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Wir reden mindestens noch zwei Stunden ungefähr, doch dann ruft mich meine Mutter und ich muss auflegen. Liebend gerne hätte ich noch mit ihnen geredet und Quatsch gemacht, doch dazu kommen wir erst beim nächsten Mal wieder.

»Bis dann ihr zwei!«, sind meine letzten Worte bevor ich auflege und den Laptop geschlossen auf den Schreibtisch lege.

»Marisa, komm endlich.«, ruft meine Mutter schon genervt als ich die Tür von meinem Zimmer öffne und aus diesem trete.

»Ja Mum!«

Zügig laufe ich die Stiegen hinunter und sehe meine Mutter mit dem Telefon in der Küche herumlaufen. Sie steckt es gerade in die Ladestation, als ich den Raum betrete und sie fragend ansehe.

»Ich habe gerade einen Anruf von unserer Nachbarin bekommen. Ich habe sie letzte Woche vor der Tür getroffen und wir werden morgen ein Abendessen bei ihnen haben. Sie zünden extra ihren Grill wegen uns zwei an!«, verkündet meine Mutter lächelnd. »Außerdem haben die Harpers eine gleichaltrige Tochter, vielleicht kannst du dich mit ihr anfreunden!«

Als Antwort gebe ich nur ein grummeln von mir.

»Wird Dad dabei sein?«

Meine Mutter wischt die Küchenablage ab und dreht sich dann zu mir um.

»Nein Schatz, er hat keine Zeit. Leider muss er morgen schon vor sechs weg und kommt auch erst wieder entsprechend spät.«, erklärt sie und sieht mich mitleidig an.

Da mir schnell langweilig geworden ist, habe ich ein paar Minuten später meine Hausaufgaben auf meinem Schreibtisch liegen und beginne diese zu lösen. Obwohl ich heute zuerst mit dem Stoff in Verbindung gekommen bin, kann ich problemlos die Aufgaben lösen und frage mich gleichzeitig, ob das etwas mit Streberin zu tun hat. Dreißig Minuten später habe ich mein Schulmaterial in meiner Tasche zurück verfrachtet und sitze nun planlos auf meinem Stuhl.

Bei der Erinnerungen an das Telefonat mit Blair und Esme muss ich lächeln; wir haben grundlos begonnen irgendwelche Grimassen zu ziehen oder Witze zu erzählen, die eigentlich gar nicht witzig sind, und haben trotzdem gelacht. Nur wegen einer Person bin ich total unglücklich: Bruce. Deswegen werde ich nun bei ihm anrufen und bisschen mit ihm plaudern, vielleicht hilft es ihm.

»Marisa?«, höre ich eine hoffnungsvolle Stimme an der anderen Leitung.

»Bruce.«, sage ich und umklammere das Handy mehr. »Wie geht's dir?«

Einen Moment ist es still, ich denke er freut sich gerade dass ich anrufe.

»Na ja seitdem du weg bist, ist es einfach nicht mehr das selbe wie vorher. Esme und Blair besuchen nach der Schule nicht mehr das Café und mein Tagesablauf ist auch langweiliger geworden.« Er atmet aus. »Sonst würde ich immer zu dir rüber kommen, wenn mir langweilig ist. Nun zieht dort eine fünfköpfige Familie ein, die keinen Plan hat was dieses Haus bedeutet.«

Betrübt denke ich über die Worte von Bruce nach. Er macht es mir nicht gerade leicht, sich hier einzugewöhnen wenn man die ganze Zeit an das eigentliche Zuhause denken muss. Schließlich bin ich in Irland geboren, mein Vater ist gebürtiger Ire und meine Mutter ist ebenso Irin.

»Du machst es mir nicht gerade leicht Bruce.«, gebe ich geschlagen von mir. »Ich vermisse dich genauso und ich vermisse auch Blair und Esme aber ich kann nicht kommen. Mein Vater hat heute morgen zwar gesagt dass wir euch bald besuchen können, aber dass sind sowieso leere Versprechen.«

»Blair, Esme und ich kommen in den Ferien, ok? Meine Tante wohnt in New Addington und könnte uns drei bestimmt für ein paar Tage aufnehmen.«

Nickend stimme ich ihm zu, doch bemerke dann dass er es sowieso nicht sieht und antworte dann mit einem klar, New Addington ist gar nicht so weit weg von uns. Am liebsten hätte ich geheult, bei der Vorstellung dass ich nicht mehr über die Straße laufen kann und meinen besten Freund bei mir habe. Nein, nun muss ich in ein Flugzeug steigen und zu ihm fliegen.

Eine Weile sagen wir nichts, denn ich glaube dass uns gerade wieder klar wird wie weit wir voneinander weg sind. Bruce und ich kennen uns ganze sechs Jahre, bald sieben und nun soll durch einen Umzug alles anders werden. Wie können mir meine Eltern bloß meine einzigen besten Freunde wegnehmen, ohne an meinen Zustand zu denken? Manchmal wünsche ich mir, dass ich bereits Volljährig sein würde. Klar ich würde immer noch an meinen Eltern hängen, aber ich wäre immer hin alt genug um meine eigene Unterschrift unter eine Entscheidung zu setzen.

»Ich vermisse dich.«, verlässt eine leise Stimme meinen Mund und hofft auf Gleichgültigkeit.

»Ich dich auch.«

Nachdem Bruce und ich noch ein bisschen über meine neue Schule, die alten Schule und ein paar Erinnerungen geredet haben, beenden wir das Telefonat und trennen uns wieder für ein paar Tage. Endlich werfe ich mich in bequeme Kleidung, hänge die ätzende Schuluniform an einen Kleiderbügel und bringe diese an meiner Tür an. Die Jungs an meiner Schule haben es einfach, sie müssen nur mit einem Hemd und einer schwarzen Hose bekleidet zum Unterricht erscheinen.

Ein paar Stunden später liege ich in der Bauchlage mit einem Buch in meinem Bett und lese die letzten Zeilen des vierundsiebzigsten Kapitels, bis ich dann schlussendlich müde werde und mich schlafen lege.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt