Kapitel 18

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Fassungslos sah ich zu Cameron und James die in der offenen Tür standen und mich ebenso fassungslos ansahen. Nein, sie durften das alles nicht mitbekommen haben. "Chloe, sag mir das ich mich gerade verhört habe." unfähig Cameron zu antworten starrte ich ihn weiter an. Er machte einen Schritt in mein Zimmer und wollte zu mir kommen, blieb aber stehen als James ihn an der Schulter aufhielt. Wütend sah er zu James und wieder zu mir. "Sag mir jetzt das ich mich verhört habe." knurrte er. Ich wusste das er nicht wütend auf mich war, sondern auf das was er gehört hatte, trotzdem machte er mir angst und ich stand auf. "Leute, wir sollten-" fing Sofie an, wurde aber von Cameron schon im Ansatz unterbrochen. "Halt die Klappe Sofie! Chloe, sag mir jetzt sofort was hier los ist!" "Das hast du doch gehört Cameron!" ging Sofie dazwischen und auch sie klang nun wütend.

Verzweifelt sah ich zu James der sich alles wortlos mit ansah. "Cam, wir lassen sie jetzt alleine." sagte er und legte seine Hand wieder auf Camerons Schulter. Dieser schüttelte seine Hand aber ab und machte wieder einen Schritt auf Sofie und mich zu. "Stimmt das Chloe? Hat er sich an dir vergangen?" "Ja verdammt! Immer und immer wieder hat er mich missbraucht! Wolltest du das hören Cam? Bist du jetzt zufrieden?" schrie ich und rannte an ihm und James vorbei aus meinem Zimmer. "Chloe, warte!" James ignorierend rannte ich die Treppen runter und öffnete die Haustür. "Cody!" keine zehn Sekunden später kam Cody schwanzwedelnd zu mir. Ich schnappte mir noch Camerons Wagenschlüssel und schloss die Tür hinter mir. Nachdem Cody in den Wagen sprang, setzte ich mich hinters Steuer und fuhr los, als James, Cameron und Sofie aus dem Haus rannten. Ich brauchte jetzt einfach Zeit für mich.


Eine geschlagene Stunde sass ich schon am Strand. Leider ging ich wieder an den Ort, wo ich Dylan das erste Mal getroffen hatte, aber was sollte ich schon machen. Hier war nie jemand und ich hatte die Ruhe die ich jetzt einfach brauchte. Cody lag neben mir und genoss sichtlich die Streicheleinheiten die ich ihm gab.

Das Cameron und James alles mitbekommen hatten konnte ich immer noch nicht fassen. Ich wollte nie das er es herausfand und ganz sicher nicht so, aber was sollte ich jetzt noch daran ändern. Irgendwie war mir klar das Cameron es eines Tages herausfinden würde, nur wollte ich nicht das es so schnell passierte.

Seufzend stand ich auf und auch Cody hob seinen Kopf und sah mich an. Ich deutete ihm das er liegen bleiben sollte und ging zu den Klippen. Langsam und darauf bedacht wo ich hintrat, kletterte ich die Felswand nach oben. Als ob Cody wüsste was ich vorhatte, sprang er auf und rannte zu mir. Als er jedoch merkte das er nicht hochkam, lief er vor den Klippen hin und her und bellte ununterbrochen. Nach wenigen Minuten hatte ich den höchsten Punkt erreicht und sah runter auf das Meer. Einige Zeit sah ich gedankenverloren auf das Meer, bis ich meinen Blick losriss und zur Kannte der Klippe ging. Es hatte gerade begonnen zu Regnen und dementsprechend schlugen die Wellen kräftig gegen die Felswand unter mir.

Auch wenn es regnete und ich mich in etwa fünfzehn Meter höhe befand, wollte ich schon immer einmal von einer Klippe springen und das war ein guter Zeitpunkt dafür. Cameron sagte immer es sei zu gefährlich, das ich mich leicht verletzen könnte und aus diesem Grund hatte ich es auch noch nie getan, aber irgendwie war mir jetzt einfach danach.

Ein letztes Mal sah ich nochmal nach unten und zweifelte kurz. Nein, das würde ich jetzt machen. Ich machte einen Schritt nach vorne und wollte gerade runter springen, als ich ihn hörte. "Chloe, bitte! Mach das nicht!" überrascht wich ich einen Schritt nach hinten und sah zum Strand wo James stand. Er deutete mir zu warten und rannte zu den Klippen. Die ganze Zeit liess er mich nicht aus den Augen als er rauf kletterte. Verwirrt runzelte ich meine Stirn als er oben stehen blieb und seine Hände abwehrend hoch nahm. "Bitte Chloe, ich weiss wie es dir geht, aber das ist doch keine Lösung." langsam kam er mir Stück für Stück näher. Aus seiner Aussage wurde ich einfach nicht schlau. Wieso sollte ich jetzt nicht hier runter springen können, das verstand ich einfach nicht. "Was meinst du?" "Das was dir widerfahren ist, ist wirklich schrecklich, aber sich das Leben zu nehmen bringt doch nichts." wieder kam er einen Schritt auf mich zu und ich verstand nun was er meinte. Er dachte wirklich das ich mich umbringen wollte. Ohne das ich es wollte fing ich an zu lachen. "Du denkst doch nicht das ich mir das Leben nehmen möchte?" fragte ich lachend. Als er aber nickte, erstarb mein Lachen und ich schüttelte meinen Kopf. "Nein James. Ich wollte hier runter springen, einfach zum Spass." nun war er es der mich verwirrt ansah. "Du wolltest aus Spass von der Klippe springen?" fragte er nach.

Seufzend nahm er seine Hände runter und kam zu mir nachdem ich nickte. Ohne noch etwas zu sagen zog er mich in die Arme. Zögernd lehnte ich mich an ihn. "Es tut mir leid Chloe." flüsterte er und schob mich sanft von sich um mir in die Augen zu sehen. Ich musste nicht nachfragen was er genau meinte und zuckte nur mit den Schultern. Einen Moment sah ich ihn an, ehe ich es James gleich tat und mich neben ihm auf den Boden setzte.

"Du solltest mit Cam reden." sagte James nach einigen Minuten der Stille. Seufzend nickte ich und nahm einen Stein in die Hand. "Er macht sich Vorwürfe oder?" wortlos nickte er. "Das ist auch ein Grund wieso ich nie wollte das er es erfährt. Ich wusste, dass wenn er weiss was damals passiert ist, er sich ein schlechtes Gewissen machen wird weil er nichts davon wusste. Er war schon immer der grosse Bruder der mich beschützt hat, aber da konnte er mich einfach nicht beschützen." ich hob meine Hand als James etwas sagen wollte. "Ich weiss was du denkst James. Du musst verstehen, ich war damals zwölf Jahre alt. Ich habe Phil geglaubt als er sagte, dass sich niemand für mich und das was ich zu sagen habe interessiert. Alles habe ich ihm geglaubt und damals aufgehört zu reden. Sobald wir hier weg gehen, werde ich nicht mehr reden James, nie mehr. Du hast es gesehen, sobald ich meinen Mund öffne reite ich mich von einer Katastrophe in die Nächste und das hat jetzt ein Ende." entschlossen stand ich auf und sah James an. Auch er stand jetzt auf und sah mich prüfend an. "Ich hoffe das du deine Meinung änderst, denn ich mag es wenn du redest." verwirrt sah ich James nach wie er die Felswand wieder runter kletterte. Was meinte er jetzt damit?

Kopfschüttelnd folgte ich ihm und streichelte Cody der sofort zu mir kam. Wie James und ich war er triefend nass vom Regen. "Chloe, gehen wir." nickend stand ich auf und folgte James zu unseren Wagen. "Lauf nicht wieder weg, okay?" wieder nickte ich und stieg ein nachdem Cody in den Wagen sprang. Was dachte James auch von mir. Ich wusste das ich mit Cameron über alles reden musste und hatte nicht vor davor wegzulaufen. Ich wartete bis James losfuhr und machte es ihm nach. Es wurde wirklich Zeit das ich mich meinen Problemen stellte. Das würde kein leichtes Gespräch werden.


"Dir geht es gut, Gott sei dank!" kaum betrat ich das Haus, lag Sofie auch schon in meinen Armen. Lächelnd löste ich mich von ihr und sah Cameron an der hinter ihr stand. "James und ich gehen mal raus." sagte Sofie, nahm James Hand und zog ihn mit zum Wohnzimmer und raus auf die Terrasse. "Chloe, ich-" kopfschüttelnd unterbrach ich Cameron und zeigte die Treppe hoch. Er nickte wortlos und folgte mir hoch in mein Zimmer, wo er sich auf mein Bett setzte. Zögernd setzte ich mich neben ihn und sah auf meine Hände.

Noch nie hatte ich Probleme mit Cameron zu reden, aber das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich unwohl und ich wollte alles andere als reden, aber ich musste. Eine andere Wahl hatte ich jetzt nicht. "Es tut mir leid Chloe. Ich war nicht für dich da als du mich am meisten gebraucht hast und das bereue ich zutiefst. Glaub mir, hätte ich gewusst was er dir angetan hat, dann hätte ich ihn damals schon umgebracht. Ich-" weiter konnte Cameron nicht reden, da ich ihn einfach umarmte. Zögernd schlang er seine Arme ebenfalls um mich. "Du hast keine Schuld Cam. Es ist passiert und daran kann man jetzt nichts ändern. Phil ist aus unserem Leben verschwunden und es wird Zeit das ich es vergesse. Das was er gemacht hat ist unverzeihlich, aber es ist passiert. Lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein, ja?" langsam liess ich ihn los und sah ihn bittend an.

Nach kurzem überlegen nickte er und legte seine Hände in meinen Nacken. "Wenn ich erfahre das dir nochmal jemand verletzt, dann bringe ich diese Person höchstpersönlich um. Niemand legt Hand an meine Schwester." lächelnd küsste ich ihn auf die Wange und umarmte ihn wieder. "Du bist der beste Bruder den man sich wünschen kann." nuschelte ich. "Und du die beste Schwester, auch wenn du mich ab und zu zu Tode nervst." grinsend löste ich mich von ihm und stand auf. "Na los, lass uns einen Film schauen." "Hausaufgaben?" fragte Cameron skeptisch. "Bitte, nur einen und dann mach ich sie." ich setzte meinen besten Hundeblick auf und wie immer nützte es. Cameron nickte ergeben und folgte mir die Treppe runter.

Auf eine Art war es gut hatte es Cameron erfahren, auch wenn ich nicht wollte das er es so erfuhr. Jedoch hatte ich noch Zweifel. Irgendwie glaubte ich ihm noch nicht das er sich nicht die Schuld an dem Ganzen gab. Fürs erste aber genoss ich diesen Abend.

Das jedoch alles noch viel schlimmer kommen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen.

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