Kapitel 51: Abschied

580 46 8
                                    

Die nächsten Wochen verliefen erstaunlich gut. Oft konnte Harry nur den Kopf über seinen Paten schütteln. Er war ganz anders als Harrys Freunde, darin bestand kein Zweifel. Er war laut, lachte viel und machte die ganze Zeit dumme Scherze. Meinst sprach er, bevor er richtig darüber nachdachte und Harry musste sich daran gewöhnen, keine Doppeldeutigkeit in den Worten seines Patens zu finden, wie es in Slytherin so oft üblich war. All der Unterschiede zwischen den beiden zum trotz konnte Harry nicht anders, als anzufangen, seinen Paten zu mögen.

Sirius half Harry auch hin und wieder bei den Hausaufgaben - er hatte ein erstaunliches Wissen, was Verteidigung gegen die dunklen Künste betraf. Harry war sicher, dass er, wenn er nicht so ein Kindskopf gewesen wäre, ein herausragender Lehrer geworden wäre. In der Zwischenzeit bewarb sich Sirius wieder als Auror. Bevor er nach Askaban gebracht worden war, hatte er seine Ausbildung als Auror abgeschlossen. Er war jedoch nie dazu gekommen, nach seiner Ausbildung noch dort zu arbeiten. So kam es schließlich, dass Sirius ins Ministerium zurückkehren durfte, wenn auch noch nicht zum Außeneinsatz.

Damit war Harry tagsüber meistens alleine. So auch an jenem Tag. Er hatte beschlossen, die Bücher, die Sirius während der Renovierung verschwinden lassen wollte, zu retten. Natürlich nicht alle, das wäre zu auffällig. Zumindest die Ältesten wollte Harry jedoch in Sicherheit bringen. Es war, als ob ihm eine innere Stimme zuflüsterte, dass er nicht zulassen durfte, dass diese Bücher vernichtet wurden. 
Allerdings er wusste nicht, wie er es angehen sollte. Sirius hatte bereits in der Nacht nach ihrem ersten Streit alle seiner Meinung nach gefährlichen Bücher aus den Regalen im Salon entfernt und sie in eine Kammer hinter der Küche gesperrt, die sonst wohl zur Lagerung von Lebensmittel diente. Nach wie vor schien Sirius nicht zu wissen, was er damit machen sollte. Da es sich um magische Bücher handelte, die teilweise Jahrzehnte im Besitz einer schwarzmagischen Familie gewesen waren, wusste niemand so genau, ob nicht irgendwelche unbekannten Flüche auf ihnen lagen.
Harry saß also auf seinem Bett und überlegte sich, wie er in die magisch verschlossene Kammer kommen sollte. Kundalini hatte sich auf seinem Schoß zusammengerollt und genoss die Streicheleinheiten. 
„Wie soll ich nur in diese Kammer kommen?", fragte Harry seine Schlange. „Die Tür ist mit einem Passwort verschlossen - und Sirius war leider nicht so dumm, als Passwort "öffne dich" zu verwenden."
Es war nicht Kundalini, die ihm antwortete. Es war, als würde eine Stimme durch sein Zimmer hallen, die rief: „Komm zu mir. Komm zu mir und ich kann dir helfen!"
Harry blickte auf. In seinem Zimmer war niemand. Dennoch hatte er das Gefühl, dass ihn etwas rufen würde.
„Du weißt, wo du mich findest. Du weißt, dass du Hilfe brauchst", sagte die Stimme erneut. Kundalini schien die Stimme nicht zu hören.
Langsam stand Harry auf. Die Stimme kam aus seinem Schrank. Er öffnete die hölzerne Türe und wieder rief die Stimme nach ihm: „Komm her - ich kann dir geben, wonach du verlangst!"
Er blickte auf die Schublade, die er mit einem Passwort verschlossen hatte, das nur ein Parselmund sprechen konnte. Das Medaillon - es war das Medaillon, das nach ihm rief. Harry hatte das Gefühl, dass er das nicht tun sollte. Doch gleichzeitig war es, als würde eine zweite Stimme in ihm rufen: „Nimm es! Was soll schon schief gehen?"
„Sesam öffne dich!", zischte Harry sein Passwort und die Lade sprang auf. Darin lag das Medaillon, dass bei seinen Worten ebenfalls aufgesprungen sein musste. Wieder sahen ihn die beiden Augen an.
„Nimm mich und ich werde dich führen", sagte das Medaillon.
„Wohin willst du mich führen?" fragte Harry. Ohne dass er es bemerkt hatte, war seine Hand zum Medaillon gefahren und hatte es aus der Lade genommen.
„Du bist ein dunkler Zauberer. Ich fühle es - ich habe es in deinem Herzen gesehen. Du hast den Wunsch, das Vermächtnis einer alten Zaubererfamilie zu schützen - ich kann dir helfen", flüsterte die Stimme aus dem Medaillon nun.
„Und wie kannst mir dabei helfen?", fragte Harry.
„Ich kann Zauber nutzen, die das Ministerium nicht erkennt. Zauber, um die Türe der Kammer zu öffnen", antwortete das Medaillon. Harry war unsicher, was er machen sollte. Einerseits war es eine einmalige Gelegenheit, andererseits konnte er nicht umhin, an den Vorfall mit der Kammer des Schreckens zu denken, als er so dastand und mit einem Medaillon sprach. Doch wie durch eine unsichtbare Kraft gelenkt, legte er das Medaillon schließlich um.
„Ich bringe dich zur Vorratskammer", beschloss Harry. Es war, als ob seine Schritte ferngesteuert waren.
„Warte hier!", zischte er Kundalini zu, die nervös mit der Schwanzspitze zuckte. Er ging am vernagelten Porträt von Sirius' Mutter vorbei, durch die Küche und stand vor der Kammer.
Als würde jemand anderes seine Arme lenken, nahm er das Medaillon ab und hielt es vor das Schloss. Das Medaillon leuchtete auf und es war, als würde ihn eine warme Brise umgeben. Harrys Herz klopfte schneller, als er hörte, wie das Schloss der Türe aufsprang.
Die Vorratskammer war nicht besonders groß. Gerade groß genug, dass ein erwachsener Mann darin Platz finden konnte und auch die Möglichkeit hatte, sich umzudrehen. An den Wänden waren morsche Holzregale angebracht und einige Spinnen kletterten in den Ecken herum. Auf den Regalen befanden sich etwa vier Dutzend Bücher. Wieder war es, als ob jemand anderer seine Arme führte, als er die Bücher der Reihe nach durchsuchte. Ohne zu wissen warum, hatte er sich für sechs der Bücher entschieden. Eines davon war jenes Buch, dass er am ersten Abend in diesem Haus entdeckt hatte. Die Geheimnisse der dunkelsten Kunst.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt