"Chloe?" langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah Lou an. Traurig sah sie mich an und legte ihre Hand auf meine Schulter. "Es wird Zeit zu gehen." "Wo ist er?" es war kaum mehr als ein Flüstern, denn ich traute meiner eigenen Stimme nicht mehr. "Du hast ihn und die anderen schon weg geschickt." besorgt sah sie mich an. Hatte ich sie wirklich nach Hause geschickt? Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung. Seit wir hier waren kam es mir so vor, als ob ich alles aus einer anderen Perspektive sah. Als ob ich nicht ich selbst war.
"Ich brauche noch ein paar Minuten." "Wir warten beim Wagen." aufmunternd sah sie mich an und liess mich alleine stehen. Seufzend wendete ich meinen Blick ab und sah wieder auf das Grab vor mir. Er war weg. Nur wegen mir musste er sterben. Weil Anthony hinter mir her war, war er nicht mehr am leben.
Zwei Wochen war das alles schon her. Zwei Wochen, in denen ich eine davon im Krankenhaus lag und die andere Zuhause hätte bleiben sollen. Ich konnte aber nicht den ganzen Tag zuhause sitzen und nichts machen und ging somit in die Schule. Eigentlich hätte ich mir das auch sparen können, denn ich war keine einzige Minute bei der Sache.
Morgends stand ich auf und ging in die Schule. Danach ging ich wieder nach Hause, verkroch mich in meinem Zimmer und weinte vor mich hin. Nur wenn er in mein Zimmer kam und bei mir war, ging es mir etwas besser. Keine Minute liess er mich aus den Augen und schlief jede Nacht bei mir. Er war es, der mich über Wasser hielt.
"Es tut mir leid." flüsterte ich schluchzend. "Ich hätte an deiner Stelle sterben sollen. Es tut mir so leid. Bitte verzeih mir." tief durchatmend wischte ich die Tränen aus meinem Gesicht, was ich mir auch hätte sparen können. Langsam lief ich rückwärts von dem Grab weg. "Ich liebe dich und werde dich niemals vergessen!" ein letztes Mal sah ich auf das Grab, drehte mich um und lief langsam vom Friedhof runter.
Schritt für Schritt kam ich dem Parkplatz näher, wo Lou, Mom und Markus bereits auf mich warteten. Genau wie ich, hatten Markus und Mom Tränen in den Augen. "Gehen wir." murmelte ich als ich bei ihnen war und setzte mich hinten in den Wagen. Kurz schloss ich meine Augen und hielt meine Hand auf meinen Bauch.
Die Schusswunde die mir Anthony zugefügt hatte, war auch ein Grund wieso ich Zuhause bleiben musste. Ich durfte mich noch nicht so viel bewegen, aber mir war das völlig egal. Gegen alle Verordnungen des Arztes, ging ich trotzdem in die Schule und bewegte mich so oft wie ich wollte. Immer schmerzfrei blieb es nicht, aber ich brauchte diesen Schmerz. Er zeigte mir, dass ich noch am leben war. Anthony hatte einen Teil von mir genommen. Ohne ihn fühlte ich mich einfach leer und der Schmerz liess mich fühlen.
"Kleines, wir sind da." riss mich Markus aus meinen Gedanken. Nur kurz sah ich aus dem Fenster und stieg schliesslich aus. Wortlos folgte ich Markus, Mom und Lou rein und lief direkt zur Treppe. "Schätzchen, du solltest etwas essen." sagte Mom, doch ich schüttelte bloss meinen Kopf. "Keinen Hunger." mit diesen Worten lief ich die Treppe noch oben. Ich wollte in mein Zimmer gehen, aber als ich an seiner Tür vorbei lief, blieb ich stehen.
Wie so oft in den letzten Tagen wollte ich rein gehen, aber ich brachte es einfach nicht über mein Herz. Meine Hand umklammerte den Türgriff, aber ich konnte die Tür nicht öffnen. So sehr ich es auch wollte, konnte ich es einfach nicht. Ich hatte Angst irgendetwas in seinem Zimmer zu verändern, aber alles sollte so bleiben wie es war.
Kopfschüttelnd liess ich den Türgriff los und ging in mein Zimmer. Kaum hatte ich die Tür geschlossen, sackte ich auf dem Boden zusammen und fing wieder an zu weinen. Langsam sollte man denken, dass ich keine Tränen mehr hatte, aber offensichtlich war dem nicht so.
Nur am Rand nahm ich war, wie jemand in mein Zimmer kam und sich neben mich setzte. "Chloe." nur kurz sah ich zu ihm und schüttelte meinen Kopf. "Lass mich bitte alleine." "Ich lasse dich jetzt sicher nicht alleine." sagte er und schlang seine Arme um mich. Mit dieser Antwort hätte ich auch rechnen können, denn ich sagte es ihm jedes Mal wenn er zu mir kam und jedes Mal war ich froh, dass er bei mir war.
"Du solltest etwas essen." kopfschüttelnd lehnte ich mich an ihn. "Ich habe keinen Hunger." mein Standartsatz in den letzten zwei Wochen. "Chloe. Seit Tagen isst du praktisch nichts mehr. Wir machen uns Sorgen." "Es geht mir gut." murmelte ich. Ich wusste, dass er mir nicht glaubte, aber er beliess es dabei und zog mich enger zu sich.
"Wieso muss es so weh tun?" seufzend küsste er mich auf den Scheitel. "Das tut es leider immer." vorsichtig hob er mich hoch und legte mich auf mein Bett. "Du solltest etwas schlafen." da hatte er wohl recht. Ich wollte ihn fragen ob er bei mir blieb, aber das musste ich gar nicht. Wie selbstverständlich legte er sich neben mich auf mein Bett und schlang seine Arme um mich.
Vorsichtig legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und meine Hand auf seine Seite, wobei ich darauf achtete, nicht auf seine Wunde zu drücken. Er hatte verdammt Glück, dass es 'nur' ein Streifschuss war. Hätte ich ihn auch noch verloren, wüsste ich nicht, was ich noch machen sollte. Das einzige positive jetzt war, dass alles vorbei war.
Anthony sass im Gefängnis und würde so schnell nicht mehr da raus kommen. Trotzdem würde ich ihm dort noch einen Besuch abstatten. Egal ob es die anderen wollten oder nicht. Ich würde einen Weg finden dorthin zu kommen. Keine Ahnung wieso ich das machen wollte, vielleicht brauchte ich das einfach um mit allem abzuschliessen.
Langsam kam doch die Müdigkeit und ich schloss seufzend meine Augen. "Du bist jetzt in Sicherheit. Dir kann nichts mehr passieren." sanft küsste er mich auf die Stirn und verstärkte den Griff um mich. "Lass mich nie wieder alleine." flüsterte ich. "Mich wirst du nicht mehr los. Ich liebe dich." "Ich liebe dich James."
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Silent girl
Teen FictionFür Chloe gibt es nichts wichtigeres im Leben als ihre Familie und das Surfen. Als ihre Mutter einen neuen Mann kennen lernt, muss sie mit ihrem Bruder nach Malibu ziehen. Für Chloe eigentlich keine grosse Sache, gäbe es da nicht ein Problem. Chloe...