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Anne meint, sie darf sich nicht freuen - wahrscheinlich hat sie meine Verwirrung bemerkt -, denn sonst überanstrengt sich ihr Körper. Zu viel und zu starkes Lachen schafft sie zu sehr, ebenso wie zu viel Bewegung. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich nicht gerade wohl in so einer Situation. Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden kennengelernt, der lebensbedrohlich krank ist. Keiner meiner Freunde lag jemals länger als ein paar Stunden im Krankenhaus. Bruce hatte als Kind einen Fahrradunfall. Dabei hat er sich den Arm gebrochen und musste genäht werden, was wegen der Unterbesetzung in der Notaufnahme etwas gedauert hat, danach durfte er aber nach Hause und dort haben wir sogar noch eine Übernachtungsparty veranstaltet. Natürlich keine Party, eher ein Seniorenabend. Wir haben den ganzen Abend nichts anderes gemacht als Disneyfilme angeguckt. Disney ist Bruce und mein Lieblingskanal im Fernsehen. Ich unterbreche die Unterhaltung über die Spendenaktionen zwischen Harry und seiner Mutter, um zu fragen ob beide ein Stück Kuchen möchten, wobei Harry einstimmt und Anne verneint. Dennoch werde ich ihr einen Orangensaft mitbringen. Sobald ich aus der Tür gehe, atme ich tief ein und aus. Obwohl wir erst seit einer halben Stunde hier sind, bin ich froh kurz alleine sein zu können. Auszeit von so vielen ungewöhnlichen Dingen, Situationen und vor allem Geräten. Anne tut mir so unendlich Leid. Ihr Mann - Harrys Vater -, und ihre Tochter Gemma, natürlich auch Harry, müssen unglaublich viel darunter leiden. Mir kommen leicht die Tränen, als ich in die Cafeteria gehe und eine Bestellung aufgebe.

»Ist alles okay bei Ihnen?«, fragt mich die Verkäuferin des kleinen Ladens, nachdem ich bezahlt hatte. Mit einem leichten Nicken antworte ich ihr und gehe zurück aufs Zimmer.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt