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Die Trinity hätte dich angenommen. Tut mir leid!

Auf meinem Bildschirm werden diese zwei Aussagen von Blair angezeigt und ich weiß gar nicht mehr, wie ich mich nun verhalten soll. Es ist wie ein guter Schlag in die Magengrube, zu wissen, dass mich ein College angekommen hat, aber ich nicht dort studieren kann, weil wir umgezogen sind.

»Die Trinity hätte mich angenommen.«, kommt es automatisch aus meinem Mund, obwohl ich es nicht laut aussprechen wollte. Meine Mum sieht mich mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck an, doch konzentriert sich dann wieder auf die Straße. Blair wollte es mir wohl nicht gleich sagen, dennoch verstehe ich sie. Wenn ich jemanden sagen müsste dass er an einem College angenommen wurde, aber dort nicht studieren kann, hätte ich ebenfalls ein schlechtes Gefühl. Dennoch bin ich froh es zu wissen - besser als dauernd den Gedanken im Kopf zu haben, ob ich nun angenommen oder nicht genommen wurde. Es würde mich zur Verzweiflung bringen, es nicht zu wissen.

Meine Mum seufzt und beginnt dann nach den richtigen Worten zu suchen: »Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Du kannst dich auf einer Seite freuen, schließlich hätten sie dich genommen und ich bin mir sicher dass du geweint hättest wenn der Brief gekommen wäre, dass sie dich angenommen hätten. Du kannst stolz auf dich sein, Marisa.«

Ich bleibe still, denn jetzt möchte ich einfach nichts sagen. Der Weg von der Kanzlei bis nach Hause zieht sich ewig und ich weiß jetzt schon, dass ich glücklich sein werde, wenn ich in mein Bett falle und schlafen kann. Der ganze Papierkram und nun diese kurze Aufregung machen mir etwas zu schaffen. Zum Glück habe ich meine Aufgaben für die Schule schon gemacht, sonst würde ich neben bei wahrscheinlich einschlafen. Ich bin schon so müde, dass mir beinahe meine Glieder zufallen und ich im Auto schlafe.

Als ich etwas später Zuhause ankomme und in das Haus gehe, lasse ich meine Tasche und die Schuhe jeweils von der Schulter und den Füßen fallen, ziehe meinen Schlafanzug an und verschwinde unterder Bettdecke.

Ich denke ich habe Mist gebaut.

Schreibe ich zu Victoria, ohne auf eine Antwort zu warten, denn sofort danach fallen mir meine Augen zu.

Harry

Gemma sitzt mit einem blassen Gesicht und anscheinend wenig Hunger neben mir am Tisch und gabelt in ihren Nudel herum.

»Geht es dir gut, Gem?«, frage ich in der Hoffnung dass sie sich mir öffnet. Sie schaut zu mir auf und legt die Gabel neben ihren Teller.

»Ja, es ist nur .« Einen Moment sagt sie gar nichts. »Ich habe Angst um Mum.«

Mitleidig sehe ich Gemma an und würde ihr am liebsten die Angst nehmen, denn für ein junges Mädchen ist es schwer mit so einer Situation umzugehen. Gemma weint immer sehr viel und ich bin mir sicher dass sie gerade damit kämpft, dass ich ihre Tränen nicht sehen kann. Oft versucht sie den Schmerz zu verstecken, doch ich höre Gemma immer etwas später weinend in ihrem Zimmer und mir zerreißt es das Herz, dass ich ihr nicht helfen kann. Manchmal wünsche ich mir dass die ganze Sache nur ein Alptraum ist, aus dem ich bald aufwache. Ich antworte nichts darauf und versuche Gemma mit einem anderen Thema abzulenken.

»Soll ich Dad anrufen?«, frage ich und zeige auf das Telefon, welches vor uns auf dem Tisch liegt. Immer mal wieder rufe ich Dad an, in der Hoffnung dass er rangeht und gut drauf ist. Auch das ganze Drama hat Gemma mitbekommen, damals war sie zwar noch kleiner und jünger als jetzt dennoch wurde sie älter und hat immer wieder nachgefragt wo ihr Dad ist. Meine Mutter hat verzweifelt versucht eine Ausrede zu finden, doch irgendwann musste sie dann doch die Lüge mit der Geschäftsreise auflösen.

»Nein, ich möchte heute nicht mit ihm reden.«, antwortet Gemma. »Gute Nacht Harry.« Sie steht von ihrem Stuhl auf und kommt auf mich zu. Ihre kurzen Arme schließt sie um meinen Hals und gibt mir während der Umarmung einen Kuss auf die Wange.

»Schlaf gut Gem. Ich komme später nochmal in dein Zimmer.«, versichere ich ihr und lasse dann ihren zierlichen Körper los. Mit langsamen Schritten verlässt sie die Küche und das einzige was ich noch von ihr höre, ist ihre Zimmertür, die sie mit etwas mehr Wucht zuschlägt. Da mir ebenfalls der Hunger vergangen ist, leere ich das eigentlich noch gute Essen in den Restmüll und wasche das Geschirr im Spülbecken ab. Nachdem ich damit fertig bin und mir mit dem Rücken gegen die Küchenplatte lehne, fällt mein Blick auf das Telefon. Ich überwinde mich nach einigen Momenten später doch dazu, Dad anzurufen. Auch wenn Gemma keine Lust hat mit ihm zu reden, kann ich es ja tun. Ich vermisse ihn zwar nicht mehr sonderlich, dennoch kann ich ihn anrufen.

Zu meinem Glück geht nicht der Anrufbeantworter ran, sondern Dad. »Styles?«

Seine Stimme klingt nicht rau, wie sonst immer, sondern aufgeweckt und freundlich.

»Hi Dad.«, sage ich und räuspere mich einmal.

»Hallo Harry.«, meint er. »Wie geht es dir?«

»Mir geht's gut. Wie ich höre bist du heute besser gelaunt als sonst?« Mit etwas Angst stelle ich die Frage und hoffe das Dad genauso ruhig bleibt, wie noch vor ein paar Sekunden.

»Ich hatte heute ausnahmsweise einen guten Tag. Wieso rufst du an?«, fragt Dad. »Gibt's was Neues?«

»Nein, ich wollte nur ein bisschen mit dir reden.«

Unbewusst fange ich an zu lächeln, als wir mehr als eine viertel Stunde telefonieren und ganz zu Schluss bekomme ich sogar das Gefühl, dass ich ihn vermisse. Es ist komisch für mich dass ich ihn nun anscheinend vermisse, obwohl ich vor zwanzig Minuten noch gedacht habe, dass ich ihn nicht vermisse.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt