87. Kapitel: Koffeinfrei ungenießbar

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Als Erik aufwachte, war es draußen noch dämmrig. Die Straßenlaternen vor dem Fenster waren noch an und über den Himmel zog sich bereits ein graurosa Schimmer. Es sah aus, als kündigte sich ein klarer, kalter Wintertag an.

Er hielt es im Bett jetzt nicht mehr aus. Erstens trieb ihn seine Blase und zweitens wusste er, wenn er den richtigen Moment verpasste und zu lange liegen blieb, oder gar noch einmal einschlief, fühlte er sich den Rest des Tages total erledigt und das wollte er unbedingt vermeiden.

Jitka schlief immer noch friedlich neben ihm, ihre Haare ringelten sich in unzähligen Blond- und Braunschattierungen über den Kopfpolster. Auf ihrem Gesicht, auf dem die Sommersprossen um diese Jahreszeit nur noch blass zu sehen waren, lag ein leichtes Lächeln. Während er sie noch betrachtete, merkte er, wie sich ein Hustenreiz ankündigte und so schlich er sich schnell aus dem Zimmer um sie nicht zu wecken.

Erst im Wohnzimmer hustete er ausgiebig, streckte sich und ging dann ins Bad. Es war noch völlig ruhig im Haus, aber er wusste, dass Sylvie bestimmt auch bald auftauchen würde. Sie war keineswegs Langschläferin und vermutlich gönnte sie auch Karina keine Minute länger, als sich selbst. Auch seine Mutter würde bald aufstehen, denn ihr Weihnachsurlaub war nun vorbei und sie musste heute wieder in ihr Büro auf die Kommunalbehörde.

Er befüllte die Filtermaschine, stellte das Wasser für den Tee hin, legte ein paar Brötchen zum Aufbacken ins Rohr und deckte den Tisch. Er fühlte sich im Moment ausgesprochen munter und so beschloss er, die Gunst der Stunde zu nutzen, was bedeutete, dass er auch Jitka nicht schlafen lassen konnte. Außerdem würde sie ohnehin wach werden, sobald Sylvie und Karina durchs Zimmer spazierten.

Bestimmt war es besser, wenn er sie jetzt schon einmal behutsam wachküsste. Es konnte ja nicht sein, dass er jedes Mal gerade irgendwo anders war, wenn sie aufwachte. Er zögerte ein wenig, als er sah, wie ruhig sie immer noch schlief und wie schön sie dabei aussah. Doch gleichzeitig vernahm er ein Rumoren aus dem Nebenzimmer. Schritte und leise Stimmen. Da beugte er sich zu Jitka hinunter und fuhr leicht mit der Hand über ihr Haar, das nun in der Morgensonne schimmerte. Sie blinzelte ihn verschlafen an, als seine Lippen sie berührten.

„Hmm ...?", machte sie, erwiderte verschlafen seinen Kuss und strich mit ihren Fingern über seinen Hals.

„Komm! Wir stehen jetzt auf. Das Frühstück ist fast fertig und dann fahren wir in die Stadt und dann zeige ich dir die Schwäne, meine Wohnung und das Klavier und alles Mögliche ..."

Sie blinzelte ihn verwirrt und etwas überfordert an.

„Geht's dir gut?", fragte sie und legte ihm ihre Hand auf die Wange.

„Mir könnt's jetzt nicht besser gehen und deswegen sollten wir so schnell wie möglich los."

„Also jetzt gleich?", nuschelte sie skeptisch.

„Nicht so gleich. Ich habe Frühstück gemacht."

„Na, gut. Frühstück klingt erstmal irgendwie machbar." Sie ribbelte sich die Augen und rappelte sich umständlich hoch.

„Tut mir leid, dass ich dich die halbe Nacht lang wachgehalten habe", sagte er und Jitka lächelte.

„Meinetwegen können wir das öfter machen ...", antwortete sie mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Sie schien es ihm keineswegs zu verübeln, dass er sie nicht auf andere Art und Weise vom Schlafen abgehalten hatte. Aber sie wussten beide, dass das etwas war, das sie realistischer Weise und um sich peinliche Enttäuschungen zu ersparen, lieber auf spätere Gelegenheiten verschoben. Er hatte sogar den Eindruck, dass das ihm selbst mehr ausmachte, als ihr.

In dem Moment wurde vom Nebenzimmer her die Türschnalle heruntergedrückt und Sylvie steckte ihren Kopf herein.

„Was? Ihr seid schon wach?", fragte sie ungläubig.

„Dir auch einen schönen, guten Morgen", sagte Erik und grinste sie an. „Was glaubst du denn? Der Kaffee müsste übrigens schon fertig sein."

„Heißt das, Mama ist auch schon wach?"

„Keine Ahnung", Erik zuckte mit den Schultern.

„Kann es sein, dass Erik den Kaffee gemacht hat", hörte er Karinas Stimme hinter Sylvies Rücken sagen.

„Aber er trinkt doch keinen Kaffee", erwiderte Sylvie.

„Das heißt nicht, dass ich keinen machen kann." Und in letzter Zeit kam es schließlich gar nicht so selten vor, dass er das Frühstück vorbereitete. Mitsamt Kaffee.

„Offenbar denkt mein lieber Bruder weniger egozentrisch, als ich."

„Meinst du?", gab er mit einem schiefen Grinsen zurück. „Ich weiß einfach aus Erfahrung, dass du koffeinfrei absolut ungenießbar bist."

„Da ist was dran", gab sie unumwunden zu. Sie zog nun die Nase etwas kraus und schnupperte in die Luft. „Kann es sein, dass du eine Spezialröstung mit intensiver Holzkohlennote erwischt hast?"

„Oh nein," er sprang auf. „Das sind die Brötchen."

„Naja, zur Not haben wir bestimmt noch wo Knäckebrot eingelagert", hörte er Sylvie noch sagen, bevor er wieder in die Küche lief. Die Brötchen waren aber noch zu retten. Sie waren nur am Rand etwas schwarz geworden und das ließ sich problemlos abkratzen. Er legte noch eine zweite Partie ins Rohr und füllte den Kaffee in eine Thermoskanne.

„Hm, da riecht's ja schon gut", hörte er nun seine Mutter sagen, die gerade aus dem Schlafzimmer gekommen war.

„Mama, bist du vielleicht schon daran gewöhnt, wie es riecht, wenn Erik Frühstück macht?"

„Ich weiß gar nicht was du hast, Sylvie", sagte Erik und drückte ihr einen Becher Kaffee in die Hand. „Da hast du, bevor du noch weiter an mir herummeckerst. Es sind allerdings noch jede Menge Kekse da, wenn dir meine Brötchen nicht genehm sind."

Sie trank einen großen Schluck von ihrem Kaffee und lächelte ihn dann an. „Musst ja nicht gleich eingeschnappt sein. Danke fürs Frühstückmachen, Bruderherz", sagte sie und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Er verdrehte kurz die Augen, schnappte sich seinen Tee und setzte sich neben Jitka. Im Grunde war er gar nicht so genervt, wie er tat. Er sah das Ganze vielmehr als Beweis dafür, dass Karinas Anwesenheit wieder einmal wirkte. Er fand, dass Sylvie dann immer gleich viel besser gelaunt war. Mit oder ohne Koffein.

Das Schicksal spielt in Dur und MollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt