117. Kapitel - Siebenunddreißig

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Sylvie lag noch im Halbschlaf, sie wollte sich gerade zum Aufstehen aufraffen und sich für die Arbeit fertig machen, als das Handy neben ihr auf dem Nachtkästchen vibrierte. Sie richtete sich halb auf, um zu sehen, wer um Himmel Willen um diese Zeit  schon anrief.

Mit einem Mal saß sie kerzengerade im Bett. Das war Erik. Dass gerade er sie jetzt anrief, konnte nichts Gutes bedeuten. In ihren Ohren begann es zu Pochen und sie hielt die Luft an, als sie den Anruf entgegennahm. Sie war auf alles gefasst, nur auf das nicht: „Heute ist Sylvies Geburtstag, hurra, hurra, hurra ...", sang ihr Eriks Stimme aus dem Hörer entgegen.

„Sag mal spinnst du!", entfuhr es ihr, gleichzeitig mit dem Gewicht, das von ihr abfiel und sie wieder frei durchatmen ließ.

„Ich dachte du freust dich ..." Jetzt klang er etwas enttäuscht und es tat ihr leid, dass sie ihn so angefahren hatte, wo er es doch sehr nett gemeint hatte. Sie hatte wohl ausgeblendet, dass heute wirklich der 16. Februar war, und das bedeutete, dass sie es sich gefallen lassen musste, von schrägen Gesängen aus dem Bett geholt zu werden.

„Doch, ich freue mich, danke", sagte sie dann etwas verlegen. „Tut mir leid, ich habe nur überhaupt nicht damit gerechnet." Sie lächelte und setzte sich etwas bequemer hin.

„Ja, ich weiß", murmelte Erik zerknirscht und Sylvie seufzte innerlich. Jetzt hatte sie wieder etwas Unüberlegtes gesagt. Im letzten Jahr war Erik von seiner persönlichen Krise so absorbiert gewesen, dass er sich erst zwei Tage später an Sylvies Geburtstag erinnert hatte. Das hatte ihr selbst weniger ausgemacht, als ihm. Er war einfach nur untröstlich gewesen.

„Ach nein, Erik. So hatte ich das auch nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, ich hatte das selbst nicht wirklich am Schirm." Vermutlich war sie gerade selbst von anderen Themen absorbiert. Außerdem hatte sie noch nie ein Riesentheater um ihren Geburtstag gemacht. Wenn andere nicht daran dachten, fand sie das absolut verzeihlich.

„Ich wollte einfach der Erste sein, der dich anruft. Karina wird mir das übel nehmen, aber die Therapien fangen hier auch immer so entsetzlich früh an. Kommst du am Wochenende?"

„Natürlich. Was glaubst denn du?" Sie bedankte sich noch einmal für die Glückwünsche und versicherte Erik zum wiederholten Male, dass sie sich über seinen Anruf gefreut hatte und sie versprach ihm, Karina nicht zu verraten, dass er zuerst angerufen hatte. Anschließend stand sie auf und machte sich für die Arbeit fertig. Dabei wurde sie noch einmal durch Anrufe von ihrer Mutter und Karina unterbrochen. Wie jedes Jahr fühlte sich das gleichzeitig irgendwie unbehaglich, aber auch ein wenig schmeichelhaft an. Einerseits war es wirklich nicht ihr Verdienst, dass sie Geburtstag hatte. Andrerseits war es doch irgendwie schön, wenn alle an sie dachten und ihr das Gefühl gaben gemocht zu werden. Auch wenn sie fand, dass es damit nach einer halben Stunde Geburtstag schon wieder genug war.

Auf dem Weg in die Arbeit kaufte sie eine Torte, denn es galt gemeinhin als ungezogen an seinem Geburtstag ohne Süßkram, belegte Brötchen oder dergleichen im Büro aufzutauchen. Vincent hatte sogar eine Flasche Sekt zum Anstoßen besorgt, was den Arbeitstag wesentlich auflockerte. Der Tag war innenpolitisch nicht mit überraschenden Wendungen und spannenden Ereignissen gespickt, sodass sie alle Storys für die nächste Ausgabe rechtzeitig fertig hatten, ohne in letzter Sekunde alles umschmeißen zu müssen. Und so entschloss Sylvie sich, ihre Kollegen nach der Arbeit noch auf ein Bier einzuladen.

„Irgendwie ist momentan alles viel zu ruhig. Das wäre der ideale Zeitpunkt um irgendeine brisante Geschichte platzen zu lassen", bemerkte Simon. Er beneidete sie immer noch um ihren Shitstorm und die Geschichte mit den Gartenzwergen. Zumindest behauptete Vincent das.

„Dann lass dir was einfallen, Simon. Ich halte dich bestimmt nicht davon ab", sagte er. „Wie war das mit dieser Firma, die für die Herstellung von Anti-Chemtrail-Glitzerkristallen Subventionen vom Gesundheitsministerium bekommen hat?"

Das Schicksal spielt in Dur und MollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt