Kapitel 9 / Umarmung

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Luke und Kailyn. Luke wurde von meinem Stiefbruder an den Spind gepresst, er wehrte sich aber nicht.

„Du hast wohl alle Gehirnzellen verloren, wie konntest du sie schlagen? Wenn sie jetzt eine Gehirnerschütterung hat..." presste Kailyn hervor. Stopp, sie redeten über mich? Mir blieb die Spucke weg.

„Bruder, die Kleine hat nichts, mach dir keine Gedanken. Außerdem ist es ihre Schuld, wenn sie mich wegzuziehen versucht. Sie muss mal lernen, wie man sich uns gegenüber verhält." Gab Luke voller Verachtung zurück. Ich hätte ihm eine reinhauen können für diese Worte.

Kailyn hob Lukes Kopf an und ließ ihn dann mit voller Kraft gegen die Eisentür des Spinds schlagen. Ich konnte bereits das Blut an Lukes Hinterkopf sehen.

Wieso fing Kailyn jetzt auch noch an?! Verdammt, er würde am Ende auch noch der Schule verwiesen werden.

Luke schubste Kailyn zurück, doch mein lieber Stiefbruder war stärker als er und so hatte er ihn schnell wieder am Kragen gepackt und erneut seinen Kopf gegen den Spind gepfeffert.

Nein, so würde Luke noch bewusstlos werden. Auch, wenn er es verdient hätte, ich wollte nicht, dass Kailyn auch noch Probleme bekam.

„Kailyn!" rief ich und lief auf die beiden zu. Er sah mich mit einem erschrockenen, aber gleichzeitig besorgten Blick an. „Geh in deine Klasse, ich habe was zu klären!" befahl er.

Luke taumelte nach vorne, er war beinahe nicht mehr bei Bewusstsein. Ich krallte mich mit meinen Fingernägeln an Kailyns Arm fest und zog ihn mit.

„Willst du auch noch der Schule verwiesen werden, verdammt?" warf ich ihm im Gehen vor, er ließ sich schlussendlich von mir mitziehen.

„Er hatte es verdient." Verteidigte er sich und blieb stehen. Wir standen am menschenleeren Flur, wo Luke uns weder sehen, noch hören konnte.

Wofür hatte er es verdient? Wegen mir etwa? Kailyn hasste Jordan, also wieso sollte er ihn rächen? Hatte Kailyn sich gerade wegen mir mit einem seiner besten Freunde geprügelt?

„Kailyn, hast du das wegen mir getan?" fragte ich ungläubig, sah ihm aber genau in die Augen, damit er nicht lügen konnte. Er fuhr sich genervt durch die Haare, dann atmete er laut aus.

„Man schlägt keine Mädchen, das ist unter aller Sau." Gab er einfach als Antwort. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen. In diesem Moment war mein Kopf wie ausgeschaltet, ich folgte nur meinem Sinn.

„Lach nicht." Meinte er und verdrehte die Augen. „Danke." Murmelte ich und schloss ihn in die Arme.

Ja, tatsächlich. Ich legte meine Arme um seinen Oberkörper und meinen Kopf auf seine Brust. Zu meiner Überraschung folgten seine Arme und legten sich um meinen Hals, seinen Kopf stützte er auf meinem ab.

Mein Gehirn schaltete sich wieder ein und ich hatte das dringende Bedürfnis, duschen zu gehen. Also löste ich mich ein wenig peinlich berührt von meinem Brüderchen und murmelte: „Okay, jetzt fass mich wieder eine Woche nicht an, danke." Er lachte in sich hinein, doch ich sah, dass ihm die Situation auch unangenehm war.

„Willst du nach Hause?" fragte er und sah mich wieder an. Ich nickte. „Ich kann aber auch ein Taxi nehmen, du hast ja noch Schule." Kailyn fing an zu lachen. „Ich habe noch nie viel Wert auf Schule gelegt." Grinste er und ich folgte ihm zum Auto.

Die Fahrt verging ruhig, ich rief Jordan an, doch er hob nicht ab.Kurz bevor wir zu Hause ankamen, kam dann doch der Rückruf. „Hey, bist du okay?" fragte ich besorgt.

„Ja, alles gut. Ich habe eine schwere Gehirnerschütterung und meine Nase ist gebrochen, sonst ist alles okay. Ich muss aber noch drei Tage zur Beobachtung hierbleiben." Erzählte er. Ein Schauer rann meinen Rücken herunter, bei der Erinnerung an heute Morgen.

„Soll ich dich besuchen kommen?" fragte ich. „Ne, ich bin sowieso nicht lange hier, außerdem denke ich nicht, dass Kailyn dich ins Krankenhaus fahren würde." Lachte mein bester Freund.

„Er sagt mir doch nicht, was ich zu tun hab, Jordan. Wenn du sagst, ich soll kommen, dann komme ich." Ich lächelte. „Ne, lass mal. Wir sehen uns dann, wenn ich wieder draußen bin." Meinte er freundlich und ich verabschiedete mich.

Wenn du sagst, ich soll kommen, dann komme ich." Imitierte Kailyn mich mit einem genervten Gesichtsausdruck. Als ich mich nicht auf seine Provokation einließ, sprach er weiter.

„Ist der Typ so gut im Bett? Oder was hat er, dass du ihm nachläufst, wie wenn du magnetisch von ihm angezogen werden würdest?" er sah mich provokant an.

Das war ja wohl die Höhe. „Ich habe nichts mit ihm, wann checkst du das endlich? Er ist mein bester Freund, natürlich besuche ich ihn, wenn er im Krankenhaus liegt, nebenbei nur wegen deinem besten Freund!" fauchte ich ihn an, er war unmöglich.

„Du gibst mir die Schuld dafür? Wenn der Lappen sich nicht verteidigen kann, ist das weder meine, noch Lukes Schuld." Sagte er das gerade wirklich? Ich bereute meine Umarmung von zuvor schon wieder, denn er zeigte mir wieder mal, wie sehr ich ihn hasste.

„Ist das dein verdammter Ernst?!" schrie ich ihn an, ich war auf 180. „Nur, weil dein scheiß verfickter Freund auf meinen losgehen muss und Jordan eben kein Schlägertyp ist, liegt Jordan jetzt mit einer schweren Gehirnerschütterung und einer gebrochenen Nase im Krankenhaus! Verteidigst du Luke jetzt auch noch?!" ich sah ihn wütend wie nie an.

„Beruhig dich mal. Ich sag ja nur, dass er sich verteidigen hätte sollen, kein Wunder, dass Luke ihn verprügelt, wenn er nur dumm daliegt wie ein kleiner Hundewelpe. Und dann bringt er auch noch dich dazu, einzuschreiten und dich zu verletzten. Toller bester Freund, wirklich!" Kailyn schlug mit der Hand aufs Lenkrad.

„Er ist eben kein Schlägertyp, außerdem hat er sich gewehrt. Er hat Luke geboxt, nur eben nicht so oft wie Luke ihn."

"Und er hat mich nicht um Hilfe gerufen, ich bin einfach nur eingeschritten, weil alle anderen nur dumm zugesehen haben, wenn Luke mich nicht geschlagen und gestoßen hätte, wäre das nie passiert, Luke trägt die Schuld!" beharrte ich und starrte eiskalt aus dem Fenster.

„Du bist die hohlste Fritte, die es überhaupt gibt. Schau doch mal, wozu Jordan dich bringt. Du hast dich beinahe an einer Schlägerei beteiligt, nur, weil der Lappen sich nicht selbst verteidigen konnte. Luke hat eben ein hohes Aggressionspotential, na und? Dann muss man ihm eben aus dem Weg gehen!" er warf mir einen wütenden Blick zu.

Nein, jetzt reichte es mir. Er wies alle Schuld von Luke, hatte er ihn doch nur Minuten zuvor noch geschlagen, weil er mir wehgetan hatte.

„Bleib stehen." Forderte ich in einem ruhigen, aber bedrohlichen Ton. „Was?" Kailyns Stimme war wieder ruhig. „Bleib stehen, ich will aussteigen." – „Spinnst du total?" – „Kailyn, ich sag's nicht nochmal. Mit jemandem wie dir, der Leute verteidigt, die andere krankenhausreif schlagen, will ich nicht mitfahren."

„Bist du bescheuert, wir sind am Freeway!" schrie er zurück. „Ist mir egal, bleib stehen!" forderte ich erneut, ich war wirklich wütend. „Wir sind gleich zu Hause." Er atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. „Ich will aber jetzt aussteigen!" protestierte ich.

Kailyn legte kurzerhand seine Hand auf meinen Oberschenkel und zwickte leicht hinein. „Es tut mir leid, okay?" er sah zu mir.

„Was tut dir leid?" ich verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. „Sky, ich habe mich entschuldigt, jetzt zieh die Sache nicht noch länger, als sie sowieso schon ist." Meinte er genervt. „Du entschuldigst dich, aber weißt nicht mal, wofür?" ich verdrehte die Augen.

„Kannst du mal aufhören mit deiner kindischen Scheiße? Ich bringe dich gerade nach Hause und schwänze für dich die Schule und alles was du tust, ist mich anzumeckern?" er schlug gegen das Lenkrad.

Ich ließ ein tiefes Atmen aus, doch da ich wusste, dass es keinen Sinn machte, mit Kailyn zu streiten, beließ ich es einfach dabei.

Verlass mich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt