Das Klicken eines Kugelschreibers weckte mich langsam aus dem Leichtschlaf. Ich drehte mich einige Male um, bis ich merkte, dass Lian nicht mehr neben mir lag. Schnell richtete ich mich auf und sah mit müden Augen dem grellen Licht der Sonne entgegen, das das Zimmer hell erleuchtet hatte. Lian saß an seinem Schreibtisch, tief versunken in etwas, wofür er einen Kugelschreiber zu brauchen schien. Er schrieb nicht damit, aber er fuhr die Mine des Stiftes immer wieder aus und ein. Dann machte er eine Pause, legte den Stift zwischen Zeige- und Mittelfinger und schwang ihn hin und her. Etwa eine halbe Minute lang tat er das, bis er damit aufhörte und den Stift an seine Unterlippe legte. Der Stift war ruhig. Nun war es sein linkes Bein, das er nervös auf und ab wippte. Was er da wohl tat, das ihn so nervös zu machen schien?
Ich wollte ihn gerade danach fragen, da lehnte er sich leicht zur Seite. Er musste mich im Augenwinkel bemerkt haben. Denn er drehte sich ruckartig zu mir nach hinten um und fasste sich energisch an die Brust.
„Man hast du mich erschreckt." Ich musste lachen.
„Dir auch einen guten Morgen", entgegnete ich amüsiert.
„Was machst du da?" Lian blickte kurz auf seine Unterlagen, ehe er sich wieder zu mir drehte.
„Hausaufgaben. Ich wollte dich nicht wecken, ich wollte aber auch nicht einfach gehen. Nicht, dass du aufwachst und alleine bist."
„Oh, das ist lieb, danke."
„Na ja aber spätestens in einer halben Stunde hätte ich dich eh wecken müssen. Das Frühstück hat nur noch eine Stunde geöffnet."
„Was? Ist es schon so spät?", fragte ich erschrocken und rutschte an den Rand des Bettes. Mein erster Gedanke war der Unterricht gewesen, den wir verpassten. Für gewöhnlich hatte das Frühstück noch eine Stunde geöffnet, wenn der erste Block längst angefangen hatte und stand damit für die Schüler, die erst zum zweiten Block hatten, noch etwas länger bereit.
„Ja, aber mach dir keine Sorgen. Wir sind für den Unterricht heute befreit worden."
„Wie? Warte mal was? Wann?...", fragte ich stockend.
„Ich habe meinem Onkel geschrieben, dass du noch schläfst und die Nacht heftig war." Ich atmete tief aus. Dann fuhr ich mir mit den Händen übers Gesicht.
„Danke", antwortete ich knapp und stand auf, um mein Handy zu holen. Ich warf einen Blick auf meinen Stundenplan. Intention, Magiesprüche, Freiblock, Traumdeutung. Wichtige Fächer, aber nicht so wichtig, dass ich nicht einen Tag aussetzen könnte. Also ließ ich mich wieder zurück ins Bett fallen und nahm mir einen Moment, um richtig wach zu werden.
Langsam spürte ich Unruhe in mir aufsteigen. Die Erinnerungen an die vergangene Nacht kamen hoch. Was wohl passiert wäre, wenn mich Lian nicht vor ihnen gerettet hätte? Sie hätten mich verschleppt, Trevor hätte wer weiß was mit mir gemacht und dann hätten sie mich zu Janine gebracht. Und was die mit mir gemacht hätte, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Ich versuchte die unheimlichen Gedanken beiseite zu schieben und sprang schnell vom Bett auf. Lian musterte mich besorgt, also verschwand ich schnell ins Badezimmer. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte. Ich wollte aber auch nicht leugnen, dass mir die vergangene Nacht sehr zugesetzte hatte.
Im Badezimmer machte ich mich frisch. Ich sprang schnell unter die Dusche, zog mir neue Sachen an und versuchte meine lockigen, verknoteten Haare zu sortieren, die unter den Strapazen der letzten Nacht sehr gelitten hatten.
Beim duschen warf ich das erste Mal einen kurzen Blick auf meine verletzte Schulter. Sie war leicht aufgeschürft und etwas blau, aber nicht ansatzweise so kaputt, dass ich mir hätte Sorgen machen müssen. Trotzdem jagte mir der Anblick einen Schauder über den Rücken und brachte einen Moment lang erneut die Erinnerungen an die Oberfläche. Doch ich schob sie zurück und versuchte so zu tun, als könnte ich nur im Hier und Jetzt leben. Das Geschehene konnte man nicht ungeschehen machen und was brachte es mir mich damit fertig zu machen und immer mehr Ängste zu entwickeln? Nichts!
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Magie oder Schicksal? (3.Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall ode Magie? Sam hat den Sprung ins Ungewisse gewagt. Alleingelassen macht sie sich auf den Weg zum Schwarzen Orden. Doch ist der Schwarze Orden das Richtige für sie? Wird sie Andere von den bösen Machenschaften Janine's überzeugen und...