Kapitel 82

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"Du könntest es doch versuchen." ohne Lou, die neben mir im Sand stand, anzusehen, schüttelte ich meinen Kopf. "Wie viel Zeit ist jetzt schon vergangen. Zwei Wochen? Wieso probierst du es nicht?" wieder schüttelte ich meinen Kopf, deutete dieses Mal aber mit meiner Hand auf mein Bein.

Ich stand schon eine geschlagene halbe Stunde am Strand und sah raus auf das Meer. Die Anderen kamen vor zehn Minuten und hatten es sich im Sand gemütlich gemacht, während Lou die ganze Zeit neben mir stand. Sie wollte, dass ich raus ging und surfte. Ich wollte wirklich nichts lieber als das, aber mein Bein liess es einfach noch nicht zu. Ausserdem wollte ich nicht zu früh raus gehen, denn wenn ich das machen würde, könnte ich mich wieder verletzen und dann vielleicht gar nicht mehr surfen. Dieses Risiko war ich nicht bereit einzugehen.

"Lou, lass es. Nach zwei Wochen wird sie noch nicht raus gehen." sagte James der zu uns kam. "Und du bist ihr Vater oder wieso kommandierst du sie immer rum?" blaffte ihn Lou an. "Ich bin ihr Freund falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Du denkst doch nicht, dass ich sie raus lasse, wenn sie noch verletzt ist!" seufzend schüttelte ich meinen Kopf und hob meine Hände nach oben, jeweils vor die Gesichter der beiden. Ich hatte keine Lust, dass sich hier nochmal jemand stritt.

"Tut mir leid." murmelte Lou und auch von James hörte ich eine Entschuldigung. Zufrieden liess ich meine Hände nach unten sinken und sah wieder raus auf das Meer. "Hey Alter! Wo warst du?" verwirrt drehten wir uns um als wir Andy hörten. "Redest du immer noch nicht?" abschätzend sah mich Cameron an und ignorierte so Andys Frage. "Ich habe keine Ahnung was in deinem Kopf vorgeht, aber du solltest Chloe nicht so behandeln." verteidigte mich Collin. Spöttisch lachte Cameron auf. "Ich kann mit meinen Mitmenschen so umgehen wie ich möchte. Komm mit!" "Sie wird mit dir nirgendwo hingehen." sagte James sofort und stellte sich vor mich.

"Mum möchte mit dir reden." ohne auf mich zu warten, drehte sich Cameron um und lief zurück zum Haus. Wenn Mum mit mir reden wollte, wieso kam sie dann nicht selber und sagte mir das. Kurz sah ich Lou an, deutete mit meinem Finger auf mich und dann auf unser Haus. "Soll jemand von uns mitkommen?" fragte sie sofort. Lächelnd schüttelte ich meinen Kopf und lief an James vorbei, der sich wieder zu mir gedreht hatte. "Wenn was ist, dann ruf einfach!" rief er mir hinterher. Ja James, eine Stumme würde dich rufen. Schmunzelnd lief ich die Treppe nach oben und betrat das Haus.

Kaum setzte ich einen Fuss in das Wohnzimmer, kam Cameron und zog mich an meiner Hand hinter sich her. Humpelnd liess ich mich in die Lobby ziehen, wo ich eine Sporttasche neben der Haustür stehen sah. Verwirrt sah ich Cameron an und deutete auf die Tasche. "Das ist meine." sagte er, drehte sich zu mir um und sah mich an. Von dem wütenden Blick den er mir seit gestern zuwarf, war nun nichts mehr zu sehen.

"Hör mir jetzt genau zu." sagte er und legte seine Hände auf meine Schultern. "Das was ich gestern gesagt habe, dass ist nicht wahr. Du bist und bleibst meine kleine Schwester, egal was so ein Bluttest sagt. Hast du mich verstanden? Ich liebe dich Chloe und nichts auf dieser Welt wird das ändern." erleichtert sah ich zu ihm hoch und nickte. Wenn er es nicht so gemeint hatte, wieso hatte er das dann gesagt?

"Ich muss gehen." verwirrt runzelte ich meine Stirn. "Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich habe Scheisse gebaut und muss für eine Weile verschwinden. Du wirst mich nicht suchen, hast du mich verstanden? Ich werde mich bei dir melden sobald ich in Sicherheit bin. Meine Nummer habe ich gewechselt, also wirst du mich nicht erreichen. Es tut mir so leid Kleines." vorsichtig wischte er mit seinem Daumen die Tränen von meiner Wange. "Ich liebe dich." flüsterte er und küsste mich auf die Wange.

Entschuldigend sah er mich an, nahm seine Tasche und öffnete die Tür. "Ich werde mich bei dir melden, versprochen." und schon schloss er die Tür hinter sich. Sofort riss ich sie auf und sah nur noch, wie Cameron in seinen Wagen stieg und nach einem letzten Blick zu mir wegfuhr. Nein! Er konnte mich doch nicht einfach so zurück lassen! Cameron durfte nicht einfach abhauen. Es gab doch für alles eine Lösung.

