120. Kapitel - Epilog

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Erik spazierte gemächlich durch die engen Gassen von Brünn, die kleine Pension in der Jitka und er übernachteten, lag nur wenige Schritte vom Krautmarkt entfernt, dem zentralen Platz der Altstadt. Es war ein angenehmer Frühsommertag und er blinzelte zufrieden in die Sonne. Er erreichte den Platz, der auf tschechisch Zelný trh hieß, und ging auf den schönen Barockbrunnen zu, der ihn mit seinen zu einem Berg aufgetürmten Steinblöcken ein wenig an den Frejusbrunnen in Turin erinnerte, den er insgeheim immer noch den Höllenbrunnen nannte.

Dort standen sie schon, die Vier, die Eis essend auf ihn warteten. Seine Mutter und Alexander, sowie Jitkas Eltern. Er war froh, dass sich alle gut miteinander verstanden, aber er hatte auch nicht erwartet, dass es irgendwelche Probleme geben würde. Vor einer Woche war er zusammen mit Jitka, seiner Mutter und Alexander nach Prag geflogen und sie hatten zusammen die Stadt erkundet. Mit Jitkas Eltern und natürlich mit Sylvie und Karina. Sylvie hatte gemeint, es sei fast schon kitschig, wie sie alle so harmonisch zusammen Ausflüge unternahmen. Aber er selbst war sehr zufrieden.

Vor allem war er erfreut und angenehm überrascht, dass er bei allen Unternehmungen einfach so mitmachen konnte, ohne dass ihm schwindlig wurde und ohne, dass er sich danach gleich wieder stundenlang ausruhen musste. Er konnte immer noch nichts Schweres heben, und bei manchen Bewegungen wurde er durch ein fieses Ziehen in der Brust wieder daran erinnert, dass man ihn vor nicht einmal einem halben Jahr aufgeschnitten hatte. Aber sonst fühlte er sich wieder ganz fit.

Mit Jitka hatte er, sobald der Frühling begonnen hatte, sich bemerkbar zu machen, immer länger werdende Spaziergänge quer durch Kopenhagen unternommen. Er fuhr wieder mit dem Rad und für Jitka hatte er den Sattel und den Lenker von Sylvies Fahrrad etwas heruntergeschraubt. Nun waren sie ständig zusammen unterwegs, er zeigte ihr die Umgebung und alle seine Lieblingsplätze. Sie hatten sogar schon Orte entdeckt, die er auch noch nicht gekannt hatte.

Sylvies Wohnung hatten sie etwas wohnlicher dekoriert. Sie hatten bunte Überzüge, Teppiche und Decken gekauft, denn auf den weißen Möbeln, bei denen man stets Angst haben musste, etwas dreckig zu machen, konnte es einfach nicht gemütlich werden. Sie hatten außerdem Lichterketten für das Wohnzimmer und das Schlafzimmer gekauft und bunte Lampions für den Balkon. Wenn Jitka beim Dekorieren einmal in Fahrt kam, dann war sie nur schwer zu bremsen. Sylvie würde ihre Wohnung wohl nicht mehr wiedererkennen.

Seit seine Arztbesuche nicht mehr ganz so häufig notwendig waren, wurde es auch wieder leichter zu reisen. Er wollte schließlich auch Jitka öfter begleiten, wenn sie für Konzerte irgendwohin musste. Ein Umstand, an den er sich noch gewöhnen musste, war, dass er aufgrund der Medikamente, die er jetzt nahm, immer wieder seine Blutgerinnungswerte überprüfen musste. Mittlerweile konnte er das selbst erledigen und er musste dazu nicht mehrmals pro Woche ins Labor. Das machte das Reisen möglich und es gestaltete sich nicht allzu kompliziert. Er wusste, dass sich alles mit der Zeit noch einspielen würde. Wenn es sehr ruhig war, vor allem wenn er nachts aufwachte, irritierte ihn das Ticken der Herzklappe immer noch manchmal, aber längst nicht mehr so sehr, wie am Anfang. Es gelang ihm immer besser sich damit zu arrangieren und anzufreunden. Es war immerhin ein Zeichen, dass alles in Ordnung war.

Zusammen spazierten sie weiter durch die sommerlich belebten Gassen bis zu einem ockergelben Gebäude, dessen Eingang von vier griechisch aussehenden Frauenstatuen flankiert wurde. Er hatte sie für Musen gehalten, Sylvie hatte ihn gestern jedoch darüber belehrt, dass es sich dabei um sogenannte Karyatiden handelte. Es hatte sich herausgestellt, dass sie damit meinte, dass man wohl genau diese Art von Skulpturen so nannte, Musen stellten sie trotzdem dar.

Vor zwei Tagen hatten sie sich dann in Prag in den Zug gesetzt und die zweistündige Bahnfahrt nach Brno unternommen. In Karinas Heimatstadt. Hier sollten sie nämlich ein Konzert spielen, hier in diesem Gebäude mit den Karyatiden. Es handelte sich dabei um die Janaček Akademie für Musik und darstellende Kunst und hier unterrichtete auch Karinas ehemalige Cellolehrerin, die das Konzert eingefädelt hatte.

Das Schicksal spielt in Dur und MollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt