"Es regnet. Ich wollte eigentlich zur Bucht, aber das geht jetzt nicht." "Wir können auch hier im Wagen reden." aufmunternd sah mich James an. Wir sassen im Wagen vor der Bucht wo ich sonst immer hin ging um meine Ruhe zu haben. Eigentlich wollte ich da mit James reden, aber ich hatte nicht an das Wetter gedacht.
"Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da gab es eine Frau." fing ich an und sah durch die Frontscheibe zu den Bäumen. "Chloe." seufzend drehte sich James zu mir. "Nein, lass mich bitte weiter erzählen." auch ich drehte mich zu ihm und sah ihn flehend an. "Okay, erzähl weiter."
"Diese Frau hatte einen Mann. Sie war glücklich mit ihm und schon nach kurzer Zeit wuchs ihre Familie. Sie bekamen zwei Söhne, Shawn und Keith und sie waren so glücklich wie nie zuvor.
Die Jahre vergingen. Eigentlich könnte die Frau glücklich sein, aber nach und nach wurde sie unglücklicher in ihrer Familie. Anstatt ihre Familie aber zu verlassen, suchte sie sich einen anderen Mann. Sie fühlte sich wieder jung und geliebt und schon bald wurde sie wieder schwanger.
Natürlich konnte sie ihrem Mann gegenüber diese Schwangerschaft nicht verheimlichen und so musste sie ihm gestehen, dass sie all die Zeit ein Doppelleben führte. Ihr Mann war zwar am Boden zerstört, aber war auch gewillt ihr eine letzte Chance zu geben. Diese Chance hatte aber einen Haken. Sie musste ihr Kind bei dem leiblichen Vater zurück lassen, sobald sie es geboren hatte. Die Frau musste nicht lange nachdenken und nahm die neue Chance an. Sie gebärte das Kind, packte ihre sieben Sachen und verliess ihre Affäre und das neu geborene Mädchen.
Die Geschichte war da aber noch lange nicht zu Ende. Es vergingen sechzehn Jahre, bis die Frau ihren zwei Söhnen erzählte, dass sie noch eine Schwester hatten. Shawn und Keith machten sich sofort auf die Suche nach ihr. Sie hatten keine Anhaltspunkte, nur das sie Chloe hiess und in San Francisco lebte.
Chloe selber hatte es nie wirklich einfach, aber ihre schlimmste Zeit war als sie achtzehn Jahre alt war. In dem Jahr passierte viel zu viel. Sie erfuhr, dass ihre Mutter nicht ihre Mutter war, sondern sie nach ihrer Geburt adoptiert hatte und somit war ihr Bruder Cameron nur ihr Halbbruder.
Ihr neues Leben in Malibu war alles andere als einfach. Ihre anfangs beste Freundin wurde umgebracht durch jemanden, der ihr schaden wollte. Sie wurde rund um die Uhr bewacht, weil zwei Männer sie tot sehen wollte. Aber nicht einfach so, nein. Sie spielten mit ihr, mit ihren Gedanken und machten sie fertig wann und wo sie wollten.
Etwas gutes hatte dieses Jahr doch. Sie fand neue Freunde und nach und nach verliebte sie sich in ihren zukünftigen Stiefbruder James und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende."
Unsicher hob ich meinen Kopf und sah James an. "Verstehst du jetzt, wieso mir alles zu viel wird? In so wenigen Monaten ist so viel passiert, aber was das schlimmste ist...Collin hat recht. Ich bin ein egoistischer Mensch. Es geht immer nur um mich." kopfschüttelnd sah mich James an und nahm meine Hände in seine. "Chloe, du bist keineswegs egoistisch. Jeder normale Mensch würde dich verstehen, aber Collin ist im Moment nicht normal. Ich weiss als Freund sollte ich das nicht sagen, aber so ist es nunmal." "Aber wieso ist er dann so? Es kann doch nicht nur daran liegen, dass er gerade zu viele Gefühle auf einmal hat?" ich verstand es wirklich nicht. Eigentlich war doch Collin der egoistische von uns beiden. Es war so, als ob wir den Platz getauscht hatten.
"Er ist sich die Liebe nicht gewöhnt. Von seinen Eltern ist er immer nur alleine gelassen worden und spürte nie die Liebe, die wir beide von unseren Eltern bekommen haben. Das er jetzt mit Lou zusammen ist, ist etwas völlig neues für ihn." nachdenklich nickte ich. "Ich weiss nicht, ob es besser ist mit ihm zu reden oder ihn einfach in Ruhe zu lassen." "Ich kenne Collin schon mein ganzes Leben. Lass ihm etwas Zeit. So wie ich ihn kenne, wird er bald wieder runter kommen und dann kannst du mit ihm reden." James hatte recht. Ich wollte Collin nicht noch einmal wütend erleben. Das letzte Mal hatte er mir eine gescheuert. Das war mir Erfahrung genug.
"Regnet es morgen?" leicht verstörrt sah mich James an. Wahrscheinlich weil ich so abrupt das Thema wechselte. "Was?" "Naja, wenn es morgen nicht regnet, können wir doch alle an den Strand. Das haben wir schon zu lange nicht mehr gemacht. Einfach abschalten und die Zeit geniessen." lächelnd nickte er. "Ich finde das eine sehr gute Idee. Gehen wir zurück oder willst du mir noch etwas sagen?" nachdenklich runzelte ich meine Stirn.
"Ja, doch. Etwas gäbe es da noch." abwartend sah mich James an. "Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so angefahren habe. Ich weiss das du keine andere hast." lächelnd legte er seine Hand in meinen Nacken und zog mich langsam zu sich. "Ich liebe dich Chloe." flüsterte er und küsste mich auf meine Lippen. "Ich liebe dich." lächelnd löste ich mich von ihm. "Gehen wir?" fragte ich und fuhr los, nachdem James genickt hatte.
"Wo sind die Anderen?" fragte ich Cameron als ich mit James das Wohnzimmer betrat. "Jeff schmeisst heute eine Party und sie helfen ihm bei den Vorbereitungen." nicht das auch noch. Jeff betrank sich um Sofies Tod zu vergessen, aber das brachte doch nichts. Was mich an der ganzen Sache aber wütend machte war, dass es alle noch unterstützten. "Du verarscht mich doch oder?" fassungslos schüttelte ich meinen Kopf und sah zu James. "Wir können nichts machen." "Und ob wir etwas machen können." knurrte ich und lief in die Lobby
Ich wusste, dass ich die Party nicht verhindern konnte, aber ich konnte immerhin noch mit Jeff reden bevor er so betrunken war, dass er überhaupt nichts mehr mitbekam. "Wo gehst du hin?" seufzend drehte ich mich zu James um. "Wonach sieht es aus? Ich gehe und rede mit Jeff, so lange die Party noch nicht begonnen hat." "Soll ich dich hinfahren?" dankend sah ich ihn an. "Ist schon okay. Ich nehme Camerons Wagen. Ihr kommt nachher ja sowieso auch." lächelnd küsste ich James auf die Lippen, nahm Camerons Wagenschlüssel und verliess das Haus.
Ich verstand einfach nicht, wieso jeder es zuliess, dass Jeff sich fast jeden Tag die Kante gab. Es brachte ihm nicht nur nichts um Sofie zu vergessen, es war auf langer Sicht auch einfach nur ungesund. Am Ende würde er noch einen Leberschaden bekommen oder noch schlimmeres und ich würde das ganz sicher nicht zulassen.
Tief durchatmend drückte ich auf die Türklingel der O'Connors. "Kann mal jemand aufmachen?!" hörte ich Jeff schreien. Erschrocken zuckte ich zusammen als ich von innen ein Poltern hörte du drückte wieder auf die Klingel. Gleich darauf wurde die Tür von Collin aufgerissen. Ausdruckslos sah er mich an, drehte sich um und ging ins Wohnzimmer. Was für eine nette Begrüssung das doch war.
Kopfschüttelnd betrat ich das Haus und sah mich um. "Wer war das?" hörte ich Jeff von oben rufen. Sofort lief ich die Treppe nach oben und ging zu seinem Zimmer. Tatsächlich war er hier und zog gerade sein Shirt an. Wortlos betrat ich sein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Da ich wusste, dass er nicht mit mir reden wollte und würde, stellte ich mich vor die Tür um ihm so die Fluchtmöglichkeit zu verhindern.
Kaum schloss ich die Tür, drehte sich Jeff um und sah mich überrascht an. "Chloe, was machst du hier?" "Es wird Zeit zu reden." kopfschüttelnd steckte er sein Handy in die Hosentasche. "Wir haben nichts zu bereden." seufzend sah ich ihn an. "Sofie fehlt mir genau so wie dir, aber Jeff..." langsam ging ich auf ihn zu. "Es bringt nichts, wenn du dich immer betrinkst. Du musst den Schmerz zulassen, nur so kannst du ihren Tod verarbeiten.
Wieder schüttelte Jeff nur seinen Kopf und setzte sich auf sein Bett. "Ich kann nicht. Wenn ich das mache, werde ich sie vergessen und das möchte ich nicht." "Wie kommst du denn darauf?" ich kniete mich vor ihm auf den Boden. "Nichts auf der Welt kann die Erinnerungen an Sofie löschen. Sie wird immer bei dir sein und zwar genau da." sagte ich und tippte mit meinem Finger auf seine Brust.
"Ich mache dir einen Vorschlag." sagte ich und stand auf. "Heute machen wir noch Party, aber danach wirst du dich nie wieder betrinken um Sofie zu vergessen, okay?" einen Moment sah er mich an und nickte schliesslich. "Also, dann los." aufmunternd sah ich ihn an und ging zu seiner Tür. "Warte, können wir noch einen Moment hier bleiben und einfach reden?" lächelnd schloss ich seine Zimmertür wieder und setzte mich neben ihm aus das Bett. "Über was möchtest du denn reden?" "Über dich, Keith und Shawn."
Gott, hätte ich ihn doch nie gefragt.
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Silent girl
Teen FictionFür Chloe gibt es nichts wichtigeres im Leben als ihre Familie und das Surfen. Als ihre Mutter einen neuen Mann kennen lernt, muss sie mit ihrem Bruder nach Malibu ziehen. Für Chloe eigentlich keine grosse Sache, gäbe es da nicht ein Problem. Chloe...