"Chloe?" sofort drehte ich mich um und umarmte James als ich ihn erkannte. Ohne zu zögern schlang er seine Arme um mich und zog mich an sich. "Was hat er getan?" nichts, ausser uns alleine zu lassen. Kopfschüttelnd griff ich in seine hintere Hosentasche und zog sein Handy raus. James schien zu verstehen was ich vorhatte, denn er löste sich von mir, nahm mir sein Handy ab und entsperrte es.

Cameron ist gegangen

Schrieb ich in seine Notizen und hielt es James vor die Nase. Verwirrt runzelte er seine Stirn. "Was meinst du damit?"

Er hat seine Sachen gepackt und ist gegangen. Er hat gesagt, dass er Scheisse gebaut hat und verschwinden muss. Was, wenn er gar nicht mehr zurück kommt?

Verzweifelt sah ich zu James. Seufzend zog er mich in seine Arme. "Er wird wieder kommen." flüsterte er. "Egal was er gemacht hat, er wird wieder zurück kommen." kopfschüttelnd löste ich mich von ihm, humpelte zurück in das Wohnzimmer und raus zu den Anderen. Lou sass mittlerweile in Collins Armen und redete mit Andy und Jeff, die neben ihnen sassen. Wortlos setzte ich mich neben Jeff und hatte sofort alle Blicke auf mir.

"Was ist passiert?" wieder einmal schüttelte ich nur meinen Kopf. Wahrscheinlich würde ich bald eine Gehirnerschütterung bekommen oder sowas, wenn ich so weiter machte. In dieser Hinsicht war es schon praktischer, wenn man redete. "Cameron ist weg." sagte James als er sich neben mich setzte. "Wie meinst du das?" stellte ihm Collin die Frage. "Er hat Scheisse gebaut und ist abgehauen." verwirrt sahen mich alle an.

"Du verarscht uns doch. Ich rufe ihn jetzt an." wird wohl nichts bringen Andy. James legte seinen Arm um mich, worauf ich mich an ihn lehnte, während Andy wirklich Cameron probierte zu erreichen. "Die von Ihnen gewünschte Rufnummer ist nicht vergeben." hörten wir es von einer automatischen Stimme. "Wie ist das möglich?" "Was hat er denn so schlimmes angestellt?" alle redeten sie durcheinander. Ich verstand sie ja, immerhin hatten wir alle die selben Fragen, aber nur Cameron konnte uns diese beantworten.

Was hatte Cameron angestellt? Das war wirklich eine sehr gute Frage. Das Einzige was ich mir vorstellen konnte, war die Sache, weswegen er mein signiertes Shirt kaputt gemacht hatte. Das war vor wenigen Monaten als ich ihn bei Mum und Markus verpetzt hatte, weil ich ihn am Strand mit einem Typen gesehen hatte. Damals hatte er noch mit Drogen gedealt, aber nach dem gescheitertem Plan von John war das doch alles geritzt. Was aber, wenn er wieder damit angefangen hatte? Wenn er wieder mit diesen Drogen dealte und deswegen in Schwierigkeiten steckte?

So musste es sein. Eine andere Erklärung für sein plötzliches Verschwinden konnte ich mir nicht vorstellen. Augenblicklich setzte ich mich wieder auf und hielt James sein Handy hin, welches ich immer noch in der Hand hatte. Dankend sah er mich an und nahm es. Augenrollend klatschte ich meine Hand gegen meine Stirn und deutete auf sein Handy. "Okay, kein Grund gleich so aggressiv zu werden." sagte er schmunzelnd, entsperrte es und hielt es mir wieder hin.

Ruf John an.

"Wieso sollte ich das machen? Chloe, wenn Cameron weg ist, kann auch er nichts machen." sagte James. Wütend sah ich ihn an. Wieso kapierte hier niemand, wie brenzlig die Situation war?

Es sind die Drogen, also ruf jetzt John an!

Mit Nachdruck hielt ich das Handy vor seine Nase. "Scheisse!" fluchte James angespannt, nahm mir das Handy ab und lief vom Strand runter. "Was ist los?" fragte Jeff verwirrt. Mit meiner Hand formte ich eine Pistole, die ich mir an die Schläfe hielt und abdrückte. "Er wird umgebracht?" schrie Lou fassungslos. Ohne ihn oder die anderen anzusehen, stand ich ebenfalls auf und humpelte zurück zum Haus. Mir hätte klar sein sollen, dass man diese Geste wohl auch falsch verstehen konnte, aber im Moment war mir das gerade völlig egal.

Es ging jetzt um Cameron und wie wir ihn finden und sicher nach Hause bringen konnten.

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