5. Kapitel - Der Schwarze Orden

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Angelina drosselte das Tempo. Ich sah mich um und erkannte schwache Umrisse eines riesigen Gebäudekomplexes. Langsam kamen wir dem Schwarzen Orden näher. Der Weg endete an einem großen, spitzen Tor. Wir blieben stehen. Ich traute meinen Augen kaum. Vor uns ragte ein dunkles Schloss hoch empor. Die Gebäude des Weißen Ordens waren nichts, im Gegensatz zu diesem eindrucksvollen Gemäuer.

Unzählige spitze Türme reichten bis hoch in die Wolken. Die Farben der Schlossmauern waren so dunkel, wie die Nacht. Man musste zwei Mal hinsehen, um das Schloss überhaupt wahrzunehmen, denn es verschwand in der Dunkelheit. Vereinzelt brannten noch ein paar Lichter, die jedoch auch so schummrig dunkel waren, dass sie kaum auffielen.

Ungewöhnlich war, dass dieses Schloss niemand zu bewachen schien. Es gab kein Wachthäuschen und vor dem Tor standen auch keine Magier, die das Tor kontrollierten. Wurde der Eingang des Schwarzen Ordens etwa um diese Uhrzeit nicht mehr bewacht? Vielleicht war es um diese späte Zeit verschlossen und wir müssten später wiederkommen? Aber wäre das nicht leichtsinnig?

Bevor ich Angelina danach fragen konnte, öffnete sich das schwere Tor langsam und von ganz alleine. Lautes Quietschen war in der Stille zu hören. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.

Hinter dem Tor sah es leider nicht weniger unheimlich aus. Vor uns lag ein schmaler Weg aus Steinplatten, die wahrscheinlich bis zum Eingang des Schlosses führten. Beleuchtet war der Weg nicht, sodass es so schien, als würde er in zwei Metern aufhören zu existieren. Ungeduldig wartete ich darauf, dass Angelina losfuhr, doch sie blieb seltsam lange auf dem Fleck stehen und rührte sich nicht.

„Steig ab", sagte sie schließlich. Verwirrt kam ich ihrer Aufforderung nach. Wollte sie den Rest des Weges zu Fuß gehen? Vielleicht war es unhöflich den Weg zum Schwarzen Orden mit dem Motorrad zurückzulegen? Ich sah ihr fragend entgegen und musterte sie. Ein beunruhigendes Gefühl machte sich in mir breit. Angelina sah aus, als würde sie jede Sekunde losfahren wollen. Aber sie würde mich hier doch nicht alleine zurücklassen oder?

„Meld' dich bei Adrik Mandeville", sagte sie und nickte mir leicht zu, als wartete sie auf eine Zustimmung von mir.

„Was?! Kommst du nicht mit?!", fragte ich aufgebracht und warf dem düsteren Garten einen ängstlichen Blick zu.

„Nein ich werde nach Julien suchen."

„Ab...aber kannst du mich nicht wenigstens noch reinbringen?", bat ich vorsichtig und hoffte sie würde bemerken, wie unheimlich die Vorstellung für mich war, alleine dort reingehen zu müssen. Auch wenn da jemand auf mich wartete, fühlte ich mich dennoch unerwünscht. Ich kam vom Weißen Orden und jetzt, wo ich wusste wie der Schwarze Orden aussah, hatte ich auf einmal das Gefühl, dass sie es gar nicht mal so lustig finden würden, mich hier aufzunehmen. Und davon mal ganz abgesehen, stellte ich mir die Gestalten, die hier so rumliefen, auch nicht gerade vertrauenserweckend vor.

Angelina passte rein äußerlich und auch von ihrer Art, wahrscheinlich perfekt hier rein. Sie hatte den ernsten Gesichtsausdruck und die fordernde Miene immer noch nicht abgelegt. Ja, sie hatte mir geholfen, aber deshalb war sie nicht freundlicher zu mir geworden. Es schien fast so, als wäre sie nun noch abweisender. Denn, ohne auf meine Bitte eingehen zu wollen, fuhr sie los und drehte mir den Rücken zu. Sie verlor kein Wort mehr an mich und wenige Sekunden später hatte die Schwärze der Nacht sie verschluckt.

Ich blieb planlos in der Einfahrt zurück und sah ihr nach. Bei wem sollte ich mich noch mal melden? Irgendwas mit -Ville am Ende. Mehr hatte ich mir nicht mehr merken können. Na toll, das würde ja einen super Eindruck machen, wenn mich jemand fragen sollte, was ich hier verloren hatte. Ich seufzte und lief langsam auf das Schloss zu. Ich hatte mich gerade ein paar Schritte vom Tor entfernt, da hörte ich, wie es laut quietschend wieder zufiel. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte es zum Schwarzen Orden geschafft. Jetzt musste ich mich dem stellen, was auch immer hier auf mich wartete.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt