Kapitel 34

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Riku

Nach einer guten Stunde konnte ich tatsächlich schon das Stauende sehen. Völlig entnervt trommelte ich mit meinen Händen auf das Lenkrad. Ich glaubte noch nie in meinem ganzen Leben so großen Hunger verspürt zu haben. Durst hatte ich inzwischen auch noch, was die Sache hier natürlich nicht besser machte. Am Liebsten hätte ich mich in Hulk verwandelt und einfach alle Autos, die noch vor mir standen weg geworfen. Ok, das war zugegebenermaßen ein dummer Wunsch, aber ich wollte hier einfach nur noch weg, verdammt! Mir egal, ob zu Laura, nach Vantaa, oder ans Ende der Welt. So lange es dort etwas zu essen und zu trinken gab, war ich fürs Erste zufrieden. Wieso musste dieser Unfall auch ausgerechnet jetzt passieren? Er hätte einfach gar nicht passieren müssen! Etwas später hätte es mich auch nicht mehr groß gejuckt... Aber nein! Natürlich musste ich wieder in dieser Scheiße stecken, meine Fresse!

Wieder ging es ein wirklich winziges Stück vorwärts. Merkwürdigerweise freute ich mich jedes Mal über diese lächerlichen Stückchen, die ich der Ausfahrt näher kam. Zum heutigen Zeitpunkt frage ich mich, wieso ich mich nicht geärgert hatte, dass es so wenig vorwärts ging. Naja, damals war es eben so, dass ich froh war.
Als ich es endlich durch den Stau geschafft hatte, fiel mir auf, dass ja Sonntag war und somit die meisten Geschäfte geschlossen hatten. In der Hoffnung, doch noch eine Bäckerei zu finden, fuhr ich durch die Stadt. Natürlich hatte ich aber nicht das Glück fündig zu werden. Da mir sonst wirklich nichts mehr einfiel, machte ich mich den zu meinen Eltern. Wenn ich dort nichts zu essen bekam, wusste ich auch nicht...

Kurz nachdem ich geklingelt hatte, öffnete meine Mutter mir die Tür und sah mich überrascht an.

"Riku? Was machst du denn hier? Suchst du Laura?"
"Nein...", antwortete ich verwirrt.
"Komm mal erst mal rein!"

Als ich meine Schuhe ausgezogen hatte, folgte ich ihr ins Wohnzimmer.

"Setz dich... Erstmal dir Frage: Willst du mit uns essen, wenn du schon da bist?"

Innerlich führte ich einen Freudentanz auf. Darauf wollte ich hinaus.

"Gerne"
"Gut, dann nächste Frage: Hast du dich mit Laura gestritten?"
"Nein, wieso? Was hast du denn mit Laura?"
"Sie saß gestern Nacht total verheult hier vor der Tür und hat dann hier geschlafen. Weil das nicht "einfach so mal" vorkommt, will ich wissen, ob etwas vorgefallen ist"
"Ich war heute Nacht nicht mal zu Hause..."

Das war nicht mal gelogen. Ich hatte nicht gesagt, dass nichts vorgefallen war. Das interpretierte meine Mutter jetzt nur da rein, also hatte ich nicht gelogen. Ob ich es dann richtig stellte, war eine andere Sache.

"Oh, ja dann ist es eher unwahrscheinlich, dass es wegen dir war. Aber ich verstehe nicht, wieso sie wegen Vivi herkommen sollte"
"Wieso wegen Vivi"
"Naja, sie wollte sie ganz dringend anrufen"
"Komisch"
"Na gut, du kannst sie ja fragen, was los ist, wenn du wieder daheim bist... Ich gehe jetzt erst mal wieder weiter kochen. Brauchst du noch was?"
"Ja, etwas zu trinken, aber das hole ich mir selber!"
"Du weißt ja, wo alles ist"
"Ja danke"

Mit einem Glas Wasser setzte ich mich an den Tisch und sah, dass ich inzwischen eine Nachricht von Laura hatte. Eine relativ lange Nachricht sogar.

"Hey Riku...
Es tut mir wirklich soooo leid, was ich getan habe. Ich hätte respektieren müssen, dass du dich nicht bereit für Kinder fühlst, oder überhaupt keine willst... Ich habe mir das einfach so in den Kopf gesetzt, dass ich den Wunsch nicht vergessen konnte. Ich wollte es einfach so sehr und habe vergessen, dass wir es beide wollen müssen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie traurig es für unser Kind gewesen wäre, wenn du ihm ständig gezeigt hättest, dass es ungewollt war. Vielleicht hättest du es irgendwann lieb gewonnen, aber das wäre eben nur vielleicht passiert. Weil ich nicht wollte, dass unser Kind erzwungen ist, habe ich jetzt die Pille für danach genommen... Ich hoffe, dass du mir nochmal verzeihen kannst, dass ich so verdammt dumm war. Ich liebe dich..."

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