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Mum fragt während der Fahrt nicht, wieso wir mit Höchstgeschwindigkeit zu Harrys Haus fahren. Die einzige Konversation die wir führen, besteht aus »Da links.«, »Da rechts.« und ihr »okay.«
Ansonsten sprechen wir kein einziges Wort miteinander und ich bin froh darüber dass sie nicht nachfragt. Die einzige Frage, welche ich mir in den Kopf setzen habe lassen ist, wie sie es wohl empfunden hat, als sie die Stimme von Anne gehört hat. Als wir in die Straße von Harrys Haus fahren, atme ich stückweise tief ein und aus.

»Wie hast du dich gefühlt als du gemerkt hast, dass Anne am anderen Ende der Leitung liegt?«, frage ich aus dem nichts. »Da rechts ist sein Haus.« Mum setzt den Blinker und hält rechts an.

»Zuerst war ich geschockt, wenn ich ehrlich bin. Dann habe ich aber nicht weiter darüber nachgedacht und dir das Telefon gebracht.«, antwortet sie.

»Du kannst wieder nach Hause fahren. Ich denke es dauert länger als gedacht.«, sage ich, ohne auf ihre Aussage einzugehen. »Weißt du, ob Dad schon das Geld gespendet hat?«

Mum nickt. »Soweit ich weiß ist er heute nach dem Frühstück sofort zur Bank gefahren.«

Ich bedanke mich bei Mum und steige aus dem Wagen. Harrys Auto steht in der Einfahrt, was bedeutet dass er eigentlich zu Hause sein müsste. Bevor ich die Türklingel betätige, hole ich tief Luft. Wenn er nicht bei seiner Mutter ist, muss es irgendeinen schlimmen Grund geben, wieso er nicht dort ist. Ich höre das leise Klingeln und warte mit zittrigen Händen bis die Tür aufgemacht wird. Doch sie öffnet sich nicht. Keinen einzigen Laut höre ich in diesem Haus, und auch als ich ein zweites Mal klingle, wird sie nicht geöffnet. Erst, als ich mit viel Kraft gehen die Haustür klopfe, bewegt sich dahinter etwas. Harry steht mit zerzausten Haaren, einer Jogginghose und oben ohne vor mir. Ich starre ihn mit weit geöffneten Augen an, sogar mein Mund klappt etwas auf. Er scheint betrunken zu sein, was definitiv kein gutes Zeichen ist.

»Was willst du denn hier?«, fragt er mit genervten Unterton. »Gestern hast du mir mehr als klar gemacht, dass du Abstand brauchst und heute stehst du vor meiner Tür?« Es klingt wie eine Frage, aber sollte eigentlich eine Feststellung sein.

Ohne darauf einzugehen, spreche ich. »Deine Mutter hat heute bei mir angerufen. Sie hatte eine letzte Untersuchung bevor... bevor keine Ahnung was. Harry, was ist los mit dir?« Von der Treppe höre ich Schritte, zierliche und leise Schritte.

»Harry wer ist da an der Tür?« Eine Stimme die mir nicht bekannt vorkam. Eigentlich dachte ich, dass es Gemma sein würde, die dort von der Treppe kommt, stattdessen ist es ein Mädchen. Sie trägt keine Hose, nur einen kurzen Slip mit einem T-Shirt von Harry. Dasselbe T-Shirt, das ich einmal trug als ich bei ihm die Nacht verbracht habe. Ihre schwarzen Haare liegen ebenfalls zerzaust auf ihrem Kopf. Die Zeit in der wir drei nichts sagen, kommt mir lange vor. Mein Herz pocht, doch es fühlt sich an wie Zeitlupe.

Harry hat mit einem anderen Mädchen geschlafen.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt