Prolog: Warnung eines Slytherins

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Es war ein warme Nacht im Juli 1995. Der Verbotene Wald lag in vollkommener Stille da. Nur selten hörte man eine der Kreaturen des Waldes in dieser Nacht aufheulen oder knurren. Über dem Wald ragte in der Dunkelheit das Schloss Hogwarts empor. Nicht einmal aus der kleinen Hütte auf den Ländereinen stieg Rauch aus dem Kamin. Nur in einem Raum brannte Licht. In einem der Türme im siebten Stock - im Büro des Schulleiters.

In eben diese Stille tauchte, wie aus dem nichts heraus, eine dunkle Figur. Es war ein großer, schlanker Mann, der von oben bis unten schwarz gekleidet war. Selbst seine fettigen Haare waren schwarz. Ganz im Gegensatz dazu stand sein blasses Gesicht, das an diesem Tag sogar noch blasser wirkte. Severus Snape legte im Laufschritt den Weg über die Ländereien zurück. Er sprintete die Stufen hinauf in den 7. Stock und hielt schließlich vor einem seltsamen Wasserspeier.

„Schokoladensorbet", schnarrte er und eine geheime Treppe erschien. Snape hastete die letzten Stufen hinauf, bis:
„Severus, es tut gut, dich zu sehen, mein Junge", ertönte die müde Stimme des Schulleiters.
„Professor", sagte Snape eisern. Er war müde... nein, müde war gar kein Ausdruck. Er war vollkommen erschöpft. Sieben Tage war es her, seit sein Mal das erste Mal nach so vielen Jahren wieder gebrannt hatte. Sieben Tage war es her, seit Potter von diesem unsäglichen Friedhof zurückgekehrt war. Seitdem hatte Severus kaum noch ein Auge zugetan. Er hatte immer gewusst, dass es nicht ewig Frieden geben würde, dass der Dunkle Lord zurückkehren würde. Doch nur zu gern hatte er sich der Illusion oder besser dem Wunsch, hingegeben, dass es länger dauern würde. Dass er mehr Zeit haben würde, dass Potter mehr Zeit haben würde.

Nachdem der Dunkle Lord zurückgekehrt war, hatte Dumbledore ihn um das Unmögliche gebeten. Er war wieder in die Reihen des Dunklen Lords zurückgekehrt. Wieder musste er den Spion spielen - wieder hallte ihm von allen Seiten Misstrauen entgegen. Misstrauen, dass ihm im schlimmsten Fall das Leben kosten würde.
„Was hast du erfahren, Severus?", fragte Dumbledore.
„Der Dunkle Lord zieht es vor, unentdeckt zu handeln. Seine Reihen sind dünn geworden, in den letzten 13 Jahren. Er will die Angst des Ministeriums nutzen. Ihre Absicht, seine Rückkehr zu übersehen", schnarrte Snape.
„Ich fürchtete bereits so etwas", sagte Dumbledore.
Snape war wütend auf den Minister. Er hatte ihm das Mal gezeigt, doch er weigerte sich, die Wahrheit zu sehen. Damit stürzte er sie alle ins Verderben. Doch der Minister war nicht der Einzige, der ihm Sorgen bereitete.
„Gibt es noch etwas, das du mir sagen möchtest?", fragte Dumbledore.
Ja, es gab noch etwas, oder besser jemanden, der ihm Sorgen bereitete. Sein Name lautete Harry James Potter. Der Junge, dessen Leben er versprochen hatte zu schützen. Der Junge, dessen Leben seine Entscheidung erst in Gefahr gebracht hatte. Lilys Junge.

„Albus... es gibt Gerüchte... Gerüchte über Harry Potter", begann Severus.
Dumbledore hob interessiert die Augenbrauen. „Und was sind das für Gerüchte, Severus?"

Severus Snape wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er wusste, was sein Haus mit seinen Schülern machte. Oh ja, Slytherin war ein großartiges Haus für jene, die Großes erreichen konnten. Doch es hatte seine dunklen Seiten. Mehr als ein Schüler hatte in diesem Haus den Weg zur dunklen Seite gefunden. Er selbst war einer davon. Seit er Hauslehrer war, versuchte er, seine Schüler von diesem Weg abzubringen. Doch es war schwierig. Er durfte seine Tarnung nicht riskieren und in seinem Haus befand sich mehr als ein Schüler, der Eltern in den Reihen des Dunklen Lords hatte. Er wusste auch, dass sein Haus Einfluss auf Harry Potter hatte. Er wusste, dass Potter mit dunkler Magie experimentierte. Und verdammt, was man so hörte, hatte der Bengel ein ziemliches Talent dafür. Doch die Gerüchte, die man seit Neustem hörte, gingen weit über das Stadium des Experimentierens hinaus.

„Sie wissen, dass Potter sich mit dem Dunklen Lord duelliert hat?", fragte Snape.
„Jeder, der die Augen nicht verschließt, weiß das", antwortete Dumbledore.
„Es gibt Gerüchte, Sir. Unter den Todessern. Potter soll eine beeindruckende Anzahl an dunklen Flüchen gegen den Dunklen Lord angewendet haben. Einige vermuten sogar, dass Potter, wenn er erst älter und erfahrener ist, ein mächtigerer dunkler Zauberer werden könnte, als der dunkle Lord", sagte Snape.
„Was hältst du von diesen Gerüchten, Severus?", fragte Dumbledore. Seine Stimme klang kalt, doch Severus wusste, dass Dumbledore ebenso erschöpft war, wie er selbst.

Severus war nicht sicher, was er sagen sollte. Traute er Potter zu, den dunklen Pfad zu gehen, den er selbst einmal vor so vielen Jahren gegangen war? Harry Potter war das Kind von Lily Potter, keine Frage. Er kämpfte für seine Freunde, beschützte sie. Doch sein eigenes Leben hatte ihm gezeigt, dass selbst ein Mensch, der in der Lage war zu lieben, der alles für seine Lieben tun würde, unter den richtigen Umständen vom Weg abkommen konnte. Reichte es, dass ein größenwahnsinniger Psychopath hinter Potter her war, um ihn aus der Bahn zu werfen? Würden seine Freunde hinter ihm stehen? Würde Draco Malfoy hinter ihm stehen, der von seinem Vater immer mehr auf die dunkle Seite gedrängt wurde, die so gar nicht zu seinem Schüler passen wollte?
„Ich muss zugeben, dass ich es Potter im Moment noch nicht zutraue, den falschen Weg einzuschlagen. Es gibt zu viele Menschen, um die er sich kümmert. Doch ich sorge mich, was passieren wird, sollten sie sich von ihm abwenden. Potter hat das Potential, ein großer Zauberer zu werden - im guten wie im schlechten Sinne", sagte Severus.

Dumbledore durchbohrte ihn mit einem Blick, der Severus selbst nach so vielen Jahren noch eine Gänsehaut verpasste. Ja, es hatte einen Grund, warum Dumbledore der Einzige war, vor dem der Dunkle Lord jemals Angst hatte.
„Sie verschweigen mir etwas, Severus", sagte er.
„Es gibt das Gerücht, dass Potter mit Unverzeihlichen gekämpft hat", sagte Severus.
Schweigen legte sich über das Büro des Schulleiters. Die beiden Männer, die in diesem Krieg mehr gesehen hatten, als die meisten anderen, sahen sich an.
„Ich denke nicht, dass unser junger Mr. Potter zu so etwas fähig ist. Er ist ein guter Junge, Severus", sagte Dumbledore.
Ja, Harry Potter war, am Ende des Tages, ein guter Junge. Nervig, mit einem Drang, die Regel zu brechen und manchmal ebenso arrogant wie sein Vater. Auf der anderen Seite jedoch eindeutig der Sohn von Lily. Ein guter Junge. Doch auch gute Jungen konnten auf die schiefe Bahn geraten. Severus konnte nur den Kopf schütteln, über das unsägliche Vertrauen, dass Dumbledore in die Menschen um ihn setzte.
„Ihr Vertrauen wird eines Tages Ihr Untergang sein, Albus", sagte Severus.
Dumbledore seufzte. „Das mag sein. Doch Vertrauen, Freundschaft und Liebe sind es, die uns von jenen, die einem dunkleren Pfad folgen unterscheiden."
„Sie vertrauen Harry Potter? Dass er den Dunklen Lord gegenübertreten wird? Dass er dazu in der Lage ist, ohne sich selbst zu verlieren?", fragte Severus.
„Ich vertraue Harry Potter, so wie ich dir vertraue. Er kämpft für das Richtige, so wie du, mein Junge", antwortete der Schulleiter.
„Er hat sich also entschieden zu kämpfen. Halten sie das für Weise, Albus? Er ist doch nicht mehr als ein Kind", sagte Severus.
„Machst du dir etwa Sorgen um den Jungen?", fragte Dumbledore.
Severus erschauderte. Ja, vor 13 Jahren hätte er den Jungen einfach sterben lassen. Doch er war nicht mehr dieser Mensch. Er hatte zu viele sterben sehen. In diesem Krieg würde es anders werden. Er würde verhindern, dass wieder unzählige Unschuldige ihr Leben gaben. Für Lily.

„Er ist ein Kind, Albus. Er mag viel in seinem Leben gesehen haben, doch er ist nur ein Kind!", sagte Severus nachdrücklich.
„Lilys Kind", stellte Dumbledore fest.
„Ja", antwortete Severus knapp. Sein Herz blutete bei der Erinnerung an das, was er wegen seiner dummen Fehler verloren hatte.
„Nach all dieser Zeit, Severus?", fragte Dumbledore.
Severus schwang seinen Zauberstab und eine silberne Hirschkuh galoppierte durch das Büro.
„Immer", antwortete Severus. Er schaffte es nicht, dem Schulleiter in die Augen zu sehen.
„Er wird kämpfen Severus. Es ist weder deine noch meine Entscheidung. Diese Entscheidung wurde vor vielen Jahren getroffen, das weißt du. Es ist unsere Aufgabe, ihm den Weg zu zeigen und ihn zu beschützen, solange wir können", sagte der Schulleiter.

Severus antwortete nicht. Er wusste, dass diese Diskussion nichts bringen würde. Albus Dumbledore hatte sich entschieden und wie es aussah auch Harry Potter. Und bei Merlin, Severus Snape wusste, wie Stur diese beiden Zauberer waren. Außerdem hatte er das Gefühl, dass Dumbledore ihm etwas verschwieg. Etwas, dass noch sehr wichtig werden sollte. Doch er hatte Wichtigeres zu tun, als sich um die vielen Geheimnisse des Albus Dumbledore Gedanken zu machen. Er musste sich überlegen, wie er Lilys Sohn beschützen konnte.

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