„Hey..." flüsterte ich und setzte mich neben ihn. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und sah ihn von der Seite an.
„Ich habe dir einen Teil meiner Geschichte erzählt, also erzähl du mir, was mit dir los ist." Lächelte ich friedlich.
Irgendwas hatte er und da er mir am Nachmittag so gut zugehört hatte, würde ich nun das gleiche für ihn tun. Er richtete seinen Blick auf und sah mich an. Seine Augen waren geschwollen, fast als wenn er geweint hätte.
„Du weißt ja, dass mein Dad Mum betrogen hat. Aber was sie erzählt, ist nicht alles. Weil sie nicht alles weiß."
"Ich habe ihn erwischt, immer wieder. Insgesamt hat er sie mit acht verschiedenen Frauen betrogen, aber sie weiß nur von einer. Ich habe ihn immer gedeckt, ihr nie was davon erzählt.Ich wollte nicht, dass sie so sehr verletzt wurde. Ich wollte nicht, dass die Familie auseinanderbricht."
"Bei der achten Frau schließlich, hat sie ihn selber erwischt. Sie hat ihn aus dem Haus geworfen und die Scheidung eingereicht. Er hat überhaupt keine Reue gezeigt, ist einfach gegangen. Er hat sich auch nicht verabschiedet oder sonst was..." begann er mit zittriger Stimme.
Was? Er hatte also ein wenig wie ich gehandelt, damals mit Mum. Er hatte den Fehler eines Menschen verschwiegen, nur um diesen Menschen zu decken. Weil er ihn liebte. Und um einen anderen Mensch, den er liebte, nicht zu verletzen.
Ich war erstaunt, denn Kailyn gab sich immer so kalt und herzlos. Vielleicht waren wir uns doch ähnlicher, als ich gedacht hatte.
„Mum hat dir von Abigail erzählt. Ich habe sie geliebt, wirklich. Sie war alles für mich. Aber eines nachts habe ich mich betrunken, wirklich stark betrunken. Ein Ding führte zum anderen und... ich habe sie betrogen. Obwohl ich sie so sehr geliebt habe, habe ich sie betrogen. Wie mein Vater. Ich bin wie er." Er sah auf seine Hände und kaute auf seiner Lippe rum
"Ich kann nicht lieben, ich kann keine Beziehungen führen. Ich bin nur mit Nancy ausgegangen, um mir zu beweisen, dass ich es doch kann. Dass ich mehrere Monate nur mit einem Mädchen zusammen sein kann. Sie war nur ein Mittel zum Zweck." Er schluckte.
„Aber ich konnte es nicht. Als sie mir gestern gesagt hat, dass sie bis zu ihrer Hochzeit Jungfrau bleiben will, bin ich abgehauen. Ich war bei Aileen und hab sie gefickt. Weil ich Angst hatte. Ich hatte Angst, dass ich Nancy auch betrügen würde, wenn sie mir nicht das geben konnte, was für mich eben auch dazu gehörte."
Ich strich beruhigend über Kailyns Rücken, es fiel ihm schwer, zu reden. Und ich wusste, dass er niemandem davon erzählt hatte. Es zog in meiner Brust, bei seinem Anblick.
Wie der Kailyn, der sonst immer so stark und unerreichbar war, auf einmal wie ein Häufchen Elend dasaß und sich mir anvertraute.
„Ich bin ein schrecklicher Mensch, Sky. Ich bin wie er. Egal, wie wichtig mir jemand ist, ich habe eine chronische Veranlagung, es zu zerstören. Ich kann nicht lieben, ich verletze sogar die Menschen, die mir am meisten am Herzen liegen." Flüsterte er.
"Ich habe einmal geliebt und das habe ich zerstört. Ich habe mich damit abgefunden, dass Beziehungen einfach nichts für mich sind. Selbst wenn ich es versuche, ich kann nicht lieben. Ich kann keine Menschen glücklich machen."
Es versetzte mir einen Stich in die Magengrube, zu hören wie er über sich selber dachte. „Kailyn, nein." Murmelte ich und sah ihm in die Augen. Seine Augen waren leer, als hätte ihm jemand das Leben aus den Adern gezogen.
„Wenn du es übers Herz bringst, sie zu betrügen, dann liebst du sie nicht genug. Du denkst, du hast Abigail geliebt, aber anscheinend war es nicht genug. Denn wenn du sie wirklich liebst, mit allem was du hast, dann kannst du ihr nicht wehtun. Dann zerstört es dich schon, auch nur zu sehen, wie sie Schmerzen hat. Ich weiß, du denkst, dass sie deine große Liebe war, aber das ist nur, weil du nichts Anderes kennst." Er sah mich aufmerksam an.
"Eines Tages wirst du einem Mädchen begegnen, bei dem alles anders ist. Du wirst ständig nur an sie denken und alleine der Gedanke, sie verlieren zu können, wird dich zerstören. Ihr Lachen wird dir all die Hoffnung zurückgeben und in einem Raum voller Leute wird sie die einzige sein, die du siehst." Ich lächelte ihn an.
Kailyns Blick wurde neutral, er dachte nach. „Wenn du die richtige gefunden hast, wirst du nicht mal daran denken können, eine andere zu vögeln. Denn sie wird genug sein und auch du wirst für sie genug sein."
"Du bist kein schrecklicher Mensch, Kailyn. Du bist einfach ein Mensch, der viel zu hart an sich selber ist. Du denkst zu viel nach, anstatt einfach zu leben. Du hast viel zu viel Angst, dass irgendwas passieren könnte, anstatt dass du einfach tust, was du willst. Und glaub mir, wenn die richtige kommt, wird der Gedanke in dir nicht mal mehr aufkommen. Du musst nur warten."
Kailyn sah nachdenklich auf seine Hände, dann hob er den Kopf und betrachtete mich musternd. „Denkst du, du wirst jemanden jemals wieder so lieben wie diesen Isaac?" fragte er dann leise.
Ich presste die Lippen aufeinander, dann sah ich in den schwarzen Nachthimmel. „Weißt du, wenn ich den Falschen so sehr lieben konnte, will ich gar nicht wissen, wie sehr ich den Richtigen lieben werde." Lächelte ich dann.
Wir gingen wieder ins Hotel und Kailyn meinte, er würde schlafen gehen, da er müde war. Doch wahrscheinlich war es ihm nur unangenehm, mir nach so einem tiefgründigen Gespräch noch in die Augen zu sehen.
„Danke, Sky." Er sah zu Boden, als sich unsere Wege trennten. „Keine Ursache." Meinte ich lächelnd und setzte meinen Weg ins Restaurant fort.
„Kailyn ist ein wenig übel geworden, er ist schlafen gegangen." Erklärte ich, sobald ich mich an den Tisch setzte und die anderen mich mit interessierten Blicken auffraßen.
„Soll ich nach ihm sehen?" fragte Erica besorgt. Ich schüttelte den Kopf und meinte, er brauche nur ein wenig Schlaf.
Die anderen aßen fertig und ich saß wie ein dummes Schaf daneben und sah zu, da ich hohle Fritte ja gemeint hatte, ich hätte keinen Hunger. Wir unterhielten uns noch gut über die Beförderung zur Abteilungsleiterin, die Erica bekommen würde und stießen dann darauf an.
Gegen Mitternacht gingen wir dann allesamt ins Bett, ich jedoch mit knurrendem Magen.
Ich wollte mich jedoch nicht wieder runter schleichen und etwas an der Bar bestellen, da ich Aiden die peinliche Situation zuvor nicht erklären wollte und so machte ich mich bettfertig und wälzte mich dann bis drei Uhr nachts im Bett herum, bis ich endlich einschlief.
Ich dachte über Kailyn nach und dass er mir vielleicht doch ein wenig ähnlich war. Er war auch verletzt worden und stand seinem Glück irgendwie nur selbst im Weg, genau wie ich.
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Verlass mich nicht
Teen Fiction-- „Wieso, Kailyn? Wieso?! Wieso verabschiedest du dich von mir, obwohl du weißt, dass wir uns wiedersehen werden?! Wieso sagst du mir, ich soll dich vergessen? Wieso lässt du mich alleine, nur weil ich in Gefahr sein könnte?!" ich hatte Tränen in d...