59. Kapitel - Neuanfang

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„Ich lasse euch gerne den Vortritt", murmelte Lian und drehte sich weg von uns. Ich blickte zu Linn und wartete darauf, dass sie mir bestätigend zunicken würde. Doch Linn schien sich selbst nicht sicher zu sein, ob sie es wagen sollte. Ich biss die Zähne zusammen. War es das wirklich wert so ein großes Ding daraus zu machen? Wahrscheinlich nicht.

Ich stand auf und presste ein okay zwischen den Lippen hervor. Je länger wir das herauszögerten, desto unangenehmer wurde es. Ich prüfte noch einmal kurz, ob Lian auch weiterhin wegsah und begann mich dann von meinem Oberteil zu befreien. Einen BH hatte auch ich nicht drunter gezogen und so war ich schon einen Augenblick später obenrum nackt. Es war ein seltsames Gefühl. Irgendwie frei, aber auch beschämend und frisch,... ja es fühlte sich ungewohnt frisch an. Linn zögerte noch einen Moment. Erst als ich dabei war die Hose auszuziehen, begab auch sie sich in den Stand und wurde ein paar ihrer Klamotten los.

Ich wartete bis sie fertig war. Dann griff ich nach ihrer Hand und lief mit ihr runter ans Ufer. Linn war ungewöhnlich ruhig, sie bewegte sich angespannt und obwohl ich ihr Gesicht nur wie einen einzigen dunklen Schatten sah, konnte ich erkennen, dass tiefe Falten auf ihrer Stirn lagen. Sie war von diesem Plan nicht überzeugt, genauso wenig wie ich. Aber wenigstens ging es uns beiden so. Zusammen war das irgendwie besser auszuhalten.

Während wir ans Ufer traten, sah ich noch einmal prüfend hinter mich. Lian kehrte uns weiterhin den Rücken zu. Ich atmete erleichtert auf. Rosies und Michelles Fokus lag mittlerweile ganz alleine auf ihnen selbst. Während Michelle schnell durch das Wasser schwamm, ließ sich Rosie auf dem Rücken treiben. Niemand sah uns an, es gab also beinahe auch keinen Grund mehr Peinlichkeit zu fühlen.

Gespannt ließ ich das Wasser meine Zehen berühren. Kälte durchzuckte meinen Körper, gefolgt von einem Kribbeln.

„Das Wasser ist ja kalt", flüsterte ich atemlos. Ich wollte die Ruhe nicht stören, ich konnte mich aber auch nicht davon abhalten mein Erstaunen mit Linn zu teilen.

„Eiskalt", antwortete sie und trat ein paar Schritte in das Wasser hinein. Ich blickte ihr nach. In der Dunkelheit sah das Gewässer schwarz aus und wirkte im ersten Augenblick bedrohlich.

Trotzdem folgte ich Linn und stellte fest, dass sie Recht hatte. Das Wasser war nicht nur kalt, es war eiskalt. Über meinen gesamten Körper legte sich eine Gänsehaut. Ich begann leicht zu frösteln und trotzdem fühlte es sich gut an. Der letzte Rest an Müdigkeit verschwand aus meinem Körper und plötzlich begann ich so etwas wie Aufregung zu verspüren.

Ohne lange zu überlegen, ließ ich Linns Hand los und lief geradewegs in den See hinein. Ich machte mich darauf gefasst vor Kälte laut aufschreien zu müssen oder überhaupt kaum meinen ganzen Körper unter Wasser halten zu können. Doch ich lief einfach in das frische Nass hinein. Ohne darüber nachzudenken und schon ein paar Sekunden später war mein ganzer Körper vom Wasser bedeckt. Ich konnte nicht mehr stehen, begann zu schwimmen und fühlte mich plötzlich befreit. Das Bedürfnis laut schreien zu wollen, kam in mir auf. Schreien vor Kälte, vor Erleichterung, vor Freude. Aber ich hielt es zurück. Ich wollte die Ruhe und Konzentration der Anderen nicht stören. Ich hörte Rosies Stimme in meinem Kopf hallen. Wir sollten nicht auf die Anderen schauen und unserer Intuition folgen. Ich zögerte. Was sagte denn meine Intuition? Eigentlich wollte ich mich wie Rosie ins Wasser legen und schauen was passiert. Aber wollte ich das nur, weil ich es bei ihr gesehen hatte? Oder... okay wahrscheinlich dachte ich schon wieder viel zu viel.

Ich beschloss einfach das zu tun was mir in den Sinn kam. Also drehte ich mich um und ließ mich auf dem Rücken treiben. Die Welt wurde still, noch stiller als vorher und ich hörte nur dumpf, wie meine Hände langsam durch das Wasser glitten, um meinen Körper an der Oberfläche zu halten. Dann nahm ich einen tiefen Atemzug und... plötzlich war mir alles egal. Mir war egal was die Anderen machten, was sie sahen oder nicht sahen, was sie dachten. Plötzlich interessierte ich mich nur für mich selbst.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt