Kapitel 32 / Suchaktion

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Sobald wir bei der Schule angekommen waren, sprang ich aus dem Auto, rannte hinter das Gebäude und rief meinen Stiefbruder an.

„Was, vermisst du mich schon?" war seine Begrüßung. „Kailyn, du darfst es nicht tun." Sagte ich mit ernster Stimme.

„Wovon redest du?" fragte er verwirrt. „Der Deal. Du darfst nicht wieder für Ryder arbeiten. Er wird dich wieder da reinziehen und dann kommst du diesmal wirklich nicht mehr raus..." warnte ich, meine Stimme war voller Sorge, was ich leider nicht bekämpfen konnte.

Ein lauter Seufzer am anderen Ende der Leitung. „Gut." Hörte ich ihn sagen.

„Gut?" – „Ja, gut. Ich werd's nicht machen." „Versprich es." „Gut, versprochen."

Ich lächelte erleichtert und legte auch schon wieder auf.

Der Tag verging schleppend, Jordan ignorierte mich die ganze Zeit über und Liz hatte wiedermal nur Augen für Ronny, also konnte ich auch bei ihr meine Sorge nicht auslassen.

Klar, Kailyn hatte mir versprochen, nichts zu tun, aber ich hatte das Gefühl, er würde mir etwas verschweigen.

Ich fuhr mit dem Bus nach Hause, was mich wahnsinnig werden ließ. Ich hatte eine wahre Phobie; mir wurde schlecht und schwindelig, ich konnte nur stoßartig atmen und ich begann, zu schwitzen.

Schlussendlich hatte ich es aber doch geschafft und kam heil zu Hause an. Erica stand wiedermal mit einem breiten Lächeln am Herd, sie liebte es, zu kochen.

„Na, wie war dein Tag?" fragte sie. „Gut gut, ist Kailyn da?" fragte ich so unauffällig wie möglich.

„Nein, er ist vor einer Stunde gegangen. Ihm ging es heute ja nicht so gut und er meinte, er müsse zum Arzt." Erklärte Erica sorglos.

Verdammt! Von wegen Arzt, er war bestimmt bei Ryder. In mir breitete sich ein flaues Gefühl aus, ich spürte beinahe, dass er Scheiße bauen würde.

„Verdammt!" rief ich unwillkürlich aus, weshalb Erica mich irritiert ansah. „Ich... muss nochmal weg." Erklärte ich kurz, lief in den Flur, schnappte mir Dads Autoschlüssel und war schon aus der Tür.

Erica kam mir panisch nach, doch ich durfte keine Zeit verlieren. Auch, wenn ich keinen Führerschein hatte, ich konnte Autofahren. Ich hatte nur keine Lust gehabt, die Prüfung abzulegen.

Also sprang ich in den schwarzen Wagen, verriegelte die Türen und startete ihn.

Ich fuhr unbeirrt an der panisch winkenden Erica vorbei aus der Einfahrt. Was auch immer in diesem Moment mit mir los war, ich musste Kailyn davon abhalten, wieder für Ryder zu dealen.

Während ich den Weg aus der Stadt in Richtung Ryders Wohnung fuhr, den ich mir Gott sei Dank gemerkt hatte, versuchte ich viermal vergeblich, mein Brüderchen anzurufen.

Er drückte mich schon beim zweiten Klingeln weg, so ein Idiot! Wütend schmiss ich das Handy in die Mittelkonsole und konzentrierte mich auf den Verkehr.

Mich durfte nur keine Polizeistreife sehen, sonst wäre ich geliefert gewesen.

Mein Handy klingelte ständig, da Erica mich anrief, doch ich drückte sie weg. Auch, wenn es ihr gegenüber nicht fair war, ich hatte gerade andere Probleme.

Schon bald kam ich an dem Parkplatz an, an dem wir zwei Tage zuvor geparkt hatten. Ich schloss das Auto ab und lief so schnell es ging auf das heruntergekommene Wohnhaus zu.

„Ryder?!" schrie ich wütend ins Treppenhaus, sobald ich die – zu meiner Überraschung offene – Haustür aufgestoßen hatte. Man hörte eine Weile nichts, dann Schritte auf der Treppe.

„Du! Schätzchen, was verschafft mir die Ehre?" flötete er und das dreckige Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Wo ist Kailyn?" fragte ich energisch und blickt ihm kalt ins Gesicht.

„Na hör mal, bin ich sein Aufpasser oder was?! Woher soll ich das denn wissen?!" der tätowierte Muskelprotz schüttelte verständnislos den Kopf.

„War er hier?!" fragte ich leicht panisch, meine Hände zitterten bereits. „Am Morgen, ja. Aber das ist schon Stunden her." Informierte Ryder mich.

„Wo ist er hingefahren?!" meine Stimme war schrill und laut, so äußerte sich meine Panik. „Bin ich ein GPS-Peilsender oder was?" schoss der Drogenboss zurück.

Ich seufzte auf, atmete tief durch und biss mir dann auf die Lippe. „Hat er den Deal angenommen?" fragte ich dann etwas ruhiger.

Kurz sah mich Ryder überrascht an, dann schüttelte er den Kopf. „Noch nicht." Meinte er nur verschwörerisch.

„Er wird es auch nicht tun!" widersprach ich, meine Stimme wieder voller Panik und Sorge.

„Ach, Schätzchen. Du kennst Kailyn nicht, er wird es tun." Mit diesen Worten drehte Ryder sich um und ging wieder in den ersten Stock.

Ich schmiss die Tür hinter mir zu und stieg wieder ins Auto. Frustriert ließ ich meinen Kopf aufs Lenkrad sinken und sah auf mein Handy.

Kein Anruf von Kailyn, dafür aber vierzehn von Erica. Verdammt, machte die sich Sorgen.

Ich hatte keine Ahnung, wo Kailyn sein konnte, also beschloss ich, Luke anzurufen. Ja, ich schraubte meinen Stolz hinunter und wählte seine Nummer.

„Sky?" seine Stimme war überrascht.

„Hör zu, es geht um Kailyn. Du musst mir sagen, wo er immer hingeht, wenn er sich besaufen will. Gibt es eine Bar oder irgend sowas?" ich sprach gehetzt und musste mich bemühen, Luke nicht anzuschreien.

„Ähm, also..." er überlegte anscheinend. „Naja, da gibt es mehrere." Meinte er dann, sagte mir sogleich auch vier verschiedene Bars in der Innenstadt, in denen Kailyn sich gerne aufhielt.

Ich nahm an, dass mein Brüderchen sich betrinken wollte, denn er musste ziemlich aufgewühlt sein, nach einem Besuch bei Ryder. Und Stress bewältigte er meistens mit Alkohol, so war es nun mal.

Ich schrieb mir die Adressen auf und bedankte mich dann bei Luke.

Noch bevor er fragen konnte, weshalb ich Kailyn suchte, legte ich auf. Ich fuhr sogleich los und hoffte nur inständig, ihn bald zu finden.

Nach einer Dreiviertelstunde durch den Nachmittagsverkehr war ich endlich an der ersten Adresse angekommen. Ich parkte am Straßenrand und lief dann in die heruntergekommene Bar.

Nur ein altes Ehepaar saß an einem Tisch und kippte zusammen Whisky runter, sonst war alles leer.

Ich stieg wieder ins Auto und fuhr in Richtung zweiter Adresse.

Da ich nicht von den Cops erwischt werden durfte, musste ich jedes Tempolimit einhalten und so dauerte es mich eine weitere halbe Stunde bis zur zweiten Bar, wieder eine Fehlanzeige.

Als ich wieder ins Auto stieg, war ich kurz davor, aufzugeben, aber ich hatte das drängende Gefühl, es würde Kailyn nicht gut gehen.

Und da er in den letzten Tagen immer für mich da gewesen war, entschied ich, es auch für ihn zu sein.

Ich startete den Motor also wieder, checkte nochmal mein Handy, und fuhr dann los. Erica und auch mein Dad hatten mich wieder angerufen, doch das ignorierte ich.

Ich kämpfte mich durch das Industrieviertel bis zum Hafen. Dort lag diedritte Adresse, die Luke mir gegeben hatte.

Es war bereits fünf Uhr abends und somit dämmerte es auch schon ein wenig. Wieder parkte ich den Wagen amStraßenrand und rannte in die Bar.

Ich verschaffte mir einen Überblick, überalljunge Männer und auch einige Frauen, die meisten aßen einen Snack oder trankenein Glas Wein.

Und da sah ich es.

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Sind das nur Skys Geschwistergefühle oder meldet sich da vielleicht ein bisschen Sorge?

Bis zum nächsten Mal! xx

Verlass mich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt