98. Kapitel - Privates Wunschkonzert

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Jitka war sich immer noch nicht sicher, ob Sylvie ihrer Freundin Karina auf die Dauer guttun würde, aber musikalisch harmonierten die Beiden ohne Zweifel. Das war bei diesem Duett eindrücklich zu spüren. Es bestand aus immer wieder unterschiedlichen Variationen des selben Themas, das in schnellem Wechsel zwischen den Instrumenten hin und her floss. Wie ein Gespräch zwischen zwei Menschen, das von Reibungspunkten und der Spannung zwischen den Beiden lebte. Sylvie und Karina wandten sich einander während des Spielens immer wieder zu, wechselten herausfordernd funkelnde Blicke und Jitka konnte die Energie zwischen den Beiden spüren. Ob es sich um die leisen, intimen Passagen handelte, die Kräftigen, Funkensprühenden oder die spritzig Dahinperlenden.

Jitka war immer wieder fasziniert zu sehen, wie anders Sylvie wirkte, wenn sie mit ihrer Geige dastand. Ihre Art zu spielen passte zu ihr, schlicht und klar ohne jegliche affektierten Kinkerlitzchen, aber auch so schwerelos und losgelöst als kenne sie überhaupt keine Grenzen und als hätte der Raum keine Wände und keine Decke. Es war schwer, das mit ihrer sonst so kontrollierten Art in Einklang zu bringen. Vielleicht lebte sie in der Musik etwas aus, das sie sich sonst nicht erlaubte. Taten sie das nicht alle auf irgendeine Art?

Als sie das Stück fertig gespielt hatten, applaudierten alle nicht aktiv beteiligten und Erik, der während des Zuhörens mit geschlossenen Augen an Jitkas Schulter gelehnt hatte, nutzte die Gelegenheit, um ausgiebig zu husten. Sie hatte immer wieder bemerkt, dass er sich während des Stücks immer wieder kurz verkrampft und zurückgehalten hatte, weil er nicht stören oder gar seine Aufnahme verhusten wollte.

„Das ist wie gemacht für euch beide", krächzte er dann. Magrethe pflichtete ihm bei und lobte ihn für seinen Einfall das Ganze gleich aufzunehmen. „Wer weiß denn schon, wann wir nächstes Mal wieder in den Genuss eines Privatkonzerts von euch beiden kommen."

„Bestimmt sehr bald", sagte Karina und verrenkte sich über ihr Cello hinweg, um Sylvie zu küssen. „Es ist einfach wundervoll mit dir zu spielen", raunte sie ihr zu. "Und gegen solche Auftritte kannst du kaum etwas haben." Sylvie schüttelte kurz den Kopf und reagierte auf Karinas Schmeicheleien mit einem halb verkniffenem, halb verlegenem Lächeln, das an ihr recht seltsam wirkte.

„Übrigens", ergriff Erik wieder das Wort. „Wenn wir schon so ein seltenes Privatkonzert bekommen ... darf ich mir was wünschen?" Er zwinkerte Karina zu und rieb Jitkas Arm. Sie ahnte schon was er hören wollte, er hatte während der letzten Wochen nicht selten davon geredet.

„Ich glaube ich weiß ...", sagte Karina und erwiderte seinen Blick mit einem verschmitzten Zwinkern ihrerseits. „Und obwohl alle Beteiligten mittlerweile die Noten dafür haben sollten, habe ich sie auch mitgebracht. Zur Sicherheit." Jitka ließ Erik, den sie die ganze Zeit über fest ihn ihren Armen gehalten hatte, los und ging zum Klavier. Sie verließ nur ungern seine Nähe, aber sie freute sich auch über das Strahlen, das sich jetzt über sein Gesicht zog. Vielleicht half die Musik ja, ihn wieder ein wenig aufzurichten. Er rutschte jetzt auf dem Sofa hinüber zu seiner Mutter, die einen Arm um seine Schultern legte.

„Was ist es denn, das du dir da gewünscht hast?", fragte Magrethe ihn neugierig.

„Es wird dir gefallen, Mama", sagte er. „Ein wunderbares Trio, das die Drei in Prag zusammen probiert haben. Es ist zum Dahinschmelzen", schwärmte er.

„In der Zwischenzeit haben wir auch geübt", warf Sylvie ein. Und das stimmte wohl. Beim ersten Mal hatten sie sich spontan an dem Trio von Dora Pejačević versucht und es hatte bei Weitem nicht alles geklappt, aber sie hatten schon damals beschlossen, jeder für sich zu üben und es bei Gelegenheit wieder zu spielen. Erik wusste das natürlich. Er hatte sie ja tatkräftig dazu angefeuert, weiter zusammen an dem Stück zu arbeiten.

„Es ist noch nicht im Entferntesten aufführungsreif", fuhr Sylvie fort. „Also ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich aufnehmen willst."

„Ich schon", erwiderte Erik und Jitka konnte erneut den Trotz in seiner Stimme hören. „Ich will es haben, ob perfekt oder nicht."

Das Schicksal spielt in Dur und MollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt