27. Kapitel - Unheimliche Begegnung

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„Hast du noch Fragen?", wollte Lian wissen. Ich schreckte aus meinen tiefen Gedanken auf, in denen ich mir immer noch versuchte zu erklären, warum mir Lian nicht mehr über Janine erzählen wollte.

„Ich weiß nicht, bestimmt", entgegnete ich etwas stockend. Ich hatte sicher Fragen, wahrscheinlich eine ganze Menge, aber sie fielen mir nicht ein. Im Moment hatte ich nur diese eine Frage, auf die mir Lian nur keine Antwort geben würde.

„Wenn deine Fragen warten können, würde ich das Ritual beenden, okay?"

„Warum?" Hatte er noch etwas vor? Oder wurden ihm meine Fragen unangenehm?

„Ich möchte, dass wir dieses Ritual entspannt beenden können, bevor jemand reinplatzt und wir rausgerissen werden. Das kann nämlich wirklich unangenehm werden." Ich runzelte die Stirn. Ich wusste nicht was ich mir darunter vorstellen sollte, also fragte ich nach. Doch Lian kam nicht mehr dazu mir eine Antwort zu geben.

Ich nahm ein leises Rauschen wahr. Erst dachte ich mir nichts dabei, doch dann wurde es allmählich stärker. Es war fast, als würde die Verbindung zwischen Lian und mir schwächer werden. Als würden wir telefonieren und hätten keinen guten Empfang mehr. Aber dabei blieb es nicht. Lians Stimme wurde dumpf, ich verstand ihn kaum noch. Das Rauschen übertönte seine Stimme, bis ich ihn schließlich nicht mehr hören konnte.

Ein Anflug von Panik überkam mich. War ich jetzt alleine in dieser seltsamen Welt? War ich alleine zwischen Vorstellung und Realität? Bevor mich die Panik überrollen konnte, erinnerte ich mich daran, dass ich nur die Augen aufzumachen brauchte und schon wäre das Ganze vorbei.

Nachdem ich Lians Namen noch ein paar Mal gerufen und auf eine Antwort gewartet hatte, die kein einziges Mal erfolgt war, öffnete ich vorsichtig meine Augen.

Ich nahm zunächst nur leichte Umrisse wahr. Während ich mehr von meiner Umgebung zu erkennen versuchte, begann sich plötzlich alles zu drehen. Mir wurde schwindelig und wieder verlor ich meine Orientierung. Ich wusste plötzlich nicht wo oben, unten, links oder rechts war. Es kam mir vor, als hätte man mich dazu überredet in einem Karussell mitzufahren, das außer Kontrolle geraten war. Aber ich versuchte ruhig zu bleiben. Wahrscheinlich würde nicht mehr passieren. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, versuchte meinen Herzschlag runterzufahren und gegen die aufkommende Übelkeit anzukämpfen.

Ich war froh, dass ich saß, sonst wäre ich durch den Schwindel wahrscheinlich umgekippt. Meine ganze Umgebung drehte sich so stark, dass die Übelkeit immer schlimmer wurde und ich die Befürchtung bekam, mich übergeben zu müssen. Mein Kopf dröhnte und in mir machte sich ein so unsicheres Gefühl breit, dass ich am ganzen Körper zu zittern begann, bis ich schließlich sogar das Gefühl über meinen Körper verlor. Ich spürte plötzlich nicht mehr, ob ich lag oder saß und welcher Teil meines Körpers den Boden berührte. Das war beängstigend. Ich flüsterte Lians Namen, ich hoffte er würde mich hören und mir gut zureden. Doch ich bekam keine Antwort. Als der Schwindel so schlimm wurde, dass ich wirklich kurz davor war mich übergeben zu müssen, kniff ich die Augen wieder zusammen.

Mit einem Ruck war der Schwindel verschwunden. Mein Kopf fühlte sich klarer an und ich spürte, dass ich immer noch auf dem Boden saß. Als ich mich von diesem ekligen Gefühl des Kontrollverlusts erholt hatte, wagte ich es erneut. Vorsichtig öffnete ich die Augen, jederzeit bereit sie wieder zusammenzukneifen, falls der Schwindel einsetzten sollte. Aber der Schwindel kam nicht. Es fühlte sich an, als wäre es vorbei. Ich schlug die Augen also ganz auf und war froh, als ich Lians Zimmer wieder scharf sehen konnte.

Ich wollte mich nach Lian umsehen, doch da schob sich plötzlich eine so unheimliche Fratze vor mein Gesicht, dass ich einen Angstschrei losließ. Triefnasse, dunkle Haare hingen über dem bleichen Gesicht. Grüne, trübe Augen starrten mich an. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und blutige Kratzer auf den Wangen. Ihr Lächeln war breit, unheimlich breit, fast gequält breit und ihre grünen Augen starrten mich mit einem so unheimlichen, irren Blick an, dass ich glaubte, sie hatte mich in der ersten Sekunde unseres Blickkontakts verflucht. Es war tatsächlich nur ein Wimpernschlag, eine Sekunde, gewesen, dann war sie wieder verschwunden.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt