Kapitel 26 / Bereust du es?

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Mein Wecker läutete und ich verfluchte es, dass heute erst Donnerstag war und ich somit heute Schule hatte. Die Sonnenstrahlen stachen mir ins Auge.

Und da bemerkte ich es. Ein starker Arm um meine Taille geschlungen. Mein nackter Rücken wurde an eine harte Brust gedrückt. Kailyn.

Die Bilder der letzten Nacht schossen mir durch den Kopf. Sein Stöhnen, seine Küsse an meinem Hals. Ich hatte mit meinem Stiefbruder geschlafen.

Es fühlte sich gut an. So sicher, so richtig irgendwie. Ich bereute es nicht, ich genoss es, in seinem Arm zu liegen. Zu wissen, dass er die ganze Nacht bei mir gewesen war und nichts wichtiger für ihn gewesen war.

Doch da fielen mir unsere Eltern ein. Wenn sie uns erwischten, dann... waren wir geliefert. Also nahm ich seinen Arm, hob ihn hoch und krabbelte unter ihm heraus.

Zu meiner Überraschung bemerkte er nichts und schlief weiter. Ich sah ihn kurz an, wie er so friedlich schlief. Seine markanten Wangenknochen, die verwuschelten Haare. Er sah wirklich perfekt aus.

Schnell zog ich mir meine Unterwäsche an und wendete mich dann wieder an ihn.

„Kailyn." Flüsterte ich und strich mit der Hand über seine Wange. Langsam öffnete er die Augen, sah mich verschlafen an. „Morgen." Raunte er mit tiefer, heiserer Stimme. Meine Nackenhaare stellten sich auf, verdammt hörte sich diese Morgenstimme gut an.

„Steh auf, wir müssen zur Schule." Grinste ich und stand nun endgültig auf.

Zu meiner Erleichterung setzte mein Stiefbruder sich auf und blinzelte ein paar Mal, womöglich fielen ihm die Geschehnisse von gestern Nacht wieder ein.

Ich stolperte ins Bad, wo ich vor meinem Spiegelbild erschrak. Ich hatte rote Wangen und meine Augen glänzten.

Dafür waren meine Haare ein einziges Chaos und ich entdeckte einen Knutschfleck an meinem Hals und einen an meinem Schlüsselbein.

Verdammt, verdammt, verdammt! Wie sollte ich das denn unseren Eltern und Liz erklären?

Ich würde niemandem davon erzählen, schließlich waren Kailyn und ich eigentlich fast Geschwister und Dad und Erica würden uns umbringen.

Schnell duschte ich, band meine Haare zu einem unordentlichen Dutt und putzte meine Zähne. Ich machte mich mit meinem Makeup an den Knutschfleck am Hals und arbeitete eine Viertelstunde, bis ich dreizehn Schichten aufgetragen hatte und man die violett-rote Stelle nicht mehr sehen konnte.

Kurz musste ich lächeln, bei der Erinnerung, wie ich Kailyn am Freitag geholfen hatte, seinen zu verdecken.

Ich zog eine schwarze Jeans mit Löchern und einen grauen, dünnen Sweater an, den ich vorne in die Hose steckte. Er war beinahe gar nicht ausgeschnitten und deckte so den Fleck an meinem Schlüsselbein ab. Schnell schminkte ich mich noch ein wenig und schon war ich fertig.

Ich wollte Kailyn um jeden Preis aus dem Weg gehen, denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und so lief ich gleich runter in die Küche.

„Morgen." Lächelte ich Erica an, die mir wie immer schon meinen Kaffee unter die Nase stellte. „Morgen, geht's dir gut? Du bist gestern so schnell abgehauen...?" fragte sie freundlich und setzte sich zu mir an den Tisch.

„Ja, ich hatte nur ein wenig Kopfschmerzen und sowas. Aber jetzt ist alles wieder gut."

Kailyn kam die Treppen nur mit einer Jeans bekleidet runter. Er machte das selten, aber heute war ich mir sicher, dass er es tat, um mich heiß zu machen.

Ich ignorierte seine Muskeln und die Bilder, die in meinen Kopf kamen, und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.

„Morgen." Rief er gut gelaunt in den Raum. „Gut geschlafen?" fragte Erica ihn. „Ausgezeichnet." Grinste er und sah mich an.

Ich hätte ihm eine runterhauen können für diesen Spruch. Doch als er sich umdrehte um sich einen Kaffee zu machen, blieb mir die Spucke weg.

Sein ganzer Rücken war voll mit roten Striemen, die meine Nägel hinterlassen hatten. Hatte ich mich etwa so sehr an ihm festgekrallt? Ich schluckte und sah unschuldig in meinen Kaffee.

Erica jedoch konnte ihr Kichern nicht zurückhalten. „Muss ja eine wilde Nacht gewesen sein." Presste sie hervor, wobei sie versuchte, ihr Lachen zurückzuhalten.

„Was?" Kailyn drehte sich um und sah mich überrascht an. „D-Dein... Rücken ist ganz... zerkratzt." Erklärte ich, wie wenn ich nichts davon wissen würde.

Erica wendete sich grinsend ihrer Zeitung zu, sodass Kailyn mich breit angrinste, sich aber ein Lachen verkniff. Ich sah ihn böse an, was ihn dazu bewegte, sich provokant neben mich zu setzen.

Da kam auch schon Elle die Stiege runter und fing munter an, mit Erica über die gestrige Vernissage zu plaudern.

„Danke für die Markierung." Flüsterte Kailyn mir zu und grinste dreckig. Ich verdrehte nur die Augen und sah in meine Tasse.

So lang, bis ich spürte, wie Kailyns Hand auf meinem Oberschenkel rauf wanderte. Ich legte meine Hand auf seine und schubste sie runter. Mit einem energischen Blick meinerseits grinste er, ließ es aber sein.

Ich bereute diese Nacht nicht, keineswegs. Aber ich wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte.

Wir konnten nicht tun, als wäre nie was gewesen, aber am Ende war es doch nur ein Ausrutscher, weil wir beide untervögelt gewesen waren. Das glaubte ich zumindest.

Ich packte meine Schulsachen zusammen, weil Kailyn drängelte, er wolle losfahren. Wir stiegen also ins Auto, ich mit einem unwohlen Gefühl, er mit einem Grinsen.

Zu meinem Glück blieb er den Großteil der Fahrt ruhig, ich wusste nämlich auch nicht, was ich sagen sollte. „Wir reden also nicht darüber...?" er warf mir einen zweifelnden Blick zu.

„Nein, tun wir nicht." Antwortete ich knapp. Ich sah weiterhin konzentriert auf die Straße, auch wenn ich ihn am liebsten an mich gezogen und geküsst hätte.

„Bereust du es?" fragte er dann etwas leiser, hielt seinen Blick aber auf der Straße. „Was?! Nein!" Das war vielleicht ein wenig zu schnell gewesen, denn auf seinen Lippen breitete sich ein Grinsen aus.

Ich stöhnte auf, verdrehte die Augen und lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe. „Das war aber ein anderes Stöhnen als gestern Nacht." Zog er mich lachend auf, wofür er einen Klaps auf den Hinterkopf von mir bekam.

„Hey! Willst du, dass ich einen Unfall baue?" rief er empört, schnappte die Hand, mit der ich ihn ‚geschlagen' hatte und hielt sie in der Luft.

„Lass mich los, du Troll." Lachte ich und entzog ihm meine Hand. Er verdrehte die Augen, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Verkehr.

Sobald wir am Schulparkplatz ankamen, sah ich Nancy mit irgendeinem Typen knutschen, ich schätzte mal, es war der, mit dem sie auch geschlafen hatte.

Mein Blick wanderte zu Kailyn, der seine Augen zu Schlitzen geformt hatte. „Kleine Schlampe." Entfuhr es ihm da. Ich grinste ein wenig, da sein Ego einen Tritt erhalten hatte, den es wirklich verdient hatte.

„Na dann, genau dein Beuteschema, oder?" lachte ich und wollte aussteigen. „Du hast dich gerade selber als Schlampe bezeichnet, du hohle Fritte." Lachte er, sah mir aber direkt in die Augen.

„Sei still." Warf ich noch ins Auto, dann lief ich in Richtung Eingang.

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Für alle, die gedacht haben, die beiden würden jetzt zusammen kommen: Nopeeee :D

Bis zum nächsten Mal! xx

Verlass mich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt