36. Kapitel - Ein bekanntes Gesicht

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Ich hatte mir am Abend wieder Lians Tee zubereitet. Es war wichtig, dass ich gut schlief, damit ich einen guten Start in die neue Woche hätte. Und weil ich auf Nummer sicher gehen wollte, machte ich dieses Mal zwei Teebeutel in meine Tasse. Sein Tee wirkte auf alle Fälle, nur hatte ich beim letzten Mal vielleicht einfach etwas zu wenig genommen.

Wie sich herausstellte war das eine ziemlich gute Idee gewesen. Ich war schnell über meine unruhigen Gedanken hinweg eingeschlafen und war kein einziges Mal in der Nacht wach gewesen. Dafür fühlte ich mich am nächsten Morgen unruhig. Unruhiger als sonst. Es war nicht nur das Mädchen, aus diesem bescheuerten Horrorfilm, das mich unruhig und nervös machte, es war auch das Gefühl, dass hinter dieser ganzen Sache doch etwas anderes steckte, als nur meine Fantasie. Es musste doch eine tiefere Bedeutung haben, dass das Mädchen im Film und das, dass ich in Echt gesehen hatte, zwei verschiedene Augenfarben hatten.

Aber Lian war so überzeugt von seiner Meinung und ich wusste, dass ich dazu neigte mich meinen Ängsten hinzugeben. Vielleicht übertrieb ich ja wirklich nur. Vielleicht war das einfach nur meine Fantasie. Bestimmt war sie es, wieso sollte sonst ein Mädchen, direkt aus einem Horrorfilm hinter mir her sein? Wäre das ein echtes Schattenwesen oder irgendetwas in dieser Art, würde es ja wohl nicht so aussehen wie dieses Geistermädchen. Davon versuchte ich mich jedenfalls zu überzeugen, nur mein inneres Gefühl ließ sich nicht komplett verdrängen.

Heute war der erste Tag, an dem ich endlich in den Dreierkurs für Magiesprüche kam. Es war der dritte Block und ich war gespannt was auf mich zukommen würde. Lian hatte mich bis zu dem Gang gebracht, in dem mein Unterricht lag. Dann war er schnell weiter geeilt. Er wollte seinen Lehrer noch etwas zu einem bevorstehenden Test fragen.

Verwundert starrte ich das bekannte Mädchen an, das in meinem Kurs saß. Unschlüssig blieb ich im Türrahmen stehen und fragte mich, ob ich mich neben sie setzten oder doch lieber nach einem anderen Platz Ausschau halten sollte. Von unserer ersten Begegnung an hatte sie mich eingeschüchtert und ich wusste nicht was ich von ihr halten sollte. Sie hatte mir zwar geholfen, aber sie war dabei nicht wirklich freundlich gewesen. Und den einen Morgen, an dem ich mich zu ihr und Lian gesetzt hatte, war sie gleich wieder aufgesprungen und verschwunden. Das Gefühl, dass Angelina mich nicht wirklich mochte, setzte sich in mir fest.

Ich zuckte innerlich leicht zusammen, als sich unsere Blicke trafen. Sie sah gleichermaßen überrascht aus, wie ich mich fühlte. Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Sie machte mich allein mit ihrer Anwesenheit unsicher, machmal bekam ich sogar fast Angst vor ihr. Sie hatte einen so durchbohrenden Blick und dieser seltsame Schimmer in ihren Augen war mir auch nicht ganz geheuer.

Jetzt wo sie wusste, dass auch ich sie gesehen hatte, musste ich zu ihr gehen. Das dachte ich zumindest. Ich lief zu ihrem Platz und fragte recht unbeholfen, ob neben ihr noch frei sei. Sie nickte, mehr tat oder sagte sie nicht. Ich war einerseits erleichtert, dass sie wenigstens genickt hatte, ansonsten wäre es noch unangenehmer geworden. Doch ich sah andererseits auch ihren wenig begeisterten Gesichtsausdruck, der mich wünschen ließ, ich hätte einfach so getan als hätte ich sie nicht erkannt und mich woanders hingesetzt.

Nachdem ich mich gesetzt hatte, ging ich mögliche Smalltalkfragen durch, die ich Angelina stellen könnte, um das unangenehme Schweigen zu brechen. Doch mir fiel nichts passendes ein. Angelina war nie direkt unfreundlich zu mir gewesen oder hatte eine blöde Bemerkung gemacht. Trotzdem schüchterte mich ihr ganzes Auftreten ein. Sie wirkte grazil. Jede ihrer Bewegungen erschien einem ungewöhnlich kontrolliert. Wie eine Elfe bewegte sie sich und trotzdem war sie gleichzeitig so selbstbewusst und sicher in ihrem Tun, dass niemand sie für schwach oder dumm gehalten hätte.

Sie war einfach eine Erscheinung. Mit den vielen Tattoos, der schlanken Figur und ihrer fast arrogant ausschauenden Miene.

Auch wenn ich nicht in ihre Richtung sah, bemerkte ich, dass sie mich von der Seite musterte. Und dabei sah sie nicht begeistert aus. Sie hatte meistens einen eher abschreckenden Gesichtsausdruck drauf. Doch in meiner Gegenwart schien sich ihre kritische Mine noch mehr zu versteifen. Irgendetwas hatte sie gegen mich. Vielleicht bildete ich mich das auch nur ein, aber...

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt