„Sylvie, das war wunderbar!", sagte Karina, als sie sich an diesem Abend hinlegten. Sylvie war gerade aus dem Bad gekommen und auf leisen Sohlen durch das Zimmer von Erik und Jitka geschlichen. Sie wünschte den beiden noch eine gute Nacht, aber Erik reagierte nicht mehr, da er bereits zu schlafen schien und Jitka wartete, wie es aussah, auch nur noch darauf, dass sie das Licht ausmachen konnte. Vorsichtig schloss Sylvie die Tür und kroch ins Bett, wo Karina es sich bereits in ihrem hübschen schwarz-weißen Pyjama gemütlich gemacht hatte.
„Wir zwei sollten öfter Duette spielen."
„Hm, ja", machte Sylvie und zog sich die Decke über die Schultern. „Sollten wir vielleicht wirklich."
„Das hört sich nicht wahnsinnig überzeugt an." Sie spürte Karinas Finger, die ihr durch die Haare strichen. „Was ist los mit dir? Tut dein Arm wieder weh nach dem Spielen?"
Sylvie schüttelte den Kopf. „Nein, gar nicht", sagte sie. Das entsprach auch der Wahrheit. Sie erwähnte Karina gegenüber nicht, dass sie vorher ein Schmerzmittel genommen hatte. Sie hatte geahnt, dass sie heute irgendwann im Laufe des Abends Geige spielen würde.
„Aber irgendwas ist", sagte Karina ruhig und fuhr fort, ihr durch die Haare zu streichen. Sylvie mochte es gerne, dass sie das tat. Aber konnte sie nicht weitermachen ohne ständig mit Fragen in sie hineinzubohren.
„Du warst so still", sagte Karina. „So kenne ich dich gar nicht. Es ist wegen Erik, oder? Du machst dir Sorgen?"
„Natürlich tue ich das", antwortete sie etwas schroffer, als beabsichtigt und warf sich so hastig von der Seite auf den Rücken, dass Karina erschrocken ihre Hand zurückzog. Sylvie hätte sich für ihre heftige Reaktion am Liebsten geohrfeigt. Karina meinte es gut, sie konnte nichts dafür. Sie selbst war diejenige, die sich am laufenden Band im Ton vergriff. Zuerst bei Erik und jetzt bei Karina. „Tut mir leid", murmelte sie, ohne die Andere dabei anzusehen. „Ich ... natürlich mache ich mir Sorgen. Es geht ihm nicht gut und ich komme nicht mehr an ihn ran. Aber da bin ich schließlich selbst schuld." Karina richtete sich so auf, dass Sylvie sie ansehen musste, aber sie wollte ihrem Blick im Moment nicht standhalten. Sie wollte über das alles jetzt nicht reden. Also schloss sie einfach die Augen.
„Das ist alles nicht einfach. Für niemanden. Nicht für Erik und für dich auch nicht." Sylvie spürte Karinas Hand auf ihrer Wange. Sie griff danach und hielt sie fest.
„Können wir nicht einfach aufhören davon zu reden?", fragte sie und sah Karina nun doch an, die ihr jetzt einen ziemlich ratlosen Blick zuwarf.
„Komm einfach her", sagte Sylvie, sie rutschte hinüber unter Karinas Hälfte der Decke, küsste sie und löschte so an sie gedrückt das Licht.
Sie musste schnell eingeschlafen sein, wachte allerdings bald wieder auf, da ihr kalt war. Sie lag nun nicht mehr an Karina gedrückt, sondern auf an der gegenüberliegenden Bettkante. Ihre eigene Decke musste sie irgendwann abgeworfen und stattdessen die von Karina beschlagnahmt haben. Sie lagen jetzt beide nur halb zugedeckt. Sie nahm die Decke und legte sie behutsam über Karinas schlafende Gestalt. Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrer Eigenen und fand sie auf dem Boden. Sie legte sich ebenfalls wieder hin und schloss die Augen, obwohl sie wusste, dass es ihr so schnell nicht mehr gelingen würde einzuschlafen.
Sie hatte so dumm geträumt. Sie hatte mit allen gestritten. Wirklich mit allen. Mit Erik, ihrer Mutter, mit Karina, natürlich Jitka, und sogar Vincent hatte sich über irgendwas beschwert. Sie wusste nicht mehr, was sie ihr alle vorgeworfen hatten. Nur dass sie damit Recht gehabt hatten. Sie versuchte, ruhig zu werden und dieses verdammte Rumoren in ihr drin zu besänftigen, aber sie musste die ganze Zeit über diesen dummen Traum nachdenken. Warum fiel ihr nicht mehr ein, was die Anderen gesagt hatten? Das würde es einfacher machen, alles einzuordnen und beiseite zu schieben.
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Das Schicksal spielt in Dur und Moll
Художественная прозаManchmal kommt alles anders als man denkt. Eine unerwartete Begegnung. Ein Blinzeln. Ein Moment des Glücks. Und plötzlich ist nichts mehr wie es war. Du sammelst die Scherben von etwas ein, von dem du dachtest es sei ganz und heil. Warum hast du die...