"Also, was ist los?" seufzend sah ich aus dem Fenster. Jeff hatte mich eine geschlagene halbe Stunde in der Gegend herum gefahren, aber weil ich ihm kein Ziel nannte, hielt er schlussendlich wieder vor der Schule. Seit zehn Minuten sagte ich schon nichts und sah stur aus dem Fenster. Jeff hatte aber eine Erklärung verdient. Wenn er mich schon von der Schule wegbrachte und dorthin fuhr wo ich wollte, konnte ich ihm auch sagen was los war.
Wortlos zog ich den Umschlag aus meiner Hosentasche und gab ihn Jeff, ohne meinen Blick vom Fenster zu nehmen. Die Minuten verstrichen, bis Jeff vorsichtig meine Hand in seine nahm. "Cameron ist nicht mein Bruder." flüsterte ich. "Er war schon immer dein Bruder und wird es auch immer bleiben. Daran kann so ein Blatt nichts ändern." langsam drehte ich mich um und sah Jeff an. Irgendwie hatte er recht. Seit achtzehn Jahren war Cameron mein Bruder und auch wenn er nicht mit mir blutsverwandt war, würde er es immer bleiben. Wenn ich mir das so überlegte, war Cameron mein Adoptivbruder, wenn man dem denn so sagte.
Ich wollte gerade etwas sagen, als die Fahrertür aufging und Jeff aus dem Wagen gerissen wurde. "Willst du mich verarschen?" schrie jemand. Dieser Jemand kannte ich nur zu gut. Mit geweiteten Augen sah ich zu, wie Jeff auf dem Boden landete. Hektisch öffnete ich die Tür und stieg aus dem Wagen. Zeit um meine Krücken vom Rücksitz zu nehmen hatte ich keine. "Was fällt dir eigentlich ein?" brüllte James und schlug wieder auf Jeff ein. "James!" nur kurz hielt er in seiner Bewegung inne und sah zu mir, ehe er von Jeff abliess und zu seinem Wagen ging.
Ich war hier doch im falschen Film. Was war nur mit ihm los? "James, warte!" rief ich, doch er hörte nicht auf mich. Kopfschüttelnd sah ich kurz zu Jeff, der von Andy und Collin auf die Füsse geholfen wurde und humpelte zu James' Wagen. Es fiel mir unheimlich schwer überhaupt ohne Krücken zu gehen und dem entsprechend kam ich auch nur langsam vorwärts. "Verdammt nochmal Taylor! Bleib jetzt stehen!" schrie ich. Schmerzhaft verzog ich mein Gesicht und blieb mitten auf dem Parkplatz stehen.
"Ich mache das schon." sagte Collin als er an mir vorbei rannte. Gerade noch so hielt er James auf als er in seinen Wagen steigen wollte. Ich verstand nicht was sie sagten, aber es war mehr als offensichtlich, dass James wütend war. "Hier." nur kurz sah ich zu Lou und nahm meine Krücken, ehe ich wieder zu James und Collin sah. Verwirrt runzelte ich meine Stirn als James in seinen Wagen stieg und weg fuhr.
Kopfschüttelnd sah ihm Collin hinterher und kam zu uns zurück. "Er ist weg." nein, das hätte ich jetzt nie gedacht. "Was hat er gesagt?" fragte ich ihn. "Keine Ahnung. Er hat irgendetwas von Hand gehalten und ausspannen erzählt." das durfte jetzt doch nicht wahr sein. James hatte gesehen, wie Jeff meine Hand gehalten hatte, aber er hatte es völlig falsch gedeutet.
"Verdammt." stöhnend drehte ich mich um und ging zu Jeffs Wagen zurück. Mit geweiteten Augen sah ich Jeff an. Er hatte ein blaues Auge und seine Lippe war aufgeplatzt. "Es tut mir leid." schwach lächelnd sah er mich an. "Es geht schon wieder. Halb so wild." "Kann uns jetzt jemand sagen was das Ganze sollte?" fragte Cameron. "James denkt, dass Jeff etwas von mir möchte. Es tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen und das klarstellen." entschuldigend sah ich sie an und lief von ihnen weg.
"Chloe! Ich wohne mit dir in einem Haus." verwirrt sah ich Cameron an. "Steig in meinen Wagen." sagte er lachend. Ach so. Daran hatte ich jetzt gar nicht gedacht. Leicht verlegen lief ich zu seinem Wagen und setzte mich auf den Beifahrersitz. Keine Minute später stieg Cameron ein und fuhr los.
"Er denkt also, dass Jeff dich ausspannen will?" fragte Cameron nach einigen Minuten. Seufzend nickte ich. "Es ging mir eben nicht so gut und Jeff war halt gerade da. Erst sind wir etwas rumgefahren und schliesslich wieder auf dem Schulparkplatz zurück gekommen. Er hat es völlig falsch aufgefasst." sagte ich seufzend. "Wieso ging es dir nicht gut? Ist etwas passiert?" verdammt, ich wollte mit Cameron noch nicht darüber reden. Zuerst musste ich meine Gedanken sammeln. "Ich sage es dir noch, nur nicht jetzt. Versprochen." kurz sah mich Cameron an und nickte schliesslich. "Vergiss es nur nicht." sagte er. Als ob ich das könnte.
Erleichtert atmete ich aus als ich James' Wagen vor unserem Haus stehen sah und stieg aus. "Warte, ich öffne dir die Tür." dankend sah ich Cameron an und zog meine Schuhe im Flur aus. So schnell es mit meinen Krücken ging, lief ich die zwei Stockwerke nach oben und blieb einen Moment vor James' Zimmertür stehen. Ich wusste, dass er mir nicht öffnen würde und ging deshalb einfach rein.
Leise schloss ich die Tür und sah zu James, der auf dem Balkon stand und mir den Rücken zugedreht hatte. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf und lief zur Balkontür. Meine Krücken stellte ich links an die Wand und trat langsam raus. James ganze Körperhaltung war angespannt bis zum geht nicht mehr. Wieso dachte er auch, dass Jeff mich ihm ausspannen wollte? Er wusste doch ganz genau, dass er der einzige für mich war.
"James?" sofort drehte er sich zu mir um und sah mich wütend an. "Geh!" knurrte er und kam einen Schritt auf mich zu. "Nein, ich möchte das jetzt klären." gab ich stur von mir. "Chloe! Geh jetzt und vergnüg dich mit Jeff." er dachte doch tatsächlich, dass ich etwas von Jeff wollte. Humpelnd wich ich einen Schritt nach hinten als er wieder auf mich zu kam. Seine Augen schienen fast schwarz zu sein, so wütend war er.
"Ich habe nichts mit ihm und das möchte ich auch nicht." sagte ich ruhig. Tonlos lachte er auf. "Das sah eben noch ganz anders aus und jetzt geh!" schrie er mich an. "Verdammt James!" verzweifelt sah ich ihn an. "Du weisst ganz genau, dass ich niemand anderes als dich möchte. Wieso bist du so?" kopfschüttelnd humpelte ich wieder rein und nahm meine Krücken. James war noch nie eifersüchtig und jetzt sollte er es auf einmal sein? Ich hatte absolut keine Ahnung was mit ihm los war.
"Viel Spass mit Jeff." rief er mir hinterher als ich zur Tür ging. Jetzt reichte es mir. "James Taylor!" schrie ich und drehte mich zu ihm um. "Ich habe keine Ahnung was mit dir los ist, aber das bist nicht du! Ich sage es dir jetzt ein letztes Mal. Ich möchte nichts von Jeff und werde auch nie etwas von ihm oder von sonst einem anderen männlichen Wesen wollen. Ich liebe dich und niemand anderes und das wüsstest du, wenn du mir vertrauen würdest." ohne ihn nochmal anzusehen, lief ich aus seinem Zimmer und ging in meins.
Frustriert liess ich die Krücken auf den Boden fallen und setzte mich auf mein Bett. Ich hatte wirklich keine Ahnung was er jetzt auf einmal hatte. Mit geschlossenen Augen liess ich mich nach hinten auf mein Bett fallen. Gleich darauf hörte ich, wie meine Tür geöffnet und geschlossen wurde. "Es tut mir leid." er kam schneller angekrochen als ich dachte. Langsam setzte ich mich wieder auf und sah ihn an. "Wieso denkst du, dass ich etwas von ihm möchte?" "Heute ist einfach nicht mein Tag. Ich weiss, dass du mich nie betrügen würdest. Ich habe eure Position wohl einfach falsch aufgefasst. Es tut mir leid." seufzend klopfte ich auf mein
Bett. James verstand und setzte sich neben mich."Ist okay." kopfschüttelnd nahm er meine Hand in seine. "Ist es nicht. Ich habe Jeff verprügelt und dich angeschrien." "Was ist los? Sonst bist du doch auch nicht so." fragend sah ich ihn an und drehte mich auf die Seite. James ring mit sich, so als ob er nicht wusste, ob er es mir sagen sollte oder nicht.
Minuten vergingen, bis er tief durchatmete und mich ansah. "Heute ist der Todestag von Mom." leidend sah ich James an und umarmte ihn. "Es tut mir leid." flüsterte ich. Zögernd legte er seine Arme um mich und zog mich auf seinen Schoss. Langsam löste ich mich von ihm und sah ihn an. "Es tut mir leid." wiederholte ich mich und küsste ihn sanft.
Schwach lächelnld sah er mich an. "Tut es sehr weh?" fragte er mich. Lächelnd küsste ich ihn wieder und stand auf. "Das ist nicht wichtig. Jetzt kümmere ich mich um dich." verwirrt sah mich James an als ich meine Krücken nahm und zu meiner Zimmertür lief. "Mach es dir bequem. Ich komme gleich wieder." sagte ich und schloss die Tür hinter mir.
Seufzend lehnte ich mich im Flur an die Wand und schloss einen Moment meine Augen. Ich musste jetzt meine Gefühle an hinterste Stelle schieben. Jetzt ging es um James und nicht um mich. Irgendwann würde ich ihm und Cameron sagen was in dem Umschlag stand, aber nicht jetzt. Zuerst würde ich dafür Sorgen, dass James wenigstens noch einen einigermassen guten Tag hatte.
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Silent girl
Teen FictionFür Chloe gibt es nichts wichtigeres im Leben als ihre Familie und das Surfen. Als ihre Mutter einen neuen Mann kennen lernt, muss sie mit ihrem Bruder nach Malibu ziehen. Für Chloe eigentlich keine grosse Sache, gäbe es da nicht ein Problem. Chloe...