Kapitel 43 / Gedanken

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Riley war spurlos verschwunden, Jordan sah uns verdattert an und der andere Junge war mit irgendeinem Mädchen abgehauen.

„Komm, wir suchen dir jetzt wen." Hakte ich mich bei Liz unter und quetschte mich mit ihr durch die Menge, um einen passenden Jungen zu finden, da mit Ronny ja wiedermal Funkstille war.

„Eher One Night Stand oder was Festes?" fragte ich kurz über meine Schulter hinweg.

„One Night Stand." Grinste sie und deutete mit dem Kopf auf einen blonden Typen am Rand der Tanzfläche.

Eine Weile beobachteten wir ihn, als er aber nur in der Gegend rumguckte und mit dem Barkeeper sprach, entschlossen wir, dass er alleine hier sein musste.

Ich gab Liz noch ein paar Tipps, richtete ihr Outfit nochmal zurecht und schickte sie dann los.

Sie versprach mir, mir zu schreiben, falls sie nicht mit ihm nach Hause gehen würde und schon war sie weg.

Ich stellte mich wieder zu Jordan und erzählte ihm, Liz hätte einen kurzen Heulanfall bekommen, weil sie noch so an Ronny hing, und dass wir deshalb zuvor draußen gewesen waren. Sorry, Liz.

„Wie geht's dir eigentlich? Irgendwelche Typen in Aussicht?" grinste Jordan, während er mir eine Wodka Cola in die Hand drückte.

„Nicht wirklich, ich hab aber auch keinen Bedarf zurzeit." Log ich, denn das mit Kailyn und mir musste geheim bleiben.

„Kailyn würde es dir ja auch nicht erlauben" schnaufte Jordan abwertend, doch setzte dann ein Lachen hinten dran. Was sollte das denn heißen?!

„Na, ich meine, er hat in den letzten Wochen jeden Typen von dir ferngehalten. Ich hab gehört, wie er mit diesem Marcus geredet hat, den du zu dieser Vernissage eingeladen hattest."

Beinahe hätte ich meinen Becher ausgeschüttet, Kailyn hatte was getan?! „Was hast du gehört?" fragte ich mit rasender Stimme.

„Ich hab nicht alles gehört, aber was ich gehört hab, war, dass er ihm gedroht hat, er soll dich nie wieder ansprechen und schon gar nicht anfassen, sonst bekomme er es mit ihm zu tun."

Ein kleines Schmunzeln lief über meine Lippen. Auch, wenn er kein Recht gehabt hatte, zu bestimmen, wer mit mir redete und wer nicht, war es verdammt süß von ihm gewesen.

„Warum lächelst du? Sky, was verheimlichst du? Läuft da was mit Kailyn?" er zog eine Augenbraue hoch und guckte mich gespannt an.

Gespielt lachte ich auf, was mir sogar ziemlich gut gelang.

„Nein, mit dem schon gar nicht. Er ist einfach besitzergreifend, wie du schon gesagt hast, er ist meine Familie und ich seine."

Ich dachte kurz an das, was Kailyn mir zuvor gestanden hatte und mir wurde sofort warm ums Herz.

Ich war also wirklich mit Kailyn O'Neill zusammen. Der heißeste Typ der Schule, auf den alle Mädchen standen.

Alle wollten sie was von ihm und sprangen ihm förmlich an den Hals, doch zu ihnen war er eiskalt, nutzte sie nur aus.

Und ich? Ich war die, der er vertraute. Auf die er sich verließ, die ihm was bedeutete. Die, neben der er die ganze Nacht tatenlos lag und nur die Nähe genoss.

Die, für die er wohl sein Leben gegeben hätte. Die, für die er sich sogar gegen seinen besten Freund gestellt hatte, als dieser ihr wehgetan hatte.

Ich war glücklich. Ich wusste, dass ich Kailyn hatte, egal was passierte. Er passte auf mich auf, war immer für mich da.

Und ich wusste, dass er mich liebte. Dass er mir wohl sein Leben in die Hand legen würde und dass er sich nicht gegen mich stellen würde. Und es war schön, so jemanden zu haben.

Jordan erzählte mir von ein paar Mädels, die er flachgelegt hatte und dann noch davon, dass seine Eltern sich zurzeit ziemlich oft stritten.

Ich hätte ihm ja angeboten, eine Zeit lang bei mir zu übernachten, doch angesichts dessen, dass zwischen Kailyn und mir jetzt was lief, wollte ich lieber nicht Jordans Leben riskieren. Denn falls Kailyn davon erfahren würde, würde er ihn eigenhändig umbringen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich top motiviert, zur Schule zu gehen.

Mit Jordan passte wieder alles und ich hatte endlich Klarheit wegen der Sache zwischen mir und Kailyn.

Mit einem breiten Grinsen ging ich ins Bad und erledigte die morgendliche Routine. Ich zog mir eine weiße, an den Knien zerrissene Jeans und darüber ein blaues Seidentop mit Spitze an.

Meine Haare ließ ich in den leichten Wellen runterhängen und schon begab ich mich in die Küche.

Während wir alle beim Frühstück saßen, wurde Ericas Gesichtsausdruck immer trauriger, ich sah, dass sie nachdachte.

„Weißt du eigentlich, was Kailyn die ganze Zeit treibt und wo er schläft?" fragte sie mich dann voller Hoffnung.

„Nein, ich weiß nur, dass er eine Schulbefreiung bekommen hat und bei einem guten Freund übernachtet." Erzählte ich die halbe Wahrheit.

„Hast du irgendeine Ahnung, was er treiben könnte? Was kann es sein, dass er deshalb ausziehen muss?" meinte sie nachdenklich.

Elle warf mir einen flüchtigen Blick zu, sie kannte schließlich seine Vergangenheit.

„Vielleicht hat es was mit einem Mädchen zu tun, vielleicht hat er eine Freundin, weiß aber noch nicht, ob es was wird und will sich alle Zeit für sie nehmen." Stellte ich eine völlig hirnrissige Idee auf. Kailyn würde niemals wegen einem Mädchen seine Familie verlassen.

„Das ist möglich, vielleicht ist sie ihm wirklich wichtig und er will es mit ihr richtigmachen." Pflichtete Elle mir bei, obwohl sie genau wusste, dass es eine Lüge war.

„Gib ihm die Zeit, wenn er sich ein Monat lang nicht meldet, suchen wir ihn. Okay?" Dad strich Erica behutsam über den Rücken.

Sie nickte nur, ich sah ihren Schmerz jedoch. Die Unwissenheit machte sie fertig und ich wollte das nicht länger mitansehen.

Ich hoffte, dass Kailyn in den nächsten Tagen wieder mal vorbeikommen würde, schließlich waren wir jetzt zusammen, und dann würde ich ihn drängen, bald wieder nach Hause zu kommen.

Ich packte meine Sachen und machte mich auf den Weg zum Bus, mit dem ich seit zwei Wochen fahren musste.

Mittlerweile war meine Angst nicht mehr so schlimm, trotzdem war es jeden Tag eine Folter.

Nachdenklich stand ich auf der Bushaltestelle und beobachtete ein Pärchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das händchenhaltend durch die Straße lief.

Könnten Kailyn und ich eines Tages so sein? Uns standen Hindernisse im Weg: unsere Eltern, seine Feinde.

Mein Dad würde niemals Kailyn als meinen Freund anerkennen, schließlich wusste er, wie sehr wir uns gehasst hatten und hatte oft gesehen, wie sehr Kailyn mich beleidigt hatte.

Außerdem waren unsere Eltern zusammen und auch, wenn es rein gesetzlich erlaubt wäre, wäre es für meinen Dad moralisch untragbar. Bei Erica war ich mir da nicht so sicher.

Verlass mich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt