Seite 4

290 10 6
                                    

Erschrocken schlage ich meine Spind-Tür zu und ernte dafür ein paar komische Blicke der anderen. Schämend sehe ich zu dem Fremden, welcher mit einem belustigten Grinsen durch seine Haare fährt und mich ansieht.

»Ähm, also - also ich, ja ich bin die Neue.«, stottere ich und werde, wenn überhaupt möglich, noch roter als sowieso schon.

»Soll ich dir die Schule zeigen?«, fragt er.

Ich schüttle den Kopf und gehe in die gegengesetzte Richtung. Doch anstatt dass er mich in Ruhe lässt, geht er mir nach und redet auf mich ein.

»Du kennst dich hier doch gar nicht aus und vielleicht könnte ich dir helfen.«

»Ich komme alleine klar.«, stelle ich fest und gehe mit schnellerem Tempo weiter.

Anscheinend hat er es verstanden, denn er bleibt stehen und sieht mir hinterher, was ich daran merke dass er mir seinen Blick in den Rücken bohrt. Schnell verschwinde ich in dem nächsten Unterrichtsraum und atme tief durch als ich wahrnehme dass ich hier wieder nur mit meiner Klasse bin.

So geht das noch den ganzen Tag. Versuchen nicht aufzufallen, niemanden zu belästigen oder zu lange anzustarren und danach wieder nach Hause gehen. Gleich nachdem ich mich, nach dem Vorfall mit dem grünäugigen Jungen, in dem Klassenzimmer auf den Platz gesetzt habe, bekam ich ein schlechtes Gewissen dass ich den Fremden so angemacht habe. Immer hin kenne ich ihn nicht und sollte steht's freundlich sein, dennoch bin ich schüchtern und so ist mein Kopf einfach mit mir durchgegangen.

Bevor ich nach Hause wollte, habe ich noch Ausschau nach ihm gehalten, um mich für mein Verhalten zu entschuldigen, aber ich habe ihn nicht gefunden. Deshalb laufe ich mit gesenktem Kopf die Straße zu meinem Haus entlang und muss mir für einen Moment sogar die Tränen verdrücken. Wäre ich in Irland, bei Blair und Esme, würde ich jetzt mit ihnen noch in dem Schulcafé sitzen und über den neusten Trend plaudern. Als ich dann endlich bei unserem neuen, weißen und sogleich großen Haus angekommen bin, öffne ich die Tür und laufe direkt gehen etwas. Es ist ein Pappkarton, auf dem Küche steht.

»Oh, tut mir leid Marisa. Ich wollte den Karton schon längst wegpacken, bevor du nach Hause kommst.«, entschuldigt sich meine Mutter und nimmt den Karton vom Boden weg. »Außerdem, wie war dein Tag? Hast du schon jemanden kennengelernt?«

Einen fremden Jungen, wessen Namen ich nicht weiß und ihn nur durch seine kräftige Augenfarbe unterscheiden kann. Sonst hat mich - zum Glück - niemand beachtet und ich hoffe dass das auch so bleibt.

»Nein Mum, habe ich nicht.«, antworte ich und streife meine Schuhe von den Füßen, damit ich mich auf den Weg nach oben machen kann. Bevor meine Mutter noch widerreden kann, bin ich schon im ersten Stock angekommen und schmeiße meine Zimmertür zu, nachdem ich in den Raum getreten bin. Die Tasche stelle ich neben meinen großen, weißen Schreibtisch und ziehe meinen Laptop von meinem diesem herunter um mich damit auf mein Bett zu setzen.

Per Skype kontaktiere ich Blair, denn ich möchte jetzt unbedingt mit ihr und Esme reden. Wenn ich Glück habe ist Esme gerade sogar bei Blair zu Hause oder die beiden machen etwas gemeinsam, wenn nicht rufe ich Esme eben dazu. Ein paar Mal klingelt es und fröhlich begrüßen mich meine zwei besten Freundinnen.

»Ich bin so froh euch zu sehen!«, gebe ich froh von mir und lächle die beiden an.

Als ich Esme und Blair lange genug gekannt habe, ist meine Schüchternheit wie von selbst verschwunden. Ich glaube, dass das am vertrauen liegt und wie sehr ich eine Person kenne. 

»Deine Schuluniform ist ja echt abstoßend.«, stellt Esme fest. Sie ist eine komplette Furie wenn es um ihre Klamotten oder den Geschmack von anderen geht. Esme hat den Schulleiter (meiner alten Schule) sogar überredet die Uniform zu ändern, damit diese besser aussieht. Meine Schuluniform besteht aus einer weißen Bluse, mit einer Krawatte, einem schwarzen Rock, dazu eine schwarze Strumpfhose und schwarze Schuhe. Bei Blair und Esme ist die Uniform blau; mit einer hellblauen Bluse, einem blau-schwarz karierten Rock, ebenso eine schwarze Strumpfhose und selbst ausgewählte Schuhe.

Blair ist eher die schlauere von uns dreien. Sie ist vernünftig, kann aber auch lustig sein. Blair hat einen Freund und kommt somit erwachsener vor, als wir, wenn wir uns nach einem sehnen.

»Wie geht es Bruce?«, kommt es von mir. Ich habe ihm seit dem Tag des Umzugs nicht gesehen, noch gehört. Auch Bruce kenne ich seit der Grundschule, genau genommen seit der vierten Klasse. Er war schon mit uns zusammen im Kindergarten, doch wir haben nie wirklich miteinander geredet. Als der mir dann in der vierten Klasse einen Buntstift ausgeliehen hat, waren wir vier die besten Freunde.

»Schon seit der ersten Sekunde, in der du und deine Eltern weggefahren bist, hat er gesagt dass es ohne dich nicht das selbe ist.«, erklärt Esme. Den Rest kann ich mir jetzt wohl selbst denken. Er wird mich unglaublich vermissen, genauso wie ich sie alle vermisse.

Ich muss sie unbedingt wieder sehen.

After The Sunset | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt