„Nichts davon muss dir Angst machen. Das ist alles nur für die Show", flüsterte er mit rauer Stimme und führte mich an seiner Hand nach vorne. Okay. Das war alles was ich dachte. Ich hinterfragte es nicht, ich vertraute ihm einfach. Obwohl immer noch alle Augen auf mich gerichtet waren, fühlte ich mich so entspannt und gelassen, wie schon lange nicht mehr. Das war absurd.
Ich sah den Unbekannten von der Seite an. Sein Gesichtszüge waren entspannt. Ihm machte es nichts aus, dass wir im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit standen. Ruhig sah er nach vorne. Er atmete ruhig, er war ruhig. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der mich mit seiner ruhigen Art so sehr runter bringen konnte. Das Bedürfnis ihm davon zu erzählen, machte sich in mir breit. Aber ich schob es beiseite.
Er sah zufrieden aus. Zufrieden mit der Situation, mit sich selbst, mit allem. Und trotzdem hatten seine Augen etwas Trauriges an sich. Sie waren glasig. Seine Augenlieder hingen leicht und unter dem Braun seiner Augen, war etwas Weiß zu sehen. Eigentlich sah er recht normal aus, doch diese Augen machten ihn auf eine ganz bestimmte Weise spannend mysteriös. Wer war dieser Junge?
Ich wachte aus meinem Tagtraum auf, als der Junge seine Hand von meiner löste. Die Wärme, die mich bis eben umgeben hatte, verschwand. Das Zittern kehrte zurück, während ich ihm sehnsuchtsvoll zusah, wie er in der Menge verschwand. Als ich ihn nicht mehr sehen konnte, kam ich wieder im Hier und Jetzt an. Ich bemerkte, dass ich auf der Erhöhung, vor dem Lederstuhl stand. Meine Augen wanderten zwischen dem Stuhl und der Menge, hin und her. Hoffentlich blieb er. Wenigstens bis die Zeremonie vorbei war. Ich musste ihn danach unbedingt sprechen. Keine Ahnung was ich sagen sollte, aber ich musste ihn ansprechen.
„Weißt du sicher, dass du das willst?", fragte eine schwarzhaarige Frau, die sich unbemerkt hinter mich gestellt hatte. Erschrocken drehte ich mich zu ihr um und sah ihr unsicher entgegen. Die Frage war berechtigt. Wollte ich das? Keine Ahnung! Ich wusste ja nicht einmal auf was ich mich hier einließ.
„Ja", flüsterte ich, weil ich mich eine andere Antwort nicht zu sagen traute. Unbeeindruckt nickte sie. Die Frau war kaum größer als ich, trotzdem hatte ich eine Heidenangst vor ihr. Sie stand selbstbewusst vor mir und sah mich einschüchternd an. Kein Funken Mitleid oder Verständnis war in ihren Augen zu sehen. Nur Härte und Erwartungen. War ich gerade dabei die falsche Entscheidung zu treffen? Hatte ich überhaupt noch eine Wahl?
Die Frau deutete auf den Stuhl, also kam ich ihrer Aufforderung nach und setzte mich. Mein Herz raste, unruhig sah ich mich in der Menge um. Ich saß hier vorne, vor aller Augen und sollte mich einer Magiergemeinschaft anschließen. Das kam mir unreal vor, wie ein Traum, aus dem ich nicht aufwachte. Leider wusste ich ziemlich genau, dass das kein Traum war.
Seit ich in Richland Springs angekommen war, hatte ich keinen richtigen Plan mehr gehabt. Ich war nie darauf vorbereitet gewesen, was als nächstes passieren würde und trotzdem fühlte es sich im Nachhinein so an, als hätte ich irgendwo schon gewusst was ich tat. Doch jetzt fühlte ich mich planloser, denn je. Ich hatte keine Ahnung was mit mir passieren würde und was das alles zu bedeuteten hatte, geschweige denn, ob es das war, was ich wirklich wollte. Das jagte mir Angst ein.
Ich ließ die Frau keine Sekunde mehr aus den Augen und folgte ihren Bewegungen. Sie griff nach der Schale und kam auf mich zu. In dem Gefäß schwamm eine tiefblaue Flüssigkeit. Fragend sah ich sie an und versuchte zu verstehen was sie von mir wollte. Die leise Befürchtung tat sich auf, dass ich dieses Zeug trinken sollte. Vielleicht als Beweis meiner Ergebenheit. Aber ich wusste nicht was für ein Zeug das war und ich wusste noch weniger was es mit mir machen würde. Gerade als sich meine Panik ein weiteres Mal steigern wollte, kniete sich die Frau plötzlich vor mich. Sie stellte die Schale beiseite und holte ein Messer aus ihrem schwarzen Lackstiefel hervor. Einen Moment dachte ich, dass sie es mir reichen würde und ich mich selbst schneiden müsste. Doch als sie nach meiner Hand griff, verstand ich, dass sie es war, die mein Blut zum fließen bringen wollte. Eine Gänsehaut legte sich über meinen Körper. Ich wollte hier weg. Ich wollte das Alles nicht mehr. Irgendjemand musste mich hier rausholen!
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Magie oder Schicksal? (3.Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall ode Magie? Sam hat den Sprung ins Ungewisse gewagt. Alleingelassen macht sie sich auf den Weg zum Schwarzen Orden. Doch ist der Schwarze Orden das Richtige für sie? Wird sie Andere von den bösen Machenschaften Janine's überzeugen und...