen, also..."

„Ich bleibe unten. Sag nur Bescheid, wenn ihr wieder geht." Ich nickte und führte die Anderen in die obere Etage. Hier war es gleich viel gemütlicher. Der Keller war sogar ohne das grelle Licht unglaublich kalt und einsam. Aber hier oben hatten wir warmes Licht und es war viel schöner eingerichtet. Nicht so karg und einsam. Es war mir ein Rätsel warum mein Grandpa freiwillig im Keller schlief. Sogar dann noch, wenn niemand anderes hier war. Er hätte hier oben zwei Räume zu Verfügung, in denen er schlafen könnte. Aber er bevorzugte lieber den kalten, grauen Keller. Wer weiß, vielleicht war es einfach seine Gewohnheit.

„Dein Grandpa ist echt nicht so..."

„Gesprächig? Freundlich?", beendete ich den Satz von Michelle. Sie nickte nachdenklich.

„Ich weiß, aber wenn man ihn näher kennt, ist er echt okay", entgegnete ich und führte die Vier durch den Bungalow.

Wir richteten uns das Zimmer neben der Küche her und schafften für alle Schlafplätze. Dann diskutierten wir das Problem, das wir hatten. Hier gab es kaum Kerzen, keine Kristalle oder Edelsteine und erst recht kein Räucherwerk, das die Schattenwesen auch nur annähernd von uns hätte fernhalten können. Uns blieb also nur eine Möglichkeit. Wir mussten uns das fehlende Material beschaffen. Michelle und Linn konnten wir unmöglich alleine zum Weißen Orden schicken. Janine würde dort doch auf sie warten und sie dann womöglich in irgendeinen Keller sperren. Rosie hatte keine Sachen mehr. Es blieben also nur noch Lian und ich übrig. Da er mich nicht alleine gehen lassen wollte und ich ihn auch nicht alleine zum Schwarzen Orden schicken konnte, einigten wir uns irgendwann darauf, zu zweit zu gehen. Vier Hände trugen schließlich mehr, als Zwei. Kurz bevor wir jedoch losgehen wollten, fiel uns auf, dass wir Michelle, Linn und Rosie auch nicht alleine lassen wollten. Es kam mir dumm vor sie hier zurückzulassen, nachdem irgendjemand oder irgendetwas unser Ritual gestört hatte, obwohl wir das auf alle erdenklichen Weisen versucht hatten zu schützen.

Nach einem ewigen Hin und Her, beschlossen wir gemeinsam zum Schwarzen Orden zu gehen. In Gegenwart von Lian fühlten wir uns alle ein Stück sicherer. Außerdem war es bestimmt das Beste, wenn wir alle zusammen blieben.

Als wir vor den Mauern des Schwarzen Ordens ankamen, war es längst nach vier Uhr durch. Trotzdem war es noch zu früh, als dass die Ersten wach gewesen wären. Von Weitem sahen wir nur vereinzelt ein paar Licher brennen.

Ich eilte in schnellen Schritten in das Gebäude hinein. Ich fand es war die beste Idee, wenn Lian bei den Anderen blieb. Auch wenn im Schwarzen Orden ein paar Verräter unterwegs waren, so fühlte ich mich in den Mauern immer noch sicherer, als draußen. Es war mir lieber, wenn Lian auf die Anderen aufpasste, als sie dort so alleine stehen zu lassen. Er war von dieser Idee ganz und gar nicht begeistert gewesen. Aber irgendjemand musste die Sachen holen und es hätte viel mehr Aufsehen erregt, wenn wir alle zusammen in sein Zimmer gelaufen wären. Außerdem war das ja nun wirklich keine große Aufgabe. Ich musste nur in sein Zimmer gehen und ein paar Sachen besorgen. Das würde keine zehn Minuten dauern. Was sollte also dabei schon schief gehen?

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt