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frohes neues glückliches 2019 💗

Ich weiß gar nicht ob Harry selbst mitbekommt, wie nah mir die Sache eigentlich geht. Er weiß nichts davon, dass es Nächte gab, in denen ich weinend in meinem Bett saß und gehofft habe dass das alles nur ein schlechter Alptraum ist. Anne ist immer noch vor meinem inneren Auge und jede Nacht in der ich geweint habe, hat sie sich gezeigt. Wie verfallen und schwach sie in diesem Krankenhausbett liegt und imaginäre um Hilfe ruft. Ich liebe Anne, sozusagen. Aber ich halte das definitiv nicht aus. Ich brauche Freiraum und eine kurze Auszeit, bevor ich bei einem weiteren Besuch bei ihr zusammenbrechen werde.

Weiche Lippen streicheln meine Wange, ich lasse die Augen geschlossen doch bin wach. Harry streift mit seinen Lippen meine und beginnt mich sanft wachzuküssen. Nach einem Moment erwidere ich den Kuss und lege meine Hand auf seine Wange.

»Wir sind da.«, sagt er zwischen zwei Küssen. Am liebsten würde ich länger hier sitzen, aber es ist spät und ich bin müde. Harry sehe ich die Müdigkeit ebenfalls an. Seine Augenringe werden etwas größer und seine Haare liegen trocken auf seinem Kopf.
Ich hole meine Tasche vom Rücksitz und gehe mit ihm zur Haustür, um ins Innere des Hauses zu kommen. Leise schleichen wir uns ins Wohnzimmer.

»Mum, Dad?«, flüstere ich, da Mum schon schläft. Kein Wunder es ist halb Elf. Sie hatten zwei lange Fahrten hinter sich und sind sicher ausgelaugt. Ebenso wie Harry und ich, aber dieses Thema kann und darf nicht warten. Dafür ist es zu wichtig.

»Ist etwas passiert?« Mein Vater steht von der Couch auf und kommt zu Harry und mir, damit er Mum nicht aufweckt.

Ich schüttle den Kopf. »Nicht wirklich, aber du musst uns helfen!« Dad sieht kritisch zu Harry, dann zu mir. Flehend sehe ich ihn an, bis er zustimmt und nickt. Wir setzen uns in die Küche an den Esstisch.

»Also. Was gibt es denn so wichtiges?«, fragt Dad.

Ich schlucke schwer und beginne gemeinsam mit Harry die ganze Situation zu erklären. Ich bin dankbar dass Dad auch jetzt - spät abends -, noch ein Ohr für uns hat. Er hört aufmerksam zu und zuletzt zeige ich ihm die Spendeseite auf meinem Handy.

»Es fehlen noch rund sechzehntausend Euro.«, sagt Harry. »Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, würden Sie spenden.« Dad gibt mir das Handy zurück, verschränkt seine Hände miteinander und legt wieder diesen kritischen Ausdruck auf.
Was ich jetzt sage, kommt unerwartet, aber vielleicht bringt es ja etwas. »Ich habe seine Mutter gesehen. Dad, du würdest sofort ja sagen, wenn du sehen würdest wie schwach Anne ist. Sie hat noch eine Zukunft vor sich, ein Leben, Kinder.« Ich schlucke schwer. »Dad ich ... ich liebe Harry« Ich ignoriere den Seitenblick von Harry und fixiere mich auf Dad, der mich nicht unbedingt anders ansieht. »Bitte hilf ihr. Ich würde alles für Harrys Familie machen, schön nach so kurzer Zeit. Anne bedeutet mir...« Dad unterbricht mich mit einer Handbewegung.

»Ich machs.«, meint er. »Ich kann euch die sechzehntausend Euro überweisen. Es ist für einen guten Zweck. Wenn ein Leben auf dem Spiel steht, helfe ich gerne.« Ich stehe auf und gehe einmal um den Tisch, damit ich Dad umarmen kann. Die Tränen brennen in meinen Augen und ich bin sprachlos. Das einzige was ich in diesem Moment sagen kann, ist »Danke«.

Harry bedankt sich ebenfalls mehrmals bei Dad, er sieht genauso sprachlos aus wie ich.

»Jetzt geht schon. Ich denke ihr müsst etwas klären.« Dad muss wohl gleich gespürt haben, dass ich Harry davor nie gesagt habe, was ich für ihn empfinde. Harry und ich sehen uns etwas geschockt an, er versteht aber. Gerade als wir die Küche verlassen, um zu seinem Auto zu gehen, kommt Dad noch einmal zu Wort.

»Und Harry?« Wir drehen uns Beide um. »Du kannst mich duzen!« Ich sehe Harry lächelnd an, während er sich noch einmal bei Dad bedankt und wir aus dem Haus gehen.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